15Os17/25a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. MichelKwapinski, Dr. Sadoghi und Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Brüggler LL.M., BSc in der Strafsache gegen Mag. * B* und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach §§ 12 dritter Fall, 162 Abs 1 StGB, AZ 14 U 60/23m des Bezirksgerichts Hollabrunn, über den Antrag des Genannten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 14. Dezember 2023, GZ 14 U 60/23m 25, wurdeMag. * B* des Vergehens der Vollstreckungsvereitelung nach §§ 12 dritter Fall, 162 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Der dagegen unter anderem vom Genannten erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld gab das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht mit Urteil vom 21. August 2024, AZ 900 Bl 39/24m, keine Folge.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen beide Urteile richtet sich der eine Verletzung von Art 6 Abs 1 MRK, Art 2 B VG und Art 83 Abs 2 BVG behauptende Antrag des Mag. B* auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO.
[4] Voranzustellen ist, dass für einen (wie hier) nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß gelten (RISJustiz RS0122737 [T1], RS0128394).
[5]Soweit sich der Antrag gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn wendet, war er gemäß § 363b Abs 2 Z 2 StPO zurückzuweisen, weil Erneuerungsanträge gegen Entscheidungen, die der Erneuerungswerber mit Berufung anfechten kann, unzulässig sind (Art 35 Abs 1 MRK; RISJustiz RS0124739 [T4], RS0122737 [T41]).
[6]Ein Antrag auf Erneuerung des Verfahrens kann auch im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden (RISJustiz RS0132365).
[7] Demnach hat das Antragsvorbringen, sofern es sich auf eine Verletzung nationaler Grundrechte (Art 2 B VG und Art 83 Abs 2 B VG) bezieht, auf sich zu beruhen (vgl RISJustiz RS0132365 [T2]).
[8] Ein Erneuerungsantrag hat ferner – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein – eine Grundrechtsverletzung deutlich und bestimmt darzulegen (RISJustiz RS0122737 [T17]) und sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RISJustiz RS0124359), wobei nur eine Prüfung auf Grundrechtsstufe (Grobprüfung) und keine Auseinandersetzung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde oder Berufungsinstanz im Sinn einer Feinprüfung auf Gesetzesstufe stattfindet (RISJustiz RS0129606 [T2, T3]; Rebisant , WKStPO §§ 363a bis 363c Rz 43 ).
[9]Soweit der Erneuerungsantrag Befangenheit des im gegenständlichen Strafverfahren zuständig gewesenen Einzelrichters des Bezirksgerichts aufgrund seines Verhaltens vor sowie im Rahmen der Hauptverhandlung und der Urteilsbegründung behauptet, argumentiert er nicht auf Grundlage der (allein maßgeblichen) letztinstanzlichen Entscheidung (14 Os 83/21v Rz 5, 12 Os 117/21d Rz 6).
[10]Eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK wird auch durch das Vorbringen, das Berufungsgericht habe sich mit dem Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs 1 Z 1 StPO nicht (ausreichend) auseinandergesetzt und die Befangenheitsproblematik mit Stillschweigen übergangen, nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht. Denn es unterlässt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten des Berufungsgerichts (US 7 ff), das die vom Erneuerungswerber vermisste Prüfung der Befangenheit nach objektivem Maßstab (vgl dazu RISJustiz RS0120757) anhand der (auch) im Erneuerungsantrag vorgebrachten Argumente vorgenommen und im Ergebnis nach dem äußeren Anschein berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit des Entscheidungsträgers oder eine Gefahr der Voreingenommenheit desselben verneint hat.
[11] Art 6 Abs 1 MRK erachtet der Erneuerungswerber ferner als verletzt, weil das Landesgericht sich nicht mit einem allfälligen Aussageverweigerungsrecht einer Zeugin und seinem Vorbringen in der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld auseinandergesetzt habe. Er vernachlässigt dabei abermals dessen Argumente dazu (US 10 f, 18 ff).
[12] Unter dem Aspekt von Art 6 Abs 1 MRK prüft der EGMR, ob Beweisaufnahmen und Beweiswürdigung in einer Weise vorgenommen wurden, die das Strafverfahren als Ganzes unfair erscheinen lassen, wobei die Würdigung von Beweismitteln grundsätzlich den nationalen Gerichten vorbehalten ist (RISJustiz RS0120958). An diesem Maßstab orientiert sich auch der Oberste Gerichtshof, wenn ein ohne vorherige Befassung des EGMR gestellter Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens dahingehende Defizite behauptet. Davon ausgehend zeigt der Erneuerungswerber mit dem zuvor wiedergegebenen Vorbringen weder eine Verletzung des von Art 6 Abs 1 MRK vorgegebenen Begründungsstandards (vgl zu willkürlichen oder grob unvernünftigen Urteilsannahmen RISJustiz RS0129981) noch einen aus dem Unterbleiben weiterer Ausführungen im Berufungsurteil resultierenden Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren auf.
[13]Die allgemeinen Ausführungen zur Auslegung des Tatbestands der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs 1 StGB, der Person des Gläubigers und der aus Sicht des Erneuerungswerbers rechtsrichtigen Subsumtion sind einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich, da diese bloß auf einfachgesetzlicher Ebene argumentieren (siehe neuerlich RISJustiz RS0129606).
[14] Die Kritik an der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts verfehlt letztlich ebenso den aufgezeigten Anfechtungsrahmen.
[15]Der Erneuerungsantrag war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).