10Ob70/24b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Schober als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula, Dr. Annerl und Dr. Vollmaier und die Hofrätin Dr. Wallner Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. A* GmbH, *, 2. V* AG, *, Deutschland, und 3. A* AG, *, Deutschland, alle vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 6.042 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14. November 2024, GZ 53 R 113/24k 21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Seekirchen am Wallersee vom 13. Dezember 2023, GZ 2 C 1033/23x 13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 419,63 EUR (darin enthalten 69,94 EUR USt), der zweitbeklagten Partei die mit 419,13 EUR (darin enthalten 66,44 EUR USt) und der drittbeklagten Partei die mit 419,13 EUR (darin enthalten 66,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und der erstbeklagten Partei die mit 580,18 EUR (darin enthalten 292,10 EUR Barauslagen und 48,01 EUR USt), der zweitbeklagten Partei die mit 577,78 EUR (darin enthalten 292,10 EUR Barauslagen und 45,61 EUR USt) und der drittbeklagten Partei die mit 577,78 EUR (darin enthalten 292,10 EUR Barauslagen und 45,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin erwarb das gegenständliche, von der Drittbeklagten hergestellte Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 28. November 2014 von der Erstbeklagten. Das Fahrzeug ist mit einem von der Zweitbeklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet, für den das deutsche Kraftfahrt Bundesamt (KBA) als EG Typengenehmigungsbehörde aufgrund einer bei Auslieferung vorhanden gewesenen sogenannten „Umschaltlogik“ einen verpflichtenden Rückruf anordnete.
[2] Im gegenständlichen Kaufvertrag zwischen der Erstbeklagten und der Klägerin vom 28. November 2014 wurden ein Gesamtkaufpreis von 20.140 EUR, ein Liefertermin Anfang Jänner 2015, die Finanzierung über die P* und die Leistung einer Anzahlung festgehalten.
[3] Am selben Tag, dem 28. November 2014, wurde zwischen der Klägerin und der P* ein Leasingvertrag über das gegenständliche Fahrzeug abgeschlossen. Auch in diesem Leasingvertrag wurde ein voraussichtlicher Liefertermin mit Anfang Jänner 2015 festgehalten und der Fahrzeugpreis mit 20.140 EUR beziffert. Die Kalkulationsbasisdauer betrug 60 Monate. Als Lieferant wurde die Erstbeklagte festgehalten. Der Restwert des Fahrzeugs inklusive USt betrug 8.589 EUR bei Erreichung der Kalkulationsbasisdauer. Neben der Festlegung der weiteren Entgelte und Gutschriften wurde der monatliche Leasingbetrag mit 150,39 EUR festgesetzt.
[4] Die Klägerin begehrt in der im Jahr 2023 eingebrachten Klage die Zahlung von 6.042 EUR sA (30 % des Gesamtkaufpreises laut Kaufvertrag), weil im Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut gewesen sei. Gegenüber der Erstbeklagten stützt sie das Begehren auf Vertragsanpassung wegen Irrtums, auf Preisminderung wegen eines Sach- und Rechtsmangels und auf Schadenersatz wegen listiger Irreführung. Gegenüber der Zweit- und der Drittbeklagten stützt sie das Begehren auf Schadenersatz wegen Schutzgesetzverletzung, arglistiger Irreführung und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Das Fahrzeug sei am 28. November 2014 mittels Kaufvertrags angekauft worden. Nach dem Kaufvertrag habe die Klägerin einen Leasingvertrag unterzeichnet. Sie habe daher erst nachträglich zur Finanzierung des Kaufpreises den Vertrag mit der Leasinggeberin geschlossen. Für den Schaden der Klägerin sei daher die Finanzierung mittels nachträglich abgeschlossenen Leasingvertrags irrelevant. Die Klägerin mache einen eigenen Schaden geltend. Der Schaden der Klägerin sei als Substanzschaden zu werten, den die Klägerin geltend machen könne, weil der Leasingnehmer das volle Investitionsrisiko, also die volle Sachgefahr trage, sodass das Risiko des Substanzschadens durch den Leasingvertrag auf den Leasingnehmer verlagert werde, weil der Leasinggeber im Verhältnis zum Leasingnehmer keinen Schaden erleiden werde.
[5] Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage . Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei unschlüssig, weil die Klägerin nur Leasingnehmerin geworden sei, aus dem Leasingvertrag keinen Schaden geltend mache und ein Leasingnehmer nur insofern einen Schaden geltend machen könne, als dieser Schaden durch Leasingvertrag auf ihn verlagert worden sei.
[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Kaufvertrag habe nur der Spezifikation des Fahrzeugs gedient, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und der Klägerin zum Gebrauch überlassen habe sollen.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Kaufvertrag habe nur der Spezifikation des Fahrzeugs gedient, das letztlich die Leasinggeberin erwerben und der Klägerin zum Gebrauch überlassen habe sollen. Allerdings habe die Klägerin auch zum Thema der Schadensverlagerung Vorbringen erstattet, deren Grundsätze auch hier anwendbar seien. Im Leasingvertrag sei ein Restwert von 8.589 EUR vereinbart worden, und es ergebe sich aus dem Vertrag, dass bei Rückgabe des Leasingobjekts am Ende der Kalkulationsdauer zusätzliche Kosten entstünden, sofern der vereinbarte Restwert den Wert übersteige. Wegen dieses vertraglich insoweit der Klägerin zugewiesenen Risikos wirke sich eine mögliche Schädigung der Substanz in ihrem Vermögen aus. Die Klägerin sei damit zur Geltendmachung eines aus einem Substanzeingriff resultierenden Schadens aktivlegitimiert, der sich aber mangels Feststellungen dazu nicht beurteilen lasse.
[8] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zu, weil eine abschließende Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zum Drittschaden bei Leasingfinanzierung in den Prozessen zur Abgasmanipulation noch nicht vorliege.
[9] Dagegen richtet sich der – von der Klägerin beantwortete – Rekurs der Beklagten , mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
[11] 1. Vorauszuschicken ist, dass die Klägerin in der Berufung gegen das das Klagebegehren abweisende Ersturteil auf irrtums und gewährleistungsrechtliche Anspruchsgrundlagen (Vertragsanpassung bzw Preisminderung) nicht zurückkam. Auf die diesbezüglichen Einwände der Beklagten im Rekurs, denen die Klägerin in der Rekursbeantwortung auch nicht entgegentritt, muss daher nicht eingegangen werden.
[12] 2. Den Beklagten ist darin zuzustimmen, dass der von der Klägerin behauptete Schaden aus den getroffenen Feststellungen und ihrem Vorbringen nicht ableitbar ist.
[13] 2.1. Die Klägerin leitet den geltend gemachten Schaden aus dem im Jahr 2014 geschlossenen Kaufvertrag ab.
[14] Bei der Finanzierung des Kaufs eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs durch Leasing unterscheidet der Oberste Gerichtshof danach, ob ein Kaufvertrag des Leasingnehmers mit dem Fahrzeughändler nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente (sodass der Leasinggeber unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat) oder ob der Leasingvertrag erst nach dem Erwerb des Fahrzeugs abgeschlossen wurde (10 Ob 13/24w Rz 38; 4 Ob 69/24m Rz 23 ua).
[15] Im vorliegenden Fall wurde bereits im Kaufvertrag auf die Finanzierung durch die Leasinggeberin Bezug genommen und der Leasingvertrag auch noch am selben Tag abgeschlossen. Die Behauptung der Klägerin in der Rekursbeantwortung eines „irgendwo möglicherweise im Raum schwebenden Leasingvertrags“ geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist. Der Kaufvertrag diente nach den Feststellungen bloß der Auswahl des von der Klägerin gewünschten Fahrzeugs, das letztlich die Leasinggeberin erwarb und der Klägerin zum Gebrauch überließ. Nach der gewählten Vertragskonstruktion war demgemäß nicht sie, sondern (schon ursprünglich) die Leasinggeberin zur Zahlung des Kaufpreises aus dem Kaufvertrag verpflichtet (4 Ob 218/23x Rz 21 mwN).
[16] Vor dem Hintergrund, dass beim Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs der Schaden bereits durch den Kaufvertrag eintritt (8 Ob 1/24s Rz 23; 10 Ob 33/23k Rz 15; 6 Ob 197/23y Rz 16 ua), entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass in der vorliegenden Konstellation nur dem Leasinggeber und nicht (auch) dem Leasingnehmer ein Schaden aus dem Kaufvertrag entsteht (10 Ob 7/24p Rz 20; 1 Ob 12/24g Rz 32 ua). Schäden in Form der Leistung eines überhöhten Kaufpreises können daher auch nur von diesem und nicht vom Leasingnehmer geltend gemacht werden (10 Ob 65/24t ErwGr 2. ua).
