6Ob117/24k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* H*, MAS, geboren am *, vertreten durch Mag. Pamela Kellermayr, Rechtsanwältin in Micheldorf, gegen die beklagte Partei S* Gesellschaft m.b.H., FN *, vertreten durch Ruggenthaler, Rest Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 30.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2024, GZ 1 R 168/23t 52, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
[1] Der Kläger begehrt Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Er habe durch die Einnahme eines von der Beklagten hergestellten und In-Verkehr-gebrachten Arzneimittels (Filmtabletten), die mit bestimmten krebserregenden Inhaltsstoffen verunreinigt gewesen seien, eine Krebserkrankung erlitten.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Das Klagebegehren bestehe schon mangels Kausalität eines allfälligen Produktfehlers des Arzneimittels für den beim Kläger eingetretenen Schaden nicht zu Recht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revisiondes Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[4]1. Die vom Kläger behauptete Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[5]2. Den in der außerordentlichen Revision neuerlich gerügten Verfahrensfehler erster Instanz im Zusammenhang mit dem vermeintlichen Stoffsammlungsmangel hat das Berufungsgericht verneint. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Gericht zweiter Instanz nicht als solche anerkannt worden sind, in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371; RS0043919).
[6] 3. Nach der Beurteilung der Tatsacheninstanzen konnte der Kläger nicht beweisen, dass die von ihm von Oktober 2014 bis April 2018 täglich eingenommenen Filmtabletten – mit Ausnahme einer Packung einer Charge, in der aber die (später festgelegten) zulässigen Grenzwerte nicht überschritten wurden – überhaupt die behaupteten möglicherweise krebserregenden Verunreinigungen enthielten. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Einnahme des Arzneimittels und der Erkrankung des Klägers konnte nicht festgestellt werden. Ein solcher ist aufgrund der kurzen Expositionsdauer und der geringen Menge der Verunreinigungen unwahrscheinlich.
[7] Das Berufungsgericht verneinte mit ausführlicher Begründung das Vorliegen ausreichender Indizien, welche die von der Klägerin gewünschten positiven Feststellungen zu den genannten Tatsachen erlaubten, ebenso wie das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
[8]4. Mit ihrem Verweis auf die Judikatur zum erleichterten Kausalitätsbeweis in den ihrer Auffassung nach vergleichbaren Fällen der Arzthaftung (vgl RS0038222 [T7, T9, T11]; RS0026768 [T6, T7, T10]) vermag die Revision keine erhebliche und auch präjudizielle Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Denn im vorliegenden Fall kann schon nicht davon gesprochen werden, dem Kläger sei der Beweis gelungen, dass durch die Einnahme verunreinigter Tabletten die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der bei ihm diagnostizierten Krebserkrankung nicht bloß unwesentlich erhöht wurde (vgl zur diesbezüglichen Beweislast bei ärztlichen Behandlungsfehlern 1 Ob 36/23k [ErwGr 1.1.]). Selbst bei Anwendbarkeit dieser Judikaturgrundsätze wäre für den Kläger daher nichts gewonnen.