2Ob69/25y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2020 verstorbenen W*, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. B*, vertreten durch Dr. Walter Müller, Rechtsanwalt in Linz, 2. C*, vertreten durch Dr. Franz Xaver Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, 3. M*, 4. M*, 5. M*, Dritt- bis Fünftantragsteller vertreten durch Mag. Daniel Sallrigler, Rechtsanwalt in Linz, und 6. Verlassenschaft nach der am * 2021 verstorbenen G*, vertreten durch den Zweitantragsteller (§ 810 ABGB), dieser vertreten durch Dr. Franz Xaver Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Februar 2025, GZ 15 R 407/24i-119, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Wie eine letztwillige Verfügung auszulegen ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung möglich gewesen wäre, sondern nur dann, wenn das von der zweiten Instanz gefundene Auslegungsergebnis bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar ist ( 2 Ob 18/22v Rz 9 mwN).
[2] 2. Ob der Erblasser eine Erbseinsetzung oder ein Vermächtnis wollte, ist durch Auslegung zu ermitteln. Es ist zu prüfen, ob der Erblasser den Bedachten zum Gesamtrechtsnachfolger oder Einzelrechtsnachfolger machen wollte, ob er ihn dem direkten Zugriff der Nachlassgläubiger aussetzen und ob er ihm einen direkten Zugriff auf das Nachlassvermögen einräumen wollte oder nicht ( RS0012237; zur Einzelfallbezogenheit dieser Auslegung vgl RS0012244 ). Wenn der Erblasser einer oder mehreren bestimmten Personen alle wesentlichen Stücke seines Vermögens hinterlässt, liegt im Zweifel Erbseinsetzung und kein Vermächtnis vor, wobei für die Beurteilung der Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung entscheidend ist ( RS0012245 [insb auch T2]; vgl auch RS0014968 ). Bei einer Mehrheit von bedachten Personen fordert die Rechtsprechung für die Annahme einer Erbseinsetzung zusätzlich das Vorliegen eines Willens des Erblassers, der eine quotenmäßige Nachlassteilung zum Ausdruck bringt ( RS0012246 [T1, T2]). Die Bezeichnung einer letztwilligen Verfügung als „Testament“ ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, kann aber ein Indiz für die Einsetzung eines Erben sein (RS0012236 [T2]).
[3] Hingegen spricht die Aufzählung einzelner Sachen für die Annahme eines Vermächtnisses ( RS0012250 [insb T2]). Immer dann, wenn (bloß) einzelne Sachen oder Rechte zugewendet werden, ist daher im Zweifel ein Vermächtnis anzunehmen ( 2 Ob 145/18i ).
[4] 3. Dass das Rekursgericht in der zu beurteilenden letztwilligen Verfügung ein Aussetzen von Vermächtnissen und keine Erbseinsetzung (mit Erbteilungsanordnung) erblickte, stellt auf Grundlage dieser Rechtsprechung keine im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Zwar findet der ganz überwiegende Teil des Vermögens des Erblassers Erwähnung in der auch das Verbum „erben“ enthaltenden eigenhändigen letztwilligen Verfügung, allerdings spricht die Zuwendung bloß einzelner Sachen an eine Vielzahl von Personen und das bereits vom Erstgericht ins Treffen geführte Fehlen eines eine quotenmäßige Nachlassteilung anordnenden Willens für das Vorliegen von Vermächtnissen. Ob die in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts enthaltenen Ausführungen zum Willen des Erblassers tatsächlich als dislozierte Feststellung oder aber als Ergebnis der Urkundenauslegung zu deuten sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.