JudikaturJustiz9ObA31/08m

9ObA31/08m – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. August 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christa Brezna und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** GesmbH, *****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Jