JudikaturJustiz9ObA88/16f

9ObA88/16f – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und Dr. Weixelbraun Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Manfred Moser, Rechtsanwalt in Pöttsching, wegen Feststellung (21.800 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2016, GZ 8 Ra 18/16z-10, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 11. November 2015, GZ 17 Cga 40/15y-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Berufsfußballer und spielte vor seinem Wechsel zum hier beklagten Verein (einem zur Österreichischen Fußball Bundesliga gehörenden Klub) in der Regionalliga. Mit Spielervertrag vom 30. Mai 2014 wurde der Kläger vom Beklagten als Nicht-Amateur verpflichtet. Punkt II des Spielervertrags lautet (auszugsweise):

1.) Der Spielervertrag beginnt [...] am 1. 07. 2014 und endet am 30. 06. 2015 : […]

Option:

Der Spieler räumt dem Klub die Option ein, das Vertragsverhältnis zu den unter Punkt VI vereinbarten Bedingungen um zwei weitere Jahre, bis zum 30. 06. 2017 zu verlängern. Diese Option ist vom Klub bis 31. Mai 2015 mittels eingeschriebenen Briefes an den Spieler auszuüben, wobei für die Rechtzeitigkeit die Postaufgabe an die zuletzt bekannt gegebene Adresse des Spielers genügt.

Mit Schreiben vom 21. August 2014 an den Kläger wurde als „Sideletter“ zum Spielervertrag festgehalten: „ Sie erhalten bei Ziehung der im Vertrag vom 30. Mai 2014 unter Punkt II vereinbarten Option die nachstehend angeführte Erhöhung ihres im Spielervertrag […] v ereinbarten Entgeltes, ab 1. Juli 2015: [...]“ Dieser „Sideletter“ wurde für den Beklagten vom Präsidenten (Obmann) und vom Sportdirektor, nicht aber vom Kassier unterfertigt. Der Kläger unterschrieb diesen „Sideletter“ (laut eigenem Vorbringen und vom Beklagten unbestritten) am 17. September 2014.

Die Vertragsparteien vereinbarten die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Kollektivvertrags für Fußballspieler/innen der Österreichischen Fußball-Bundesliga (KV-ÖFB) in der jeweils geltenden Fassung. § 6 Abs 4 des KV-ÖFB in der Fassung vom 1. Juli 2014 lautet:

4.) Die Einräumung von durch einseitige Erklärung auszuübenden Gestaltungsrechten (Optionsrechten) ist nur zulässig, wenn sie jedem Vertragsteil gleichwertige Ansprüche einräumt und auch die Art der Ausübung des Optionsrechts für beide Teile an gleichwertige Bedingungen geknüpft ist (zB einseitige Vertragsverlängerungsmöglichkeit durch den Klub bei bereits vorab festgesetzter Gehaltserhöhung für den Spieler oder sonstiger gleichwertiger Verbesserungen für den Spieler, wobei stets die besonderen Umstände des Einzelfalls [Alter des Spielers, Dauer der Vertragsverlängerung] zu berücksichtigen sind). Für die Bewertung der Gleichwertigkeit ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2015 nahm der Beklagte die Option aus dem Spielervertrag in Anspruch.

Der Kläger ließ ab August 2015 bis Oktober 2015 die ihm überwiesenen Gehaltszahlungen an den Beklagten mit Hinweis auf die „ offenen Rechtsfragen, insbesondere ob die Optionsausübung zur Vertragsverlängerung rechtmäßig erfolgte “ zurücküberweisen.

Ein vom Kläger vor dem dafür zuständigen Senat der Österreichischen Fußball Bundesliga angestrengtes Schlichtungsverfahren zur Frage der Wirksamkeit der Vertragsverlängerung ist gescheitert.

Der Kläger begehrte mit der vorliegenden Klage die Feststellung, dass sein zum Beklagten bestehender Spielervertrag über den 30. Juni 2015 hinaus nicht weiter aufrecht fortbestehe. Die im Vertrag vereinbarte Option sei nichtig, außerdem seien die im Kollektivvertrag vorgesehenen Bedingungen für die Zulässigkeit eines Optionsrechts nicht erfüllt worden.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, die vertragliche Vereinbarung sei wirksam, der wechselseitige Leistungsaustausch sei auch bisher erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Optionsvereinbarung unwirksam sei, weil sie nicht den Voraussetzungen des § 6 KV-ÖFB entspreche. Den Vertragsteilen würden durch diese Vereinbarung keine gleichwertigen Ansprüche eingeräumt. Der „Sideletter“ zum Spielervertrag, der ein höheres Gehalt für die Verlängerungszeit regelte, sei nicht statutengemäß unterfertigt worden und daher nicht wirksam geworden; darüber hinaus sei diese Gehaltserhöhung im Verhältnis zur Dauer der Verlängerung auch nicht angemessen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten dagegen keine Folge. Auf die Frage des rechtswirksamen Zustandekommens der im „Sideletter“ vorgesehenen Vereinbarung komme es hier nicht an, weil § 6 Abs 4 des KV-ÖFB die Gleichwertigkeit der Ansprüche beider Vertragsteile bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fordere und die dem Beklagten im Spielervertrag eingeräumte Option daher dem Kollektivvertrag widerspreche. Bei Abschluss des Vertrags sei nicht festgesetzt worden, mit welchen Verbesserungen der Kläger im Fall der Verlängerung rechnen könne; eine Lösungsbefugnis des Klägers sei auch nicht vorgesehen. Außerdem sei die Option wegen ihrer Dauer (Verlängerung doppelt so lang wie das befristete, eigentliche Vertragsverhältnis) nicht als gleichwertig anzusehen. Wenngleich das Interesse eines Fußballvereins an einer einseitigen Verlängerungsmöglichkeit insbesondere im Nachwuchsbereich plausibel sei, dürfe sich der Verein nicht vom Risiko der sportlichen Entwicklung des Spielers zu dessen Lasten (weitgehend) befreien. Hier sei die Option wegen der doppelten Länge der ursprünglichen Vertragsdauer schließlich auch im Fall einer Erhöhung des Entgelts um nur 15 % (wie im „Sideletter“ vorgesehen) nicht als ausreichend gleichwertig anzusehen.

Die ordentliche Revision sei zulässig. Der Auslegung von Kollektivverträgen komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Der Beklagte beantragt in seiner Revision die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn, hilfsweise wird deren Aufhebung begehrt.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Gelingt ihm dies jedoch nicht, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts zurückzuweisen (9 ObA 80/15b ua; RIS-Justiz RS0043080).

Der Revisionswerber verweist im Wesentlichen auf die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts. Der Abschluss von Verträgen mit einer Verlängerungsoption sei gängige Praxis im (nationalen und internationalen) Fußballsport. Das Berufungsgericht sei hier zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Vereinbarung über die Verlängerungsoption unwirksam sei.

2. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, nach der die von den Streitteilen im Spielervertrag vom 30. Mai 2014 getroffene Optionsvereinbarung wegen Verstoßes gegen den KV-ÖFB unwirksam ist, begegnet beim erkennenden Senat keinen Bedenken. Die Bestimmung des § 6 Abs 4 KV-ÖFB ist in ihrem Wortlaut insoweit klar und unmissverständlich (RIS Justiz RS0109942 [T1]), als sie für die Wirksamkeit einer Optionsvereinbarung die Einräumung „ gleichwertiger Ansprüche “ für beide Vertragsteile fordert, wobei ausdrücklich für die Bewertung der Gleichwertigkeit auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen ist. Die Einräumung von Optionsrechten ist daher im Anwendungsbereich des KV-ÖFB nur unter diesen Voraussetzungen („ gleichwertige Ansprüche “ und „ für beide Teile an gleichwertige Bedingungen geknüpft “) zulässig.

Dass die im hier zu beurteilenden Spielervertrag (nur) dem Beklagten eingeräumte Verlängerungsmöglichkeit für die Dauer von zwei (weiteren) Jahren nach Ablauf des auf ein Jahr befristeten Vertragsverhältnisses (und – zu diesem Zeitpunkt unstrittig – ohne jede damit verknüpfte Verbesserung der Vertragsbedingungen für den Spieler) diesen Anforderungen nicht entspricht, ist nicht zweifelhaft. Daher stellt sich insoweit auch keine besondere Frage der Auslegung des Kollektivvertrags (9 ObA 80/15b ua; RIS Justiz RS0109942 [T1, T6]). Abgesehen davon befasst sich die Revision auch nicht mit dem Inhalt oder der Bedeutung der Bestimmung des § 6 Abs 4 des KV-ÖFB. Die Revisionsausführungen verweisen lediglich auf die Bedürfnisse der Praxis im Profi-Fußballsport, weil Vertragsabschlüsse mit Spielern, deren sportliche Entwicklung (noch) unsicher sei, eine solche Vorgangsweise erfordere, sowie darauf, dass die Parteien hier ja von Anfang an auch einen auf drei Jahre befristeten Vertrag hätten abschließen können. Damit wird aber weder eine unvertretbare rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung, noch eine besondere Auslegungsfrage zum Kollektivvertrag aufgezeigt.

Zum sogenannten „Sideletter“ vom August/September 2014 weist der Revisionswerber zwar zutreffend auf die Vertretungsregelung des § 6 Abs 3 Vereinsgesetz 2002 hin, nach der die organschaftliche Vertretungsbefugnis Dritten gegenüber unbeschränkbar ist und in den Statuten vorgesehene Beschränkungen nur im Innenverhältnis wirken. Allerdings lässt sich dem Vorbringen des Beklagten kein konkretes Argument entnehmen, aus welchem Grund hier die im „Sideletter“ (als Ergänzung zum Spielervertrag) dem Kläger für den Fall der Optionsausübung (und für die Dauer der Verlängerung) angebotene Gehaltserhöhung dem Kriterium der Gleichwertigkeit im Sinn des § 6 Abs 4 des KV-ÖFB genügen können sollte. Der KV ÖFB macht in § 6 Abs 4 die Zulässigkeit von einseitigen Optionsrechten von „gleichwertigen Ansprüchen“ und „gleichwertigen Bedingungen“ abhängig. Wenn nun der Beklagte von „Gleichwertigkeit“ spricht und von ihrem Vorliegen ausgeht, so handelt es sich dabei um ein rechtliches Resümee nicht näher vorgebrachter Tatsachen. Dass die Vertragsverlängerung um ein bestimmtes Ausmaß im Fall des Klägers (Alter, Fähigkeiten, Prognose etc) den „gleichen Wert“ wie eine bestimmte Gehaltserhöhung haben soll, erschließt sich mangels eines Tarifs oder einer Umrechnungstabelle naturgemäß nicht von selbst. Mangels eines entsprechenden Vorbringens ist daher nicht erkennbar, weshalb hier gerade eine bestimmte Erhöhung der Bezüge des Klägers die (allein) dem beklagten Verein eingeräumte Möglichkeit, den Vertrag um die doppelte ursprüngliche Dauer zu verlängern, ausgleichen und die erforderliche Gleichwertigkeit der wechselseitigen Ansprüche hergestellt haben sollte. Die bloße Behauptung der Revision, diese Gehaltserhöhung sei „eine erhebliche finanzielle Besserstellung und somit als angemessen zu beurteilen“, ist für eine Prüfung der Gleichwertigkeit der den beiden Vertragsteilen eingeräumten Ansprüche und Bedingungen bei Ausübung der Option nach § 6 Abs 4 KV-ÖFB nicht geeignet. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem „Sideletter“ kann daher unterbleiben.

3. Auch die Beurteilung des Sachverhalts durch die Vorinstanzen dahin, dass hier von einer – nach Ansicht des Beklagten anzunehmenden – stillschweigenden Vertragsverlängerung nicht ausgegangen werden könne, ist nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gemäß § 863 ABGB ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0014146); es darf kein vernünftiger Grund für Zweifel daran übrig bleiben, dass der Wille vorliegt, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0013947; RS0014157).

Im Anlassfall hat der Kläger die erhaltenen Bezüge an den Beklagten zurückgezahlt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der die Mitwirkung des Klägers an Trainings- und Wettbewerbsspielen unter diesen Umständen nicht schon als zweifelsfreie stillschweigende Erklärung zum Abschluss eines (weiteren) Spielervertrags gewertet werden könne, steht mit der Rechtsprechung zu § 863 ABGB im Einklang.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen.

Rechtssätze
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