JudikaturJustiz9ObA93/93

9ObA93/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Vera Kremslehner und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Univ.Prof.Dr.Dietmar G*****, Facharzt, ***** vertreten durch Dr.Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundesland Kärnten, vertreten durch den Landeshauptmann Dr.Christof Zernatto, Klagenfurt, Arnulfplatz 1, dieser vertreten durch Dr.Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 407.800,60 sA und Feststellungen (Streitwert S 500.000,-), im Revisionsverfahren wegen Feststellung (Streitwert S 300.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.12.1992, GZ 31 Ra 147/92-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.6.1992, GZ 2 Cga 1039/92-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß :

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger schloß am 19.4.1991 mit der beklagten Bundesland einen Sondervertrag im Sinne des § 8 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes (K-LVBG), LBGl 1988/19, nach dem er mit Wirksamkeit vom 2.5.1991 als Spitalsarzt der beklagten Partei angestellt wurde. Das Dienstverhältnis war bis 30.4.1996 befristet. Der Kläger verpflichtete sich, als Primararzt der zweiten medizinischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt Dienst zu versehen. Am 28.8.1991 trat der Kläger aus diesem Dienstverhältnis vorzeitig aus.

Mit der am 8.5.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger ua die im Revisionsverfahren noch strittige Feststellung, daß ihm die beklagte Partei für die Differenz seines Einkommens als Oberarzt der Kardiologischen Universitätsklinik Wien zu seinem Einkommen als Primararzt der zweiten medizinischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt (Verdienstausfall) hafte. Grundlage seines Dienstvertrages sei eine Ausschreibung gewesen, in der es geheißen habe, daß das Teilgebiet Kardiologie den fachlichen Schwerpunkt der Abteilung bilde; darüber hinaus sei angemerkt worden, daß der Gastro-Enterologie ein entsprechender Stellenwert an der Abteilung zukomme. Er habe ein entsprechendes Organisationskonzept vorgelegt, das ebenso wie seine Vorstellungen genehmigt worden sei.

Nachträglich seien Vorschläge aufgetaucht, daß die Gastro-Enterologie räumlich und fachlich selbständig werden sollte. Dadurch wäre das bereits genehmigte Konzept vereitelt worden. Trotz heftigen Widerspruchs gegen die Herausnahme des Fachbereiches Gastro-Enterologie aus seinem Primariat und Ankündigung entsprechender Konsequenzen sei am 28.8.1991 auf Weisung der beklagten Partei Dr.Werner F***** zum Leiter des Departements Gastro-Enterologie bestellt worden. Daraufhin habe der Kläger seinen Austritt erklärt, da die beklagte Partei damit den Dienstvertrag endgültig und unwiderruflich zu seinen Lasten abgeändert habe. Die Herausnahme des genannten Departements hätte nämlich zur Folge gehabt, daß sich die fachliche Qualifikation des Klägers erheblich verschlechtert und seine Berufsaussichten vermindert hätten. Außerdem hätten die zugleich angeordneten räumlichen Veränderungen nicht nur dazu geführt, daß das räumliche und fachliche Konzept des Klägers hinfällig geworden sei, sondern daß auch seine Zusatzeinkünfte aus der Betreuung von Privatpatienten vermindert worden wären.

Der Kläger habe zwar nach seinem Austritt aus dem Dienstverhältnis mit der beklagten Partei seine frühere Stelle als Oberarzt der Kardiologischen Universitätsklinik Wien wieder erhalten, doch seien seine Einkünfte dort nur etwa ein Drittel dessen, was er als Primar in Klagenfurt verdient hätte. Da sich dieser Teil des Schadens noch nicht genau berechnen lasse, habe er ein Interesse an der begehrten Feststellung.

Die beklagte Partei beantragte, das Feststellungsbegehren abzuweisen. Der Kläger könne sich auf keinen Austrittsgrund im Sinne des § 72 Abs 5 K-LVBG berufen. Aber auch ein wichtiger Grund im Sinne des subsidär anzuwendenden § 1162 ABGB liege nicht vor. Die beklagte Partei sei als Dienstgeber berechtigt, personelle Entscheidungen zu treffen. Der Kläger habe in seinem Konzept selbst eine fachliche Verselbständigung der Gastro-Enterologie vorgesehen und für diesen Aufgabenbereich Dr.Werner F***** vorgeschlagen. Die beklagte Partei habe sich im wesentlichen an diesen Vorschlag gehalten, da der Departementleiter zwar eine fachliche Eigenständigkeit habe, aber organisatorisch an das Primariat angegliedert sei. Die Bestellung des Departementleiters habe sohin die berechtigten Interessen des Klägers nicht beeinträchtigen können; sein Dienstvertrag sei nicht einseitig abgeändert und seine Bezüge als Primar seien nicht gekürzt worden.

Abgesehen davon habe der Kläger den Austrittsgrund nicht unverzüglich geltend gemacht. Das Direktorium des Landeskrankenhauses Klagenfurt sei bereits mit Erlaß vom 29.5.1991 angewiesen worden, eine Organisationseinheit "Fachbereich Gastro-Enterologie und Endoskopie" einzurichten. Dies sei dem Kläger spätestens in der zweiten Julihälfte 1991 bekannt geworden. Der Kläger habe sich jedoch darauf beschränkt, organisatorische Maßnahmen und Besprechungen in diesem Zusammenhang zu boykottieren.

Hinsichtlich des behaupteten Einkommensentgangs sei zu berücksichtigen, daß der Kläger als Universitätsprofessor in Wien auch Vorteile durch lukrative Nebenbeschäftigungen habe. Die Ansprüche des Klägers seien im übrigen auch gemäß § 1162 d ABGB verfristet, da er das Feststellungsbegehren nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten erhoben habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (neben anderen im Revisionsverfahren nicht mehr gegenständlichen Begehren) ohne weitere Beweisaufnahme ab. Es vertrat die Rechtsaufassung, daß § 1162 d ABGB auf alle Dienstverhältnisses anzuwenden sei, sofern das Sondergesetz keine entsprechende Bestimmung enthalte. Da das K-LVBG keine derartige Regelung enthalte, sei die begehrte Kündigungsentschädigung im Sinne des § 1162 d ABGB verfallen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß die Präklusionsfrist des § 1162 d ABGB auch für Ansprüche wegen vorzeitigen Austritts gelte, wobei die für die Verjährung geltenden Grundsätze analog anzuwenden seien. Sei ein Schadenersatzanspruch der Höhe nach noch nicht bekannt, müsse eben ein Feststellungsanspruch innerhalb des Verfristungszeitraums erhoben werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Abgesehen davon, daß die Fallfrist des § 1162 d ABGB für Ansprüche, die erst nach Auflösung des Dienstverhältnisses fällig werden, jeweils mit dem entsprechenden Fälligkeitstag neu beginnt (vgl Krejci in Rummel, ABGB2 § 1162 d Rz 6 mwH; Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 § 29 Erl 17 und § 34 Erl 7 mwH), so daß die gänzliche Abweisung des Feststellungsbegehrens schon aus diesem Grund verfehlt ist, ist § 1162 d ABGB auf das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei schon mangels landesgesetzlicher Geltung nicht anzuwenden.

Es trifft zwar zu, daß die Bestimmungen des 26.Hauptstücks des ABGB nach § 153 Abs 2 der 3.Teilnovelle subsidiär dann anwendbar sind, wenn das unmittelbar in Betracht kommende Spezialgesetz den in Frage stehenden Anspruch überhaupt nicht regelt (vgl Krejci aaO, § 1151 Rz 3; Arb 10.097; Arb 10.664 ua; ebenso § 42 Abs 1 AngG), doch ist dabei zu beachten, daß es sich diesbezüglich um bundesgesetzliche Regelungen handelt. Auf Grund der durch die B-VGNov 1974 und 1981 geschaffenen Kompetenzverteilung bleiben aber bundesgesetzliche Bestimmungen hinsichtlich der Dienstverhältnisse von Landes- und Gemeindebediensteten nur solange als Bundesgesetze in Kraft, bis die Länder entsprechende Regelungen erlassen haben. Durch das Inkrafttreten des jeweiligen Landesgesetzes wird den betreffenden bundesgesetzlichen Bestimmungen sukzessive derogiert (vgl Schrammel,

Das Sonderarbeitsrecht der Gebietkörperschaften auf dem Prüfstand, ZAS 1988, 187 ff, 190, 195; 9 Ob A 90/87; 9 Ob A 517/88; 9 Ob A 518/88; 9 Ob A 521/88 je mwH ua).

Das Bundesland Kärnten hat diese Regelungskompetenz über die Begründung und Aufhebung von Dienstverhältnissen sowie der sich daraus ergebenden Pflichten (Art 21 Abs 2 B-VG) durch Erlassung des K-LVBG, LGBl 1988/19, das auf das vorliegende Dienstverhältnis unbestrittenermaßen zur Anwendung kommt, wahrgenommen. § 72 Abs 5 K-LVBG enthält eine demonstrative Aufzählung der Austrittsgründe; die Ansprüche des Dienstnehmers bei einem durch den Dienstgeber verschuldeten vorzeitigen Austritt des Dienstnehmers sind - ähnlich wie in § 1162 b ABGB oder § 17 Abs 3 VBG 1948 - in § 44 Abs 3 K-LVBG geregelt. Eine Verfallsbestimmung im Sinne des § 1162 d ABGB wurde in dieses Gesetz, obwohl es naheliegend gewesen wäre, nicht aufgenommen. Diese Nichtaufnahme einer Verfallsbestimmung kann aber nicht dahin gedeutet werden, daß damit überhaupt eine Regelungslücke hinsichtlich des Verfalls und der Verjährung von Ansprüchen offen geblieben wäre (der Landesgesetzgeber also seine Kompetenz teilweise nicht wahrgenommen hätte), wodurch allenfalls die bundesgesetzliche Norm des § 1162 d ABGB weiter in Geltung stünde, da das K-LVBG eine ausdrückliche Verjährungsregelung enthält. Verfallsfristen und Verjährungsfristen verfolgen aber eine ähnliche Zielsetzung (vgl Martinek M.u.W.Schwarz aaO, § 34 Anm 1 letzter Absatz; Infas 1990 A 64; 9 Ob S 8/92 ua). Gemäß § 47 Abs 1 K-LVBG verjährt der Anspruch auf Leistungen, wenn er nicht innerhalb von drei Jahren geltend gemacht wird, nachdem die anspruchsbegründende Leistung erbracht worden oder der anspruchsbegründende Aufwand entstanden ist. Da sohin "entsprechende Regelungen" auf Landesebene bestehen, die in ihrem Zusammenhang als abschließend anzusehen sind, kommt dem auf § 1162 d ABGB gestützten Einwand des Verfalls keine Beachtlichkeit zu.

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren nach ergänzender Beweisaufnahme zu klären haben, ob der Kläger berechtigt und rechtzeitig ausgetreten ist. Soweit nicht bereits Leistungsansprüche gestellt werden können, beschränkt sich allerdings der Feststellungsanspruch des Klägers gemäß § 44 Abs 3 K-LVBG auf das ihm vertragsgemäß bis 30.4.1996 gebührende Monatsentgelt, unter Einrechnung dessen, was er infolge Unterbleibens

der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Dabei kommt es nicht nur auf die Differenz des Einkommens des Klägers als nunmehriger Oberarzt zu dem eines Primars der zweiten medizinischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt an, sondern auch auf alle anderen Einnahmen, die der Kläger nach dem Berufswechsel erzielt. Der Kläger wäre in diesem Sinn anzuleiten, sein Feststellungsbegehren dem Gesetz entsprechend zu präzisieren.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet. Die Pflicht zur Kostentragung hängt letztlich vom Ausgang des Verfahrens ab.

Rechtssätze
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