JudikaturOGH

4Ob210/24x – OGH Entscheidung

Entscheidung
AGB-Recht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei * KG, *, vertreten durch Dr. Michael Nocker, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. * GmbH, 2. * und 3. *, alle *, alle vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und „Richtigstellung“ (Gesamtstreitwert im Hauptverfahren 60.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 31. Oktober 2024, GZ 2 R 175/24p 25, mit dem die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Innsbruck vom 17. September 2024, GZ 69 Cg 84/24p 16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen. Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin und die Erstbeklagte bieten insbesondere an, für Abgeber iSd HeizKG gegen Entgelt jährlich Wärmeverbrauchsabrechnungen zu erstellen. Dazu werden zuvor die individuellen Verbrauchswerte in der Regel nur einmal jährlich abgelesen.

[2] Weitere Tätigkeiten eines Abrechnungsunternehmens umfassen die Durchführung von Nutzer und Hausverwaltungswechseln, die Stammdatenpflege, Supporttätigkeiten (zB Beantwortung von Nachfragen von Hausverwaltungen und Nutzern zu früheren oder künftigen Abrechnungen oder zu Auswirkungen von baulichen Änderungen auf Abrechnungen und zur Funktionsweise der Messgeräte) sowie die laufende Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verbrauchsermittlung nach § 8 Abs 2 iVm § 5 HeizKG.

[3] Im Juli 2024 erhielt eine Hausverwalterin, die namens der von ihr betreuten Wohnungseigentumsgemeinschaft den Vertrag mit der Erstbeklagten gekündigt hatte, ein E Mail Schreiben der Beklagten mit ua den Behauptungen laut Spruchpunkt 1.d) unten zu den Rechtsfolgen der Kündigung.

[4] Ein ganz erheblicher Teil der (potenziellen) Kunden der Streitteile sind Wohnungseigentümergemeinschaften.

[5] Die Zweit und Drittbeklagten sind persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten.

[6] Die Klägerin begehrte die Erlassung eines Verbots für (konkret genannte) rechtswidrige Klauseln in den AGB der Erstbeklagten sowie für (konkret genannte) unzutreffende Behauptungen gegenüber Kunden nach Eingang von deren Kündigungsschreiben. Die Beklagten würden damit Rechtsbruch iSd § 1 UWG begehen.

[7] Die Klägerin stellte zu diesen Unterlassungsbegehren entsprechende Sicherungsanträge.

[8] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind nur noch die Verbote folgender Klauseln aus den AGB der Erstbeklagten und sinngleicher Regelungen (Spruchpunkte 1c.1) und c.2) des Erstgerichts):

[9] sowie zu folgenden Behauptungen gegenüber Kunden nach deren Kündigung ihrer Verträge mit der Erstbeklagten (Spruchpunkt 1.d) des Erstgerichts):

i. „Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der [Erstbeklagten] ist eine Kündigung immer nur mit Wirkung für eine nächstfolgende Heiz bzw. Abrechnungsperiode möglich. Das heißt, für die laufende Heiz bzw. Abrechnungsperiode (i.d.R. 01. 01. 2024 bis 31. 12. 2024) wird der Erfassungs und Abrechnungsservice durch [die Erstbeklagte] durchgeführt, insbesondere werden durch [die Erstbeklagte] daher die Ablesungen vorgenommen und die Abrechnungen erstellt und gelegt.“

ii. „Wir weisen Sie gleichzeitig darauf hin, dass [die Erstbeklagte] erfüllungsbereit ist und jedenfalls die beauftragten Dienstleistungen unverändert in Rechnung stellen wird, auch wenn Sie diese parallel zum laufenden Vertrag mit [der Erstbeklagten] bereits durch ein anderes Unternehmen durchführen lassen wollen.“

[10] Die Vorinstanzen erließen in diesen Punkten die einstweilige Verfügung.

[11] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Kündigungsfristen für Abrechnungsverträge fehle.

[12] Die Beklagten wollen mit ihrem Revisionsrekurs die Abweisung des Sicherungsantrags (auch) zu den oben genannten Punkten 1.c.1) , c.2) und d) erreichen.

[13] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Der Revisionsrekurs zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist daher unzulässig .

[15] 1. Die Beklagten vertreten die Ansicht, dass § 15 KSchG für Kündigungsfristen bei Abrechnungsverträgen nicht anzuwenden sei, weil sie keinen überwiegend werkvertraglichen Charakter hätten. Der einzige von den Beklagten geschuldete Erfolg sei die Erstellung einer den Vorschriften des HeizKG entsprechenden Abrechnung. Bei den zahlreichen anderen und somit überwiegenden Elementen ihres Leistungsspektrums schulde sie nur ein Bemühen.

