10Ob21/25y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Steger und Dr. Annerl und die Hofrätin Dr. Wallner Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch Mag. Peter Petz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Dr. Andreas Pistotnig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 26.340 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Dezember 2024, GZ 2 R 115/24g 36, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. April 2024, GZ 29 Cg 17/23d 27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.072,40 EUR (darin enthalten 345,40 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1]Die Klägerin ist Mieterin der Wohnung Top 66 in einem Haus in Wien, dessen Eigentümerin bis zum Verkauf im Jahr 2009 die Beklagte war. Im Jahr 2002 vereinbarten die Streitteile, dass im Zuge einer Sanierung der Dachkonstruktion (unter anderem) zu diesem Mietobjekt eine Dachterrasse errichtet werden sollte. Die Terrasse wurde 2003 errichtet, aber nicht fertiggestellt; eine Benützungsbewilligung liegt nicht vor. Der in Aussicht genommene Nutzungsvertrag über die Dachterrasse kam mangels Einigung über seinen wesentlichen Inhalt nicht zustande (9 Ob 21/20h Rz 30).
[2] Mit Teilurteil vom 26. März 2018 wurde die Klägerin zur Räumung der Terrasse wegen titelloser Benützung verpflichtet; danach (nach den Schlussfolgerungen des Berufungsgerichts im Juni 2021) wurde die Terrasse der Beklagten zurückgestellt. Das Räumungsverfahren zur Wohnung ist anhängig.
[3] Die Klägerinbegehrt den Zuspruch von 26.340 EUR sA. Sie habe zur Errichtung der Dachterrasse (näher aufgeschlüsselte) Zahlungen teilweise an die Beklagte gezahlt, teilweise aufgewendet, um die Terrasse zu errichten. Sie habe die Dachterrasse vereinbarungsgemäß errichtet, weil sie erwartet habe, dass dann die Kosten abgerechnet würden und ein entsprechender Mietzins errechnet werden könne. Die Beklagte habe schuldhaft gegen ihre vertragliche Pflicht verstoßen, die richtige Terrassengröße einzureichen, die Abrechnung vorzunehmen, einen Mietzins zu berechnen und einen Mietvertrag vorzulegen. Aus diesem Grund seien die Zahlungen der Klägerin nunmehr frustriert. Die Beklagte sei passivlegitimiert, weil sie Partnerin der geschlossenen Vereinbarung und Empfängerin der Leistungen gewesen sei. Daran ändere auch der Eigentümerwechsel nichts. Das Klagebegehren beruhe maßgeblich auf Bereicherung (§ 1435 ABGB, allenfalls in analoger Anwendung). Der Anspruch werde auch auf Schadenersatz gestützt, weil die Beklagte dadurch, dass sie die Vereinbarung verletzt habe, verursacht habe, dass die Klägerin die geleisteten Zahlungen nicht verwenden könne. Die Terrasse sei mangels Fertigstellungsanzeige und Absturzsicherung unbrauchbar.
[4] Die Beklagtewendete ein, nicht passivlegitimiert zu sein, weil sie das Mietobjekt verkauft habe. Der Klägerin könnten nur Ansprüche nach § 1097 ABGB zustehen, nicht hingegen (allgemeine) bereicherungsrechtliche Ansprüche. Die Klägerin habe die Terrasse seit fast 20 Jahren benutzt, sodass von keiner Bereicherung der Beklagten auszugehen sei. Ein allfälliger Schadenersatzanspruch sei verjährt.
[5] Das Erstgerichtwies das Klagebegehren ab. Ein Bestandnehmer müsse nach § 1097 ABGB einen von ihm auf das Bestandstück gemachten nützlichen Aufwand binnen sechs Monaten nach Rückstellung der Bestandsache geltend machen. Dies gelte auch für Aufwendungen zur Erweiterung des Bestandgegenstands und zu dessen Herstellung und schließe andere bereicherungsrechtliche Ansprüche grundsätzlich aus. Zum Zeitpunkt der Rückstellung der Terrasse sei die Beklagte nicht mehr Eigentümerin des Hauses gewesen, sodass schon die Passivlegitimation der Beklagten zu bezweifeln sei. Jedenfalls seien Ansprüche aber präkludiert. Schadenersatzansprüche seien ausgehend vom Vorbringen der Klägerin verjährt, weil der Klägerin spätestens im Jahr 2007 klar sein habe müssen, dass die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Verpflichtungen nicht erfülle.
