JudikaturOGH

9ObA14/25m – OGH Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
29. April 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. M*, vertreten durch Mag. Thomas Preisinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, *, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1011 Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert: 20.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 2025, GZ 9 Ra 65/24f 19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.Nach § 4 Abs 4 VBG 1948 (bereits in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2003/130) kann ein Dienstverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen worden ist, auf bestimmte Zeit einmal verlängert werden; diese Verlängerung darf drei Monate nicht überschreiten. Wird das Dienstverhältnis darüber hinaus fortgesetzt, so wird es von da ab so angesehen, wie wenn es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen worden wäre.

[2] 2.§ 4 Abs 4 VBG 1948 gilt ua nicht, wenn der Vertragsbedienstete nur zur Vertretung aufgenommen wurde (§ 4a Abs 2 Z 1 VBG 1948 bereits idF BGBl I 2003/130).

[3] 3.In der Entscheidung 9 ObA 97/00f hat der Oberste Gerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage nach dem OÖ LVBG LGBl 1994/10, ausgeführt, dass die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs 5 Z 1 iVm § 62 Abs 7 OÖ LVBG so zu verstehen ist, dass sie nur zum Tragen kommt, wenn die Verlängerung den dort normierten Kriterien (zur Vertretung oder für eine vorübergehende Verwendung) entspricht. Dies wurde – unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung zu § 4 Abs 4 VBG 1948 (9 ObA 7/98i) – damit begründet, dass befristete Dienstverträge nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme bilden und nur in den im Gesetz umschriebenen Fällen zulässig sein sollen. Absicht des Gesetzgebers ist es, die Umgehung der Bestimmungen, die den sozialen Schutz des Vertragsbediensteten bei Dienstverhältnissen auf unbestimmte Zeit gewährleisten, zu verhindern. Die enge Umschreibung der Zulässigkeit von wiederholten befristeten Dienstverhältnissen soll sicherstellen, dass grundsätzlich Dienstverhältnisse unbefristet begründet werden und wiederholte Befristungen nur dann wirksam erfolgen können, wenn es sich um einen tatsächlichen Vertretungsfall handelt. Nur dann tritt nach dem Willen des Gesetzgebers das Interesse des Dienstnehmers an der Begründung eines den vollen sozialen Schutz des Gesetzes genießenden unbefristeten Dienstverhältnisses gegenüber den Interessen des Dienstgebers an einer Vorsorge für einen bloß vorübergehenden Einsatz des Dienstnehmers zurück.

[4] 4.Die Vorinstanzen haben die Grundsätze dieser Entscheidung auf die zu § 4 Abs 5 Z 1 OÖ LVBG wortgleiche Bestimmung des § 4a Abs 2 Z 1 VBG 1948 angewandt und festgestellt, dass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien über den 1. 11. 2023 hinaus unbefristet fortbesteht. Selbst wenn mit dem Kläger zunächst ein – wenn auch zur Vertretung eingegangenes – befristetes Dienstverhältnis begründet worden sein sollte, sei der Verlängerung dieses ursprünglich befristeten Dienstverhältnisses unstrittig (auch faktisch) kein Vertretungsfall zu Grunde gelegen. Das Dienstverhältnis des Klägers sei daher gemäß § 4 Abs 4 VBG 1948 so anzusehen, als wäre es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen worden.

[5] 5.Auch wenn die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision zur Begründung der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels zutreffend darauf verweist, dass zur Auslegung des § 4a Abs 2 Z 1 VBG 1948 noch keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, kommt unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur wiederholten Befristung von Vertragsbedienstetenverhältnissen keine andere als die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung ernstlich in Betracht (vgl RS0042656 [T8]). Auch die außerordentliche Revision vermag keine Zweifel an der Richtigkeit der Gesetzesauslegung durch die Vorinstanzen zu wecken.

[6] 6.1.§ 4a Abs 2 Z 1 VBG 1948 bestimmt wortgleich mit § 4 Abs 5 Z 1 OÖ LVBG idF LGBl 1994/10, dass diese Ausnahmebestimmung nur dann zur Anwendung gelangt, „wenn der Vertragsbedienstete nur zur Vertretung aufgenommen wurde“. Richtig ist zwar, dass eine reine Wortinterpretation die Auslegung der Vorinstanzen nicht tragen würde. In der Entscheidung 9 ObA 97/00f hat der Oberste Gerichtshof aber dazu bereits ausgeführt, dass ein Abstellen nicht auf die Verlängerung, sondern auf die (ursprüngliche) Begründung des Dienstverhältnisses („aufgenommen“) bedeuten würde, dass ein einmal zur Vertretung aufgenommener Vertragslehrer in keinem Fall mehr in den Genuss des Schutzes des § 4 Abs 4 OÖ LVBG kommen könnte, und zwar auch dann nicht, wenn in weiterer Folge immer wieder nicht zur Vertretung oder vorübergehenden Verwendung dienende Verlängerungen erfolgten. Ein derartiger Sinn könne aber den genannten Bestimmungen nicht unterstellt werden.

[7] 6.2.Diese Erwägungen gelten auch für § 4a Abs 2 Z 1 VBG 1948. Dass die vom Obersten Gerichtshof vorgenommene Auslegung im Wortlaut der Bestimmung keine Deckung fände, ist nicht zutreffend.

[8] 6.3.§ 4a Abs 2 VBG 1948 regelt im Übrigen keinen eigenen Fall von zulässigen Befristungen, sondern nur – wie in Abs 1 – Konstellationen, in denen § 4 Abs 4 VGB 1948 nicht gilt. Vielmehr bestimmt § 4 Abs 3 VBG 1948 wann ein Dienstverhältnis als auf bestimmte Zeit eingegangen gilt.

[9] 7.Dass das OÖ LVBG idF LGBl 1994/10 keine § 4a Abs 4 VBG 1948 in der aktuellen Fassung vergleichbare Schutzbestimmung kannte, die die Höchstdauer von Befristungen mit fünf Jahren begrenzte, ist richtig. Allerdings war eine solche auch weder in § 4a VBG 1948 idF BGBl 1996/375, noch in § 38 Abs 3 VBG 1948 idF BGBl 1990/447 (der Vorläuferbestimmung des § 4a Abs 2 VBG 1948) enthalten und dennoch nahm der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung auf die bundesgesetzlichen Regelungen ausdrücklich Bezug.

[10] 8. Auch in der Entscheidung 9 ObA 328/00a (ZAS 2002/13, 119 [zust Ziehensack ] wurden ausgehend von der Entscheidung 9 ObA 97/00f mehrfache Befristungen für zulässig angesehen, weil der Dienstnehmer bei allen befristeten Dienstverhältnissen ausschließlich Vertretungstätigkeiten wahrgenommen hatte. Auch in den Entscheidungen 9 ObA 1/19s und 9 ObA 95/14g wurde darauf abgestellt, ob bei der Verlängerung des Dienstverhältnisses ein Vertretungsfall vorlag.

[11]Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.