[17] 2.2. Einen Schaden aus dem Leasingvertrag, etwa aus überhöhten Leasingraten machte, die Klägerin nicht geltend. Entgegen ihrer Behauptung in der Rekursbeantwortung ergibt sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts nichts anderes. Soweit die Klägerin erstmals in der Rekursbeantwortung zu viel gezahlte Leasingentgelte von der Beklagten fordert, ist dies wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot unbeachtlich.
[18] 2.3. Soweit das Berufungsgericht und die Klägerin die Aktivlegitimation aus den Entscheidungen 2 Ob 29/20h und 2 Ob 172/22s ableiten wollen, hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach klargestellt, dass diese nicht einschlägig sind (10 Ob 65/24t ErwGr 3.; 3 Ob 166/24v Rz 10; 4 Ob 65/23x Rz 13 ff; 5 Ob 118/23y Rz 11 ua). Diese Rechtsprechung betrifft Fälle, bei denen das Leasinggut nach Übergabe an den Leasingnehmer beschädigt wird und daher einen hier nicht vorliegenden Fall (10 Ob 65/24t ErwGr 3.; 10 Ob 7/24p Rz 18): Denn für die Zeit nach ordnungsgemäßer Übergabe des Leasinggutes stellt die Verschiebung des Gefahrenrisikos auf den Leasingnehmer ein Wesensmerkmal des Leasingvertrags dar (RS0016625 [T1]; 7 Ob 128/23h Rz 10 ua). Dass sich das Leasinggut bei der Übergabe an den Leasingnehmer in einem zum vereinbarten Gebrauch tauglichen Zustand befindet, also – in den Worten der Klägerin – dessen objektive Nutzbarkeit nicht durch unzulässige Abschalteinrichtungen eingeschränkt ist, stellt dagegen die Hauptpflicht des Leasinggebers dar (RS0020739; RS0020735 [T1]), die regelmäßig nicht auf den Leasingnehmer überwälzt werden kann (vgl RS0020735 [insb T8, T16]). Inwiefern diese Hauptpflicht im vorliegenden Fall (doch) wirksam auf die Klägerin überwälzt worden sein soll, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin auch nicht entnehmen. Eine solche Überwälzung ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Bestimmung, nach der sich bei Rückgabe des Leasingobjekts am Ende der Kalkulationsdauer zusätzliche Kosten ergeben, sofern der vereinbarte Restwert den Wert des Leasingobjekts übersteigt.
[19] 2.4. Die Behauptung der Klägerin in der Rekursbeantwortung, dass die Zweitbeklagte durch Annahme eines nur bei der Leasinggeberin eintretenden Schadens entlastet wäre, ist nicht nachvollziehbar. Ob diese etwaige ihr aus dem Abschluss des Kaufvertrags zukommende Ansprüche verfolgt oder nicht, ist weder Sache des Leasingnehmers, noch tangiert das seine allfälligen Ansprüche aus dem Abschluss des Leasingvertrags.
[20] 2.5. Soweit die Klägerin einen Schaden aus einem Eingriff in ihr nach § 372 ABGB geschütztes Gebrauchsrecht ableitet, überzeugt das ebenfalls nicht. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang genannte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs betrifft – wie ausgeführt (oben ErwGr 2.3.) – Fälle einer Beschädigung des Leasinggutes nach Übergabe an den Leasingnehmer. Dass die Beklagten nach Übergabe des Fahrzeugs auf dieses rechtswidrig eingewirkt hätten, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen.
[21] 3.1. Ausgehend davon ist die Rechtssache im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif, sodass dem Rekurs der Beklagten Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.
[22] 3.2. Die Kostenentscheidung im Berufungs- und im Rekursverfahren beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Für die Zweit- und Drittbeklagte, die in Deutschland ansässig sind, gebührt (nur) die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer von 19 % (RS0114955 [T10, T12]). Da die Beklagten durch denselben Rechtsanwalt vertreten waren, war davon auszugehen, dass sie ihren Rechtsfreund nach Kopfteilen bezahlen und daher nach außen hin nur den jeweils auf sie entfallenden Kopfteil der gemeinsamen Gesamtkosten zu fordern haben (vgl RS0035937; RS0035919).