JudikaturOGH

2Ob186/24b – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat MMag. Sloboda als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Thunhart, Dr. Kikinger und Mag. Fitz als weitere Richterinnen und Richter in der Verlassenschaftssache nach dem * 2022 verstorbenen G*, über den Revisionsrekurs der Gläubigerin * S*, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt vom 14. August 2024, GZ 13 R 92/24p 89, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Güssing vom 19. März 2024, GZ 2 A 223/22i 81, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Text

Begründung:

[1] Der Erblasser verstarb ohne letztwillige Verfügung; er hinterlässt vier Kinder. Die Gläubigerin meldete im Verlassenschaftsverfahren eine Forderung von 7.180,98 EUR an. Da keines der Kinder eine Erbantrittserklärung abgab, wurde ein Verlassenschaftskurator bestellt. Nach Errichtung eines Inventars, aus dem sich eine Nachlassüberschuldung von 148.002,37 EUR ergab, beantragte der Verlassenschaftskurator die Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens durch Überlassung an Zahlungs statt.

[2] Das Erstgericht überließ – nach Berücksichtigung der bevorrechteten Verfahrenskosten der Gerichtskommissärin und des Verlassenschaftskurators – einer Tochter des Verstorbenen den restlichen Nachlass an Zahlungs statt zur teilweisen Abdeckung der Begräbnis und Steinmetzkosten.

[3] Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs der Gläubigerin nicht Folge. Entgegen der Argumentation der Gläubigerin habe keine Verpflichtung des Verlassenschaftskurators bestanden, für die Verlassenschaft einen Insolvenzantrag zu stellen.

[4] Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil abschließende Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein Verlassenschaftskurator bei Überschuldung des Nachlasses zur Stellung eines Insolvenzantrags jedenfalls verpflichtet sei , nicht vorliege.

[5] Die Gläubigerin argumentiert in ihrem Revisionsrekursweiterhin damit, dass der Verlassenschaftskurator einen Insolvenzantrag stellen hätte müssen, was im Rahmen des Insolvenzverfahrens für sie eine Schuldtilgung zumindest in Höhe der Quote bedeutet hätte. Eine Überlassung an Zahlungs statt sei gemäß § 154 AußStrG zum Insolvenzverfahren subsidiär. Sie beantragt daher (erkennbar) die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Antrags auf Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt.

[6] Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig , er ist aber nicht berechtigt .

1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 17 Ob 9/24h vom 18. 12. 2024 eine Verpflichtung des Verlassenschaftskurators zur Stellung eines Insolvenz an trags aus folgenden Erwägungen verneint:

[8] 1 .1. Die Insolvenzantragspflicht w ird auch für eine überschuldete Ver lassenschaft nur in der IO und nicht im AußStrG geregelt. DieVerpflichtung, bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach §§ 66 und 67 IO diese zu beantragen, trifft gemäß § 69 Abs 3 Satz 1 IO natürliche Personen, die unbeschränkt haftenden Gesellschafter und Liquidatoren einer eingetragenen Personengesellschaft und die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen. Die IO führt wiederholt – etwa in § 67 Abs 1, § 100 Abs 6 und § 166 IO – die Verlassenschaft gesondert neben der „juristischen Person“ als insolvenzfähiges Rechtssubjekt an, was ihrer Subsumtion unter diesen Begriff – jedenfalls im Bereich der IO – entgegensteht. Der Verlassenschaftskurator ist in systematischer Interpretation der Bestimmungen der IO daher auch kein organschaftlicher Vertreter einer juristischen Person iSd § 69 Abs 3 IO. Die Nichtanführung der Verlassenschaft in der die Insolvenzantragspflichtigen aufzählenden Vorschrift des § 69 Abs 3 IO beruht auf keinem Versehen des Gesetzgebers. Dass die Verlassenschaft bei § 69 IO mitbedacht wurde, ergibt sich aus § 69 Abs 4 letzter Satz IO, welcher die Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über eine Verlassenschaft durch nicht alle Erben regelt. Es ist damit von einer bewussten Nichtanführung der Verlassenschaft und der sie vertretenden Personen in § 69 Abs 3 IO auszugehen. Dieser gesetzgeberische Wille darf nicht unterlaufen werden.

[9]1.2. Gegen eine Insolvenzantragspflicht des Verlassenschaftskurators spricht auch die nunmehrige Regelung der Überlassung an Zahlungs statt im Verlassenschaftsverfahren nach § 154 AußStrG 2003. Anders als nach § 73 AußStrG 1854 ist die Überlassung an Zahlungs statt nicht mehr auf unbedeutende (somit hinsichtlich ihrer Aktiva eine bestimmte Wertgrenze nicht übersteigende) Verlassenschaften beschränkt, sondern steht bei jedem überschuldeten Nachlass grundsätzlich offen. Wäre der Verlassenschaftskurator nach § 69 Abs 3 IO verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen, so wäre § 154 AußStrG 2003 bei erfolgter Bestellung eines Verlassenschaftskurators damit gänzlich seines Anwendungsbereichs beraubt.

[10] 2. Der erkennende Fachsenat schließt sich d iesen überzeugenden Argumenten gegen eine Verpflichtung des Verlassenschaftskurators zur Stellung eines Insolvenzantrags an.Wäre § 154 AußStrG 2003 gegenüber einem zu stellenden Insolvenzantrag subsidiär – wie die Revisionsrekurswerberin meint – würde dieser Vorschrift im Fall der Bestellung eines Verlassenschaftskurators kein Anwendungsbereich mehr verbleiben.

[11]2.1. Der Gesetzgeber wollte mit § 154 AußStrG 2003 ein kostengünstiges Verfahren zur Abwicklung einer überschuldeten Verlassenschaft zur Verfügung stellen. Die Materialien führen dazu aus, dass ein Verlassenschaftskonkurs in der Regel zu einer höheren Wertvernichtung führe, weil die Konkurskosten in aller Regel deutlich höher seien als die Kosten der Abwicklung innerhalb des Verlassenschaftsverfahrens. Meist werde es daher auch im wohlverstandenen Interesse der Gläubiger liegen, dass es gerade zu keinem Konkurs, sondern zu einer Überlassung an Zahlungs statt komme (vgl ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 100). Sollte ein Gläubiger dies anders sehen, steht es ihm ohnehin frei, selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.

[12]2.2. Eine Verpflichtung des Verlassenschaftskurators, in jedem Fall einen Insolvenzantrag zu stellen, würde das Verfahren gemäß § 154 AußStrG 2003 im Fall der Bestellung eines Verlassenschaftskurators immer unterlaufen. Das lässt sich mit den oben wiedergegebenen Intentionen des Gesetzgebers nicht vereinbaren.

[13] 3. Dem Revisionsrekurs war daher insgesamt nicht Folge zu geben.

[14]4. Der Kostenausspruch beruht auf § 185 AußStrG, wonach im Verlassenschaftsverfahren – außer im Verfahren über das Erbrecht – kein Ersatz von Vertretungskosten stattfindet.