JudikaturOGH

1Ob63/25h – OGH Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache des Antragstellers Dr. W*, vertreten durch die PHH Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. S*, vertreten durch die Rudeck - Schlager Rechtsanwalts KG in Wien, und 2. M*, vertreten durch die ONZ Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Einräumung eines Notwegs, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 20. Februar 2025, GZ 22 R 191/24d-96, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 27. August 2024, GZ 19 Nc 10/20s-77, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten der von den Antragsgegnerinnen erstatteten Revisionsrekursbeantwortungen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

[1] Der Antragsteller ist Alleineigentümer einer überwiegend als Grünland – Land- und Forstwirtschaft und geringfügig (zu etwa 15 bis 18 %) als Bauland – Wohngebiet gewidmeten Liegenschaft mit einer Fläche von 1.163 m ² („notleidende Liegenschaft“). Die Antragsgegnerinnen sind Eigentümerinnen je einer im Landschaftsschutzgebiet „B* und seine Umgebung“ gemäß § 2 Abs 1 der Verordnung der NÖ Landesregierung über die Landschaftsschutzgebiete (LGBl 5500/35-10) befindlichen Liegenschaft („beanspruchte Liegenschaften“). Die notleidende Liegenschaft grenzt nicht an öffentliche Verkehrsflächen an. Die einzige Zufahrt erfolgt über einen 622,66 m langen Fahrweg, der – ausgehend von der öffentlichen Straße – L-förmig zunächst in einem Ausmaß von 816 m ² über die Liegenschaft der Erstantragsgegnerin und sodann in einem Ausmaß von 1.353 m ² über die Liegenschaft der Zweitantragsgegnerin verläuft. Dieser Weg wird seit Jahren von der örtlichen Müllabfuhr und 23 weiteren Anrainern verwendet. Es gibt keine alternativen Zufahrtsmöglichkeiten zum Grundstück des Antragstellers.

[2] Der Antragsteller beabsichtigt auf der Liegenschaft ein Wohnhaus mit einer Wohneinheit zu errichten. Um das Grundstück baureif zu machen, ist ua erforderlich, dass die Liegenschaft an eine bestehende oder im Flächenwidmungsplan vorgesehene öffentliche Verkehrsfläche unmittelbar angrenzt, oder mit einem im Grundbuch sichergestellten Fahrrecht mit einer Breite von mindestens 3,5 m verbunden wird. Der bestehende Weg müsste zu diesem Zweck an einigen Stellen ausgebessert und verbreitert werden. Einige B ereiche müssten abgegraben, geschottert und verdichtet werden. Die betroffene Fläche beträgt etwa 72 m². Die Herstellungskosten belaufen sich auf ca 62.000 bis 84.000 EUR. Bei dieser Verbreiterung des Wegs müssten insgesamt 29 Bäume und Buschgruppen entfernt werden. Eine deutliche Mehrbelastung des Wegs durch die Nutzung des Antragstellers würde sich auf die Bauphase beschränken. Darüber hinaus ist nur mit einer nicht allzu großen Mehrbelastung im Vergleich zur derzeitigen Nutzung zu rechne n . Auch die Erhaltungskosten des Wegs würden sich nicht erheblich erhöhen.

[3] Der Antragsteller begehrt die Einräumung eines Notwegs in Form der Dienstbarkeit eines 3,5 m breiten unbeschränkten Geh- und Fahrwegs über die beanspruchten Liegenschaften. Der Notweg bringe für die Liegenschaften der Antragsgegnerinnen keine Nachteile, der notleidenden Liegenschaft aber den Vorteil der Bebaubarkeit. Im Hinblick auf die Gesamtlänge seien die erforderlichen Eingriffe nicht gravierend. Auch der Bebauungsplan stünde der Einräumung des Notwegs nicht entgegen, insbesondere weil für das notleidende Grundstück weder eine vordere noch eine hintere Baufluchtlinie festgelegt sei. Bei der Frage der ordentlichen Bewirtschaftung komme es ausschließlich auf die öffentlich-rechtliche Widmung, nicht aber darauf an, ob trotz Baulandwidmung ein konkretes Bauvorhaben erlaubt sei.