[16] 1.1. Entgegen der den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ansicht des Berufungsgerichts ( RS0042392 ), liegt trotz fehlender Rechtsprechung zur Anwendbarkeit von § 15 KSchG auf Abrechnungsverträge keine erhebliche Rechtsfrage vor, weil sich diese Rechtsfrage anhand der klaren Gesetzeslage und einhelligen Rechtsprechung dazu lösen lässt (vgl RS0042656 ).

[17] Schon nach seinem Wortlaut gilt § 15 Abs 1 KSchG ua für Verträge, durch die sich der Unternehmer zu wiederholten Werkleistungen und der Verbraucher zu wiederholten Geldzahlungen verpflichten. Darunter fallen nach der Rechtsprechung etwa auch Wartungsverträge, Serviceverträge, Entsorgungsverträge (RS0114187 [T1]). Bei Mischverträgen reicht es nach ständiger Rechtsprechung schon, dass die werkvertraglichen Elemente nicht bloß eine untergeordnete Rolle spielen ( RS0115412 ).

[18] 1.2. Die Beklagten betonen zwar, dass die Erstbeklagte bei Erstellung der Abrechnung (im Bedarfsfall) auch Nutzerwechsel und Hausverwaltungswechsel durchführt, Stammdaten pflegt, Support leistet (zB Nachfragen beantwortet) sowie das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verbrauchsermittlung nach § 8 Abs 2 iVm § 5 HeizKG prüft. Sie stellen jedoch selbst gar nicht in Frage, dass ihre vertraglich geschuldete Hauptleistung ein Erfolg ist, nämlich eine dem HeizKG entsprechende Abrechnung.

[19] 2. Die Beklagten machen in der Zulassungsbeschwerde außerdem geltend, dass auch die AGB des Großteils der Abrechnungsunternehmen nicht § 15 KSchG entsprächen.

[20] 2.1. Auch in dieser Argumentationslinie ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu erblicken. Die Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung fällt nach ständiger Rechtsprechung nicht deshalb weg, weil eine zwingende gesetzliche Vorschrift von vielen, allenfalls sogar den meisten Mitbewerbern nicht beachtet wird oder sogar eine entsprechende Branchenübung vorliegt (vgl RS0078014 , RS0123660 , RS0110039 , RS0079477 ).

[21] 2.2. Selbst wenn man dieses Argument als Einwand der Vertretbarkeit der Rechtsansicht der Beklagten (vgl RS0123239 , RS0077771 , RS0123239 ) verstehen will, wird damit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Ob die Rechtsansicht eines Mitbewerbers mit guten Gründen vertretbar beurteilt werden kann, muss nämlich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden und hat daher in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ( RS0123321 [T3]).

[22] Eine dennoch korrekturbedürftige Überschreitung des Beurteilungsspielraums im Einzelfall durch die Vorinstanzen vermögen die Argumente im Rechtsmittel nicht aufzuzeigen:

[23] 2.3. Insbesondere „verdrängt“ die zwölfmonatige Abrechnungsperiode laut HeizKG entgegen der Ansicht der Beklagten nicht etwa die kürzeren Kündigungsfristen und termine des § 15 KSchG. Die Abrechnungsperiode gilt nämlich nicht für Abrechnungsunternehmen, sondern für Abgeber von Wärme oder Kälte – ganz unabhängig davon, ob sie die Abrechnungen selbst machen oder von einem oder mehreren Dritten erstellen lassen.

[24] Außerdem sieht das HeizKG sogar ausdrücklich Regeln für den Fall vor, dass ein Abrechnungsunternehmen nicht zu Beginn, sondern schon während der laufenden Heizperiode betraut wird (zB Prüfpflicht nach § 8 Abs 2 HeizKG). Es setzt somit die Zulässigkeit eines Wechsels in der Person des Abrechnungserstellers auch während der Periode voraus.

[25] 2.4. Die Beklagten argumentieren weiters, dass § 15 KSchG in seinen Abs 2 und 3 längere Kündigungsfristen gestatte, wenn die Leistung unteilbar sei oder die Vertragserfüllung für den Unternehmer erhebliche Aufwendungen mit sich bringe und für den Verbraucher längere Kündigungsfristen den Umständen entsprechend angemessen seien. Sie zeigen in ihrem Revisionsrekurs jedoch nicht auf, wieso die Voraussetzungen für diese beiden Ausnahmebestimmungen im konkreten Fall vorliegen sollten.

[26] 3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 393 Abs 1 Satz 1 EO.