JudikaturOGH

1Ob203/24w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely-Kristöfel, Dr. Parzmayr und Mag. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. *, vertreten durch die LIKAR Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen 17.250 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. September 2024, GZ 14 R 112/24d 18, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. Juni 2024, GZ 32 Cg 18/23m 12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.175,75 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger gewährte der G* GmbH („G*“ bzw „Gesellschaft“) im Jahr 2018 ein qualifiziertes Nachrangdarlehen über 17.250 EUR mit einer Laufzeit von 24 Monaten. Die Darlehensbedingungen enthielten folgende Klausel (Beilage ./6, S 57; vgl RS0121557 [T3]):

§ 7

Nachrangigkeit

(1) Die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin gleichrangig sind.

(2) Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind.

[2] 2022 eröffnete das Handelsgericht Wien das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G*.

[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung Zahlung von 17.250 EUR sA, in eventu die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus der Darlehensgewährung an die G*. Er stützt seine Ansprüche auf das Fehlverhalten der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption ( WKStA ), der Finanzmarktaufsichtsbehörde ( FMA ) sowie der Gewerbebehörde , für deren Organe der beklagte Rechtsträger hafte.

[4] Die Beklagte bestreitet.

[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ausgehend vom Vorbringen des Klägers ab.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

[7] Hinsichtlich des der WKStA vorgeworfenen Verhaltens mangle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang. Der Haftungsausschluss des § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG stehe einem Amtshaftungsanspruch aus dem Handeln der FMA entgegen. Die von der G* gewährten qualifizierten Nachrangdarlehen seien nicht von der RL 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (Einlagensicherungsrichtlinie) erfasst gewesen. Da der Kläger nach seinem Vorbringen erst 2018 und somit lange nach der Anmeldung des Gewerbes investiert habe, erschließe sich der Kausalzusammenhang zwischen dem Vorwurf, die Gewerbebehörde sei nicht gegen jene Aktivitäten eingeschritten, die die G* vor Anmeldung ihres Gewerbes gesetzt habe, und dem behaupteten Schaden nicht. Der Schaden sei zudem nicht durch eine bestimmte Tätigkeit, sondern durch die – jedem Unternehmen offenstehende – Aufnahme eines qualifizierten Nachrangdarlehens verursacht worden. Die Verurteilung des Geschäftsführers der Gesellschaft sei zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Gewerbeberechtigung bereits getilgt gewesen und hätte daher keine Untersagung der Gewerbeausübung gerechtfertigt.

[8] Die ordentliche Revision sei zur Frage, ob § 3 Abs 1 Satz 2 FMABG auch unionsrechtskonform sei, wenn die geschädigten Anleger im konkreten Fall keinen Anspruch aus der Einlagensicherung hätten, zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision des Klägers ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .

[10] 1. Der Oberste Gerichtshof hat zu sämtlichen in der Revision enthaltenen Argumenten bereits in der Entscheidung 1 Ob 196/24s ua in einem gleich gelagerten Parallelverfahren ausführlich Stellung genommen, auf die verwiesen wird. Diese Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1.1 Zur Haftung für das Handeln der WKStA

[11] Die Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sich der Kläger nicht mit der Beurteilung des Berufungsgerichts auseinandersetzt, § 190 StPO solle den Beschuldigten vor ungerechtfertigter Strafverfolgung, nicht aber allfällige Opfer vor dem Verlust der Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung schützen ( RS0043603 [T9]). Fehlt aber der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Einstellung des Ermittlungsverfahrens und dem geltend gemachten Schaden des Klägers, kann für die Aufhebung der Sicherstellung, die bloß Ausfluss der Verfahrenseinstellung nach § 190 StPO ist, nichts anderes gelten.

1.2 Zur Haftung für das Handeln der FMA

[12] Da der Kläger nicht darlegt, warum die von der G* aufgenommenen qualifizierten Nachrangdarlehen entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und der – auf unionsrechtlichen Vorgaben zur Einlagensicherung beruhenden – Rechtslage der Einlagensicherung nach der RL 2014/49/EU oder der Anlegerentschädigung nach der RL 97/9/EG unterlägen, kann dahingestellt bleiben, ob der Haftungsausschluss des § 3 FMABG unionsrechtlich nur dann wirksam wäre, wenn – wovon der Kläger ausgeht – sein Forderungsausfall im konkreten Fall (mit dem in diesen Richtlinien vorgesehenen Mindestbetrag) durch die Einlagensicherung und/oder Anlegerentschädigung gedeckt wäre, oder ob es für die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses ausreicht, dass – wovon das Berufungsgericht ausging – im betreffenden Mitgliedstaat überhaupt ein System der Ein- oder Anlegersicherung besteht.

1.3 Zur Haftung für das Handeln der Gewerbebehörde

[13] 1.3.1 Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt aus den zu 1 Ob 196/24s (Rz 35 ff) angeführten Gründen nicht vor.

[14] 1.3.2 Bereits das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass keine Rolle spielen könne, welche Tätigkeiten die Gesellschaft außer der ab 2015 unstrittig mit aufrechter Gewerbeberechtigung betriebenen Pfandleihe noch ausgeübt habe, weil die Aufnahme von qualifizierten Nachrangdarlehen grundsätzlich jedem Unternehmen offenstehe. Die Revision zeigt nicht auf, aus welchem Grund die Schließung des gesamten Betriebs einschließlich der Pfandleihe erforderlich gewesen wäre, selbst wenn G* nicht von der Gewerbeberechtigung gedeckte und konzessionspflichtige Dienstleistungen erbracht hätte und von der Gewerbebehörde deshalb Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen sowie Verwaltungsstrafen zu verhängen gewesen wären.

[15] Der Beurteilung, die ausländischen Vorstrafen wären zum Zeitpunkt der Genehmigung der vom Bewerber vorzulegenden Geschäftsordnung (§ 155 Abs 2 GewO 1994) bereits getilgt gewesen, tritt der Kläger nur mit der Behauptung entgegen, nach „§ 19 StGB“ wären dem Tag der Rechtskraft in Anbetracht der verhängten 120 Tagessätze 60 Tage Ersatzfreiheitstrafe hinzuzurechnen. Aus den vorgelegten Urkunden ergibt sich eine derartige Ersatzfreiheitsstrafe nicht und der Kläger erklärt nicht, warum § 19 StGB auf die ausländische Verurteilung Anwendung finden sollte.

[16] 2. Insgesamt ist die Revision damit zurückzuweisen.

[17] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.