[6] Das Berufungsgerichtgab der Berufung der Klägerin nicht Folge. § 1097 ABGB verdränge grundsätzlich andere bereicherungsrechtliche Ansprüche und sei auch im vorliegenden Fall anzuwenden, die Ansprüche seien aber nach Ablauf der Präklusivfrist von sechs Monaten nach Rückstellung der Terrasse geltend gemacht worden. Für die Zurückstellung des Bestandstücks sei hier nicht auch der faktische Zugang zur Terrasse erforderlich gewesen, sondern sei diese dadurch bewirkt worden, dass die Bestandnehmerin (bzw hier: titellose Nutzerin) die Nutzung beendet und das Objekt von eigenen Fahrnissen geräumt habe. Neben § 1097 ABGB könne ein Rückforderungsanspruch auch auf § 1435 ABGB gestützt werden, wenn die Leistungen nur in der für den anderen Teil erkennbaren Erwartung einer bestimmten Dauer des Dauerschuldverhältnisses erbracht worden seien, die tatsächliche Dauer aber in einem auffallenden Missverhältnis zu dieser erwarteten Dauer stehe und den Mieter daran kein Verschulden treffe. Die Klägerin habe die Terrassenfläche seit dem Jahr 2003 über einen Zeitraum von zumindest 16 Jahren genutzt. Von einer unverhältnismäßig kurzen Dauer der Nutzung könne daher nicht ausgegangen werden. Insofern seien die Aufwendungen auch nicht frustriert, weswegen darin auch kein zu ersetzender Schaden liege.
[7]Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Frist des § 1097 ABGB (alleine) durch die Räumung und das Unterbleiben einer weiteren Nutzung ausgelöst werde, wenn eine Inbesitznahme des Bestandobjekts durch den Bestandgeber infolge fehlender baubehördlicher Genehmigung rechtmäßiger Weise nicht in Betracht komme.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die – von der Beklagten beantwortete – Revisionder Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[9] 1.1.Die Klägerin steht in der Revision auf dem Standpunkt, dass § 1097 ABGB im vorliegenden Fall mangels Vorliegen eines Bestandverhältnisses nicht zur Anwendung gelange (und daher andere bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht grundsätzlich ausschließe).
[10] 1.2.Darauf und auf die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob die sechsmonatige Präklusivfrist des § 1097 ABGB durch (bloße) Räumung der Dachterrasse (ohne Inbesitznahme durch den Bestandgeber) ausgelöst wurde, kommt es nicht entscheidend an. Abgesehen davon, dass die Klägerin bereits in der Berufung vorbrachte, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt auf einen Bestandvertrag oder auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt habe, ist die Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalt seit dem Jahr 2009 nicht (mehr) Eigentümerin und daher auch nicht mehr Vermieterin des Bestandobjekts, weswegen bereits das Erstgericht die Passivlegitimation der Beklagten für Ansprüche nach § 1097 ABGB – im Rahmen der Rechtsprechung (RS0020474; vgl auch RS0114740) – in Zweifel zog. Aus welchen Gründen diese Beurteilung unrichtig sein soll, führte die Klägerin bereits in der Berufung nicht aus, sodass der geltend gemachte Zuspruch auf Basis des § 1097 ABGB keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft.
[11] 2.1.Nach ständiger Rechtsprechung schließt die spezielle Regelung der Ansprüche des Mieters auf Ersatz von für das Bestandobjekt gemachten Aufwendungen in § 1097 ABGB die Anwendung anderer bereicherungsrechtlicher Grundsätze aus (RS0020480). Rechtsprechung und Lehre anerkennen dessen ungeachtet einen auf § 1435 ABGB gestützten Rückforderungsanspruch wegen Wegfalls des Leistungsgrundes auch bei Dauerschuldverhältnissen. Voraussetzung ist aber, dass die Leistungen nur in der für den anderen Teil erkennbaren Erwartung einer bestimmten Dauer des Dauerschuldverhältnisses erbracht wurden, die tatsächliche Dauer aber in einem auffallenden Missverhältnis zu der erwarteten Dauer steht und den Mieter daran kein Verschulden trifft (RS0033883 [T6, T11]). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach allgemeinen Grundsätzen der Kondiktionsgläubiger behauptungs- und beweispflichtig (RS0109832; RS0039939).
[12] 2.2. Weder dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin, wonach sie ihre Leistungen zur Errichtung der Dachterrasse in der Erwartung erbracht habe, dass nach der Errichtung eine Abrechnung (mit den von der Beklagten aufgewendeten Leistungen) erfolge und sodann ein „entsprechender Mietzins“ errechnet werde, noch den Revisionsausführungen lässt sich hingegen entnehmen, von welcher Nutzungsdauer die Klägerin – für die Beklagte erkennbar – bei (Finanzierung der) Errichtung der Dachterrasse konkret ausging und inwiefern die tatsächliche Nutzungsdauer dazu in einem auffallenden Missverhältnis stand. Schon aus diesem Grund ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig.
[13] 2.3.Mangels diesbezüglichen tatsächlichen Vorbringens der Klägerin in erster Instanz liegen auch die von der Klägerin in diesem Zusammenhang georteten sekundären Feststellungsmängel nicht vor (RS0053317 [T2]). Ob in der Annahme des Berufungsgerichts, dass die Klägerin die errichtete Dachterrasse über einen Zeitraum von 16 Jahren nutzte, mangels entsprechender Feststellungen eine Aktenwidrigkeit liegt, bedarf keiner weiteren Prüfung, weil eine solche mangels schlüssiger Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs nicht entscheidungswesentlich wäre. Der in der Revision vorgetragenen Kritik der Klägerin, dass es für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit notwendig wäre, die getätigten Aufwendungen im Verhältnis zur tatsächlichen Nutzung und zur erwarteten zukünftigen Nutzung zu bewerten, ist überdies zu entgegnen, dass sie selbst in erster Instanz zugestand, dass sie die Dachterrasse (erst) nach Abschluss des Räumungsverfahrens an die Beklagte zurückstellte. Der (in diesem Zusammenhang einzige) Hinweis der Klägerin, dass keine Benützungsbewilligung vorliege und auch keine Absturzsicherung vorhanden sei, spricht lediglich die Frage an, ob die Dachterrasse nach den baurechtlichen Vorschriften benutzt werden durfte, nicht aber, ob sie es auch tatsächlich wurde. Die Behauptung in der Revision, dass die Dachterrasse überhaupt keinen Nutzwert habe und damit wertlos sei, spricht schon grundsätzlich – mangels eines der Beklagten verschafften Nutzens (RS0016322) – gegen den geltend gemachten Rückforderungsanspruch.
[14] 3.Soweit die Klägerin den Ersatz ihrer Aufwendungen aus einer Vereinbarung (der Abrechnung und Gegenverrechnung der Errichtungskosten) ableitet, ist auf die Entscheidung 9 Ob 21/20h zu verweisen. Der Umstand, dass einzelne Elemente des in Aussicht genommenen Nutzungsvertrags hinreichend bestimmt waren, ändert nichts daran, dass ein solcher Vertrag mangels Einigung über wesentliche Teile insgesamt nicht wirksam wurde. Auf einen solchen kann sich die Klägerin daher auch für den Ersatz ihrer Investitionen nicht berufen.
[15] 4. Soweit die Klägerin in der Revision davon ausgeht, dass der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht verjährt sei, ist ihr zu entgegnen, dass das Berufungsgericht einen solchen Anspruch schon ausgehend vom Vorbringen der Klägerin dem Grunde nach verneinte. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt die Revision auch in diesem Zusammenhang nicht auf.
[16] 4.1. Die Klägerin gründet den geltend gemachten Schadenersatzanspruch ausdrücklich auf eine getroffene Vereinbarung (die Dachterrasse bewilligen zu lassen, die Abrechnung durchzuführen, einen Mietzins zu berechnen und einen Mietvertrag vorzulegen), an die sich die Beklagte nicht gehalten habe (ON 8 Seite 6); aufgrund der Verletzung dieser vertraglichen Pflicht seien die Investitionen „frustriert“. Dem ist zu entgegnen, dass eine vertragliche Verpflichtung der Beklagten mangels Einigung über wesentliche Teile des in Aussicht genommenen Vertrags nicht begründet wurde, sodass nicht ersichtlich ist, inwiefern sich die Klägerin auf die Nichterfüllung der Pflichten aus dem – nicht wirksam gewordenen – Nutzungsvertrag berufen können soll.
[17] 4.2.Soweit die Klägerin für den Fall der Unwirksamkeit des Nutzungsvertrags von einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ausgeht, könnte die Verletzung vorvertraglicher Pflichten einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens rechtfertigen (RS0016374). Vorvertragliche Warn- oder Aufklärungspflichten ändern aber nichts daran, dass ein Verschulden beim Vertragsabschluss nicht allein darin bestehen kann, dass ein Vertrag nicht zustande kam (vgl RS0013988). Solange der Vertrag nicht zustande gekommen ist, kann kein Partner darauf vertrauen, dass der andere den Vertrag abschließen werde, weshalb Aufwendungen im Hinblick auf den in Aussicht genommenen Vertrag grundsätzlich auf eigenes Risiko vorgenommen werden (RS0013988 [T8]). Durch welches Verhalten die Beklagte vorvertragliche (Warn- oder Aufklärungs )Pflichten verletzt haben soll, legt die Klägerin auch in der Revision nicht offen. Mit der Behauptung der Nichterfüllung von Pflichten aus dem Nutzungsvertrag (Einholen der baubehördlichen Bewilligung, Abrechnung der gegenseitigen Kosten und Errechnung eines „entsprechenden“ Mietzinses) spricht die Klägerin nur Pflichten aus dem Nutzungsvertrag an, die die Beklagte – mangels Zustandekommen dieses Vertrags – nicht verletzt haben kann.
[18] 5.Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.