[4] Die Antragsgegnerinnen wendeten ein, dass dem Antragsteller eine auffallende Sorglosigkeit im Sinn des § 2 NWG vorzuwerfen sei. Eine Bebauung des Baulandteils seines Grundstücks sei unzulässig. Außerdem müsste eine größere Anzahl von Bäumen und Büschen entfernt werden, um den im im Landschaftsschutzgebiet befindlichen Weg in einer Breite von 3,5 m befahrbar zu gestalten, sodass die Einräumung eines Notwegs die Interessen der Zweitantragsgegnerin massiv beeinträchtigen würde.

[5] Das Erstgericht wies den Antrag ab.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zu.

[7] Dem Antragsteller sei entgegen der Meinung des Erstgerichts weder eine auffallende Sorglosigkeit noch Rechtsmissbrauch vorzuwerfen. Das Verfahren habe keine Umstände hervorgebracht, aufgrund derer er davon hätte ausgehen müssen, dass seinem Rechtsvorgänger kein Notweg eingeräumt worden wäre. Das Streben nach einer Aufwertung der Liegenschaft allein sei kein Abweisungsgrund. Da auch der unentgeltliche Erwerber geschützt sei, wäre es auch unschädlich, hätte der Antragsteller die Liegenschaft in der Hoffnung, einen Notweg eingeräumt zu erhalten, zu einem auffallend niedrigen Kaufpreis erworben.

[8] Allerdings würde sein Interesse als Eigentümer des notleidenden Grundstücks die Interessen der Antragsgegnerinnen als Eigentümerinnen der beanspruchten Grundstücke nicht überwiegen: Allein in der stellenweisen geringfügigen Verbreiterung des vorhandenen Wegs sei zwar noch keine maßgebliche Beeinträchtigung der beanspruchten Liegenschaften zu erblicken. Doch weise der beantragte Notweg schon grundsätzlich eine bedeutende Länge auf und steige die Beeinträchtigung des Liegenschaftseigentümers proportional zur Weglänge an. Die insgesamt als Notweg in Anspruch genommene Fläche wäre mit (rechnerisch) 2.179,31 m² mehr als zehnmal so groß wie der als Bauland gewidmete Teil der notleidenden Liegenschaft. Insbesondere sei die erforderliche Entfernung des nicht unbeträchtlichen Bewuchses zu berücksichtigen. Die Rodungsmaßnahmen seien nicht bloß geringfügige Beeinträchtigungen der beanspruchten Liegenschaften. Die Bäume und Buschgruppen stellten einen Teil („Zugehör“) des Grundeigentums dar (§§ 295, 421 ABGB), dessen Entfernung der Grundeigentümer nicht ohne schwerwiegenden Grund zu dulden habe, ohne dass es darauf ankäme, welche Wertminderung der beanspruchten Liegenschaften (für die gemäß § 5 NWG ohnehin ein Entschädigungsbetrag festzusetzen wäre) die Antragsgegnerinnen durch die Abholzung des Baumbestands hinzunehmen hätten, zumal dem Bewuchs – insbesondere in einem ausgewiesenen Landschaftsschutzgebiet – auch ein hoher ideeller Wert zukommen könne. Gemäß § 2 Abs 1 erster Fall NWG sei die Antragsabweisung daher nicht zu beanstanden.

[9] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Antragsteller , die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass seinem Antrag stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Die Antragsgegnerinnen beantragen in den ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortungen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig , weil entscheidungswesentliche Feststellungen fehlen, und mit seinem Aufhebungsantrag berechtigt .

1. Zum Notwegbedarf

[12] 1.1. Entbehrt eine Liegenschaft der für die ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung erforderlichen Wegeverbindung mit dem öffentlichen Wegenetz, so kann deren Eigentümer gemäß § 1 Abs 1 NWG die gerichtliche Einräumung eines Notwegs über fremde Liegenschaften begehren.

[13] Unter der für eine ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung erforderlichen Wegeverbindung ist jener Nutzen zu verstehen, den die Liegenschaft nach ihrer Natur und Beschaffenheit gewähren kann ( RS0070994 ). Maßgeblich ist jede nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässige Bewirtschaftungsart ( RS0070994 [T1]; 3 Ob 183/03p [öffentlich-rechtliche Widmung als Bauland]; 7 Ob 228/10w [Baulandwidmung]). Als „Widmung“ ist die Baulandausweisung der notleidenden Liegenschaft im Flächenwidmungsplan zu verstehen ( Höfle , Notwegerecht [2009] 69; Neumayer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG II § 1 NWG Rz 22 [Stand 1. 10. 2017, rdb.at]).

[14] Auch die angestrebte – dem öffentlichen Recht nicht widersprechende – Widmungsänderung in Bauland kann einen Notweg rechtfertigen ( RS0070989 [T1]). Nach der Rechtsprechung ist der beanspruchte Notweg zur Benützung der Liegenschaft als Baugrund jedoch beispielsweise dann nicht erforderlich, wenn das betreffende Grundstück im Landschaftsschutzgebiet liegt (7 Ob 329/65) oder der „Gemeindeentwicklungsplan“ die Nichtbebauung der Grundstücke der Antragsteller vorsieht ( 8 Ob 504/93 ). Eine Bausperre dagegen hebt den unter den sonstigen Voraussetzungen bestehenden Bedarf nach einer durch Einräumung eines Notwegs zu schaffenden Wegverbindung nicht auf, weil sie nur eine Beschränkung für die Erteilung von Baubewilligungen, aber kein absolutes Bauverbot darstellt ( 6 Ob 578/92 [27. 8. 1992] ).

[15] 1.2. Der Antragsteller begehrt die Einräumung eines Notw egs, um auf seinem (unbebauten) Grundstück ein Wohnhaus errichten zu können .

[16] Nach den Feststellungen ist ein (kleinerer) Teil der Liegenschaft als Bauland – Wohngebiet gewidmet. Allerdings haben die Antragsgegnerinnen eingewandt , dass die hintere Baufluchtlinie einer Bebauung dieses Teils der Liegenschaft entgegenstünde.

[17] Mit diesem Einwand haben sich die Vorinstanzen nicht auseinandergesetzt, obwohl er für den Notwegbedarf beachtlich ist:

[18] Nach § 4 Z 4 NÖ BauO 2014 (LGBl 2015/1 idF LGBl 202 5 / 40) sind Baufluchtlinien Abgrenzungen innerhalb eines Grundstücks, über die mit Hauptgebäuden grundsätzlich nicht hinausgebaut werden darf. Baufluchtlinien werden im Bebauungsplan festgelegt (§§ 30 bis 32 NÖ ROG 2014). Sie verlaufen meist innerhalb von Bauplätzen; sie können aber auch durch Grünlandwidmungen verlaufen ( Riegler/Koizar , NÖ BauO 4.02 § 4 NÖ BO 2014 Rz 12 [Stand 1. 7. 2021, rdb.at]). Nach § 49 Abs 1 NÖ BauO 2014 darf ü ber eine Baufluchtlinie sowie in einen Bauwich grundsätzlich nicht gebaut werden. Ausgenommen sind Bauwerke nach § 51 leg cit, Vorbauten nach § 52 leg cit sowie Bauwerke und Bauwerksteile, die an keiner Stelle mehr als 1 m über das Bezugsniveau und über die Höhenlage des anschließenden Geländes nach Fertigstellung ragen. Daraus folgt, dass der Bebauungsplan die widmungsgemäße Verwendung des Grundstücks des Antragstellers als Bauland tatsächlich ausschließen könnte. Damit bestünde aber (zumindest derzeit) kein Bedarf nach dem begehrten Notweg.

[19] 1.3. Das Erstgericht hat dazu festgestellt , dass d er „als Bauland-Wohnland gewidmete Teil des Grundstücks zur Bebauung, sohin zur Nutzung entsprechend dem Flächenwidmungsplan zwar grundsätzlich geeignet“ ist, „eine Bebauung dieser südlichen Randbereiche des Baulands [...] aber nicht den Intentionen der örtlichen Raumplanung [entspricht], da sie hinter der im Bebauungsplan ausgewiesenen hinteren Baufluchtlinie liegen“. Über die „Praktikabilität und Ausnutzbarkeit d ieser Teilfläche hinsichtlich einer Bebauung“ konnte das Erstgericht keine Feststellungen treffen.

[20] D iese Feststellungen sind nicht klar und widersprüchlich, sodass die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung erforderlich ist.

[21] Das Erstgericht wird nach Erörterung mit den Parteien zur Frage der Bebaubarkeit nachvollziehbare Feststellungen zu treffen haben, auf deren Grundlage beurteilt werden kann, ob der Bebauungsplan die widmungskonforme Verwendung des Grundstücks als Bauland ausschließt oder zumindest einschränkt .

[22] Sollte Ersteres zutreffen, wäre, wie bereits ausgeführt, kein Bedarf nach dem Notweg in der beanspruchten Form gegeben. Im Revisionsrekurs lässt der Antragsteller erstmals erkennen, dass er auch bei eingeschränkter Bebaubarkeit Interesse an der Einräumung eines (eingeschränkten) Notwegs für eine andere Bewirtschaftung und Benützung der notleidenden Liegenschaft h ätte . Dies hat das Erstgericht daher ebenfalls mit ihm zu erörtern und gegebenenfalls entsprechend festzustellen, was deshalb relevant ist, weil der Vorteil für das notleidende Grundstück im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt und daher festgestellt werden m uss (siehe dazu näher unter Punkt 3.2.).

2. Zum Ausschluss auffallender Sorglosigkeit

[23] Nach § 2 Abs 1 zweiter Fall NWG ist das Begehren um Einräumung eines Notwegs unter anderem unzulässig, wenn der Mangel der Wegeverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit des Grundeigentümers zurückzuführen ist. Die Frage, ob der Mangel auf eine auffallende Sorglosigkeit zurückgeht, ist dabei stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ( RS0118155 [T1]). Allein der Erwerb einer Liegenschaft ohne ausreichende Anbindung an das öffentliche Wegenetz schließt die Einräumung oder Erweiterung eines Notwegs nur dann aus, wenn besondere Umstände auf eine auffallende Sorglosigkeit des Erwerbers schließen lassen ( RS0118155 [T3]).

[24] Solche besonderen Umstände liegen hier – wie bereits das Rekursgericht zutreffend aufgezeigt hat – nicht vor: Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller das Grundstück im Bewusstsein, dass kein Notwegerecht besteht, um einen (deswegen) geringen Preis erworben hätte; das Bewusstsein, dass kein Anschluss an das öffentliche Wegenetz besteht, das der Antragsteller – wie festgestellt – beim Erwerb hatte, reicht nicht ( 4 Ob 74/21t [Rz 12] mwN).

3. Zur Interessenabwägung

[25] 3.1. Nach § 2 Abs 1 erster Fall NWG, der durch § 4 Abs 1 Satz 2 NWG ergänzt wird (1 Ob 45/20d), ist das Begehren um Einräumung eines Notwegs (selbst im Fall des Bedarfs) unzulässig, wenn der Vorteil des Notwegs nicht die Nachteile überwiegt, welche durch den Notweg den zu belastenden Liegenschaften (insgesamt) erwachsen ( 1 Ob 178/75 ; Egglmeier-Schmolke in Schwimann/Kode k, ABGB 5 [2019] § 2 NWG Rz 1; Höfle , Notwegerecht [2009] 99).

[26] Es ist daher im Einzelfall – wovon auch das Rekursgericht ausgegangen ist – eine Abwägung der Vor- und Nachteile durch die Einräumung eines Notwegs erforderlich ( 1 Ob 88/99v mwN; Egglmeier-Schmolke, Update Notweg, bbl 2021, 87 [96]). Den Vorteilen für das notleidende Grundstück sind die Nachteile der Liegenschaften gegenüberzustellen, die mit dem Notweg belastet werden (vgl auch RS0071111).

[27] Nach der Rechtsprechung bedeutet die Gewährung eines Notwegs einen beachtlichen Vorteil für die Liegenschaft des Antragstellers, wenn deren Verbauung ansonsten unmöglich wäre ( 1 Ob 651/88 ; Höfle , Notwegerecht [2009] 101). Auch die zu erwartende Wertsteigerung des notleidenden Grundstücks ist zu veranschlagen ( 3 Ob 278/06p ).

[28] 3.2. Ob und unter welchen Voraussetzungen im konkreten Fall ein Notweg einzuräumen ist, ist stets eine Ermessensentscheidung (RS0052715 [T1]). Zu Recht rügt der Revisionsrekurswerber jedoch, dass dem Rekursgericht ein im Einzelfall korrekturbedürftiger Ermessensfehler unterlaufen ist ( RS0007104 ), weil es der vorgenommenen Interessenabwägung an einer zureichenden Tatsachengrundlage mangelt:

[29] (a) Der Vorteil der Notwegverbindung für das Grundstück des Antragstellers kann noch nicht beurteilt werden, weil die Frage der Bebaubarkeit nicht geklärt ist (siehe Punkt 1.3.). Nach den bisherigen Feststellungen steht gerade nicht fest, dass die notleidende Liegenschaft überhaupt, insbesondere mit einem Wohnhaus, bebaut werden kann. Damit hätte der Antragsteller aber den behaupteten Vorteil nicht nachgewiesen, was die Interessensabwägung zugunsten der Liegenschaften der Antragsgegnerinnen ausschlagen ließe. Da diese Problematik von den Parteien und Vorinstanzen bislang nicht (ausreichend) beachtet wurde, ist eine Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen geboten, um den Parteien Gelegenheit zu geben, ergänzendes Vorbringen und weitere Beweisanträge zu erstatten.

[30] (b) Die Annahmen der zweiten Instanz zu den Beeinträchtigungen der beanspruchten Liegenschaften erweisen sich ebenfalls als nicht belastbar: Das Rekursgericht erkennt selbst, dass die Darlegung des Erstgerichts, wonach die Entfernung von insgesamt 29 Bäumen und Buschgruppen im Zuge der Verbreiterung des Wegs „die Flora und Fauna erheblich beeinträchtigen“ würde, keine Feststellung, sondern eine rechtliche Beurteilung ist, für die jegliches Tatsachensubstrat fehlt. Nicht nachvollziehbar ist daher die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass „die erforderliche Entfernung des nicht unbeträchtlichen Bewuchses“ ein beachtlicher Nachteil für die beanspruchten Liegenschaften sei. Zutreffend bemängelt der Revisionsrekurswerber, dass nähere Feststellungen zum Bewuchs (Art, Alter, Zustand, Schutzwürdigkeit, Wert in materieller und ideeller Hinsicht etc) und dessen Bedeutung für das Landschaftsschutzgebiet fehlen. Die Ansicht des Rekursgerichts, dass dem Bewuchs im Landschaftsschutzgebiet ein hoher ideeller Wert zukommen könne, findet keine Deckung im festgestellten Sachverhalt. Auch der Hinweis auf den Eigentumseingriff durch Entfernung des Bewuchses verfängt nicht, weil die gesetzliche Verpflichtung zur Duldung des Notwegs per se einen schwerwiegenden Eingriff in das Eigentumsrecht bedeutet, weshalb die Bestimmungen des NWG auch einschränkend auszulegen sind ( 1 Ob 145/12y [Pkt 1.]; RS0070966 ; Egglmeier-Schmolke in Schwimann/Kodek , ABGB 5 [2019] § 1 NWG Rz 5).

[31] (c) Das Argument des Rekursgerichts, dass die insgesamt als Notweg in Anspruch genommene Fläche immerhin 2.179,31 m² betrüge, übersieht, dass bereits ein – seit Jahren mit Duldung der Antragsgegnerinnen von der Müllabfuhr und über 20 Anrainern benutzter – Fahrweg besteht. Von der Verbreiterung wäre tatsächlich nur eine Fläche von insgesamt rund 72 m² betroffen, dies bei einer behaupteten Größe der Liegenschaft der Erstantragsgegnerin von 5.789 m² und der Zweitantragsgegnerin von 56.893 m².

[32] Das Erstgericht wird daher entsprechende Feststellungen nachzutragen haben, die eine Beurteilung ermöglichen, ob der Vorteil des Notwegs die Nachteile überwiegt, welche in einer Gesamtbetrachtung den beanspruchten Liegenschaften durch diesen erwachsen.

4. Zur Entschädigung

[33] Sollten die Voraussetzungen für die Einräumung eines Notwegs erfüllt sein, würden überdies noch Feststellungen fehlen, die die Festsetzung der Entschädigungssumme nach § 5 NWG erlauben. Beeinträchtigungen der beanspruchten Liegenschaften von einer Intensität, die nicht zur Versagung des Notwegs führen, sind durch eine Entschädigung auszugleichen (vgl Egglmeier Schmolke , Update Notweg, bbl 2021, 87 [100 mwN]).

[34] 5. Da das Verfahren im aufgezeigten Umfang ergänzungsbedürftig ist, ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

[35] 6. Gemäß § 25 Abs 1 NWG idF des AußStrG-BegleitG kommt nur eine Kostenersatzpflicht des Eigentümers des notleidenden Grundstücks, hier also des Antragstellers, in Betracht (RS0071335 [T3, T4]; 3 Ob 154/09g mwN). Erst bei der Endentscheidung wird feststehen, ob die Kosten der Antragsgegnerinnen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich waren. Daher ist die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen vorzubehalten.