JudikaturJustiz9ObA53/01m

9ObA53/01m – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Zerdik und Dr. Michaela Windischgrätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johannes G*****, Vertragsbediensteter, *****, vertreten durch Dr. Susanne Schuh, Rechtsanwältin in Perchtoldsdorf, und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten 1. Dr. Günther R*****, Rechtsanwalt, *****, 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde P*****, *****, vertreten durch Dr. Dietbert Helbig-Neupauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Erklärung, in eventu wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. November 2000, GZ 9 Ra 219/00t-23, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im zwischen den Parteien geführten Vorprozess, in dem der Kläger mit der Behauptung, die Beklagte habe ihn unberechtigt entlassen, die Zahlung von S 148.627,68 brutto sA begehrt hatte, schlossen die Parteien im Berufungsverfahren einen Vergleich, mit dem sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger "einen Abfertigungsbetrag von S 60.865,-" sA zu zahlen. Ferner wurde vereinbart, dass mit Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches alle gegenseitigen Ansprüche aus welchem Titel auch immer bereinigt seien. Anlass für diese Vergleich war die Erörterung der Sach- und Rechtslage durch den Vorsitzenden des Berufungssenates, der gegen die Beweiswürdigung des (dem Klagebegehren stattgebenden) erstgerichtlichen Urteils massive Bedenken äußerte und eine für den Kläger möglichst günstige "wirtschaftliche Regelung bzw. finanzielle Lösung" anregte. Wann und auf welche Art und Weise das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten beendet wurde, wurde im Zusammenhang mit diesem Vergleich nicht erörtert.

Im vorliegenden Verfahren begehrt nun der Kläger primär die Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe einer Erklärung, dass dem zwischen den Streitteilen im Vorprozess geschlossenen Vergleich das Abgehen von der Wirksamkeit der am 21. 9. 1994 ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 39 Abs 2 lit b NÖ GVBG zugrunde liege. Eventualiter begehrt er die Feststellung, dass dem Vergleich das Abgehen von der Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 39 Abs 2 lit b NÖ GVBG zugrunde liege. Ein weiteres Eventualbegehren ist auf die Feststellung gerichtet, dass die von der Beklagten Partei erklärte Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 39 Abs 2 lit b NÖ GVBG zu Unrecht erfolgt sei.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren des Klägers ab, gab aber dem ersten Eventualbegehren mit der Begründung statt, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen sei, dass die Parteien mit der Vereinbarung einer Abfertigung von der Wirksamkeit der Entlassung abgegangen seien.

Das Berufungsgericht wies sämtliche Begehren als unberechtigt ab. Für die Verpflichtung des ehemaligen Dienstgebers, die mit dem Hauptbegehren angestrebte Erklärung abzugeben, fehle es von vornherein an einer Rechtsgrundlage. Die mit den beiden Eventualbegehren geltend gemachten Ansprüche seien nicht feststellungsfähig.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision ist jedenfalls zulässig, weil der Kläger mit dem Haupt- und dem ersten Eventualbegehren - vom Standpunkt ausgehend, es sei eine Umwandlung der Auflösung des Dienstverhältnisses in eine einvernehmliche Auflösung erfolgt - die Wirksamkeit der Entlassung in Frage stellt, sodass inhaltlich ein Streit um die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses vorliegt und daher gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG die ordentliche Revision unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig ist.

Die Revision ist aber nicht berechtigt, weil sich die Entscheidung der zweiten Instanz als zutreffend erweist.

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Erstgerichts lässt der von den Streitteilen geschlossene Vergleich eine "ergänzende Vertragsauslegung" dahin, dass die Parteien damit (konkludent) von der durch die Beklagte ausgesprochenen Entlassung abgegangen seien, nicht zu. Vielmehr handelt es sich in geradezu typischer Weise um einen Vergleich, in dem die mit Hinweisen auf die Unsicherheit des Prozessausgangs konfrontierten Parteien zur Vermeidung weiterer Kostenrisken auf die endgültige Klärung ihres Streits verzichten und statt dessen durch die Zahlung eines Teils der Klageforderung den Prozess beenden. In einem solchen Fall kann die unterbliebene Klärung nicht im Wege "ergänzender Vertragsauslegung" durch das Gericht substituiert werden. Wer - wie hier der (anwaltlich vertretene) Kläger - eine endgültige Klärung anstrebt, darf einem derartigen Vergleich nicht zustimmen. Tut er dies - wie hier der Kläger - doch, muss er zur Kenntnis nehmen, dass er nur die Zahlung eines Teils des Klagebetrages, nicht aber das mit dem Verfahren angestrebte Rechtsschutzziel erreicht hat. Anders wäre dies nur dann, wenn die Parteien anlässlich des Vergleichs konkrete, aber nicht in den Vergleichstext eingeflossene Vereinbarungen im nunmehr behaupteten Sinn getroffen hätten. Dies ist aber nach dem festgestellten Sachverhalt nicht der Fall gewesen.

Dem Klagehauptbegehren, die Beklagte sei schuldig, eine Erklärung abzugeben, dass dem Vergleich das Abgehen der Beklagten von der Wirksamkeit der Entlassung zugrunde liege, fehlt es daher ebenso an einer rechtfertigenden Grundlage, wie dem ersten Eventualbegehren auf Feststellung, dass dem Vergleich ein solches Abgehen von der Wirksamkeit der Entlassung zugrunde liege.

Auf die in der Revision bekämpfte Begründung der Abweisung dieser Begehren durch das Berufungsgericht kommt es daher nicht an.

Mit dem zweiten Eventualbegehren begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Entlassung ungerechtfertigt gewesen sei. Dieses Begehren hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen nicht feststellungsfähig seien. Dies entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, nach der für die Feststellung (der Vorfrage) der Wirksamkeit oder materiellen Berechtigung der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses das nach § 228 ZPO erforderliche rechtliche Interesse fehlt. Feststellungsfähig ist nur der aufrechte Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht aber die mangelnde Rechtfertigung der Entlassung, weil es sich dabei nur um ein einzelnes (qualifizierendes) Element eines Rechtsverhältnisses handelt (RdW 1991, 55 und die dort zitierte Rechtsprechung). Auch dieses Begehren wurde daher vom Berufungsgericht zu Recht abgewiesen (ständige Rechtsprechung; SZ 68/156; 9 ObA 119/99m).

Unrichtig ist auch der Einwand, dass das Berufungsgericht zur Sachentscheidung über das zweite (vom Erstgericht noch nicht entschiedene) Eventualbegehren nicht berechtigt gewesen sei. Hat das Erstgericht dem Hauptbegehren stattgegeben und gelangt das Berufungsgericht zur Abweisung dieses Begehrens, dann hat es nach Lehre und Rechtsprechung sofort zu prüfen, ob das Eventualbegehren gerechtfertigt ist, und darüber, wenn es entscheidungsreif ist, sachlich zu entscheiden (6 Ob 168/68; RIS-Justiz RS0037663; Fasching III 33; Fasching, Lehrbuch**2 Rz 1134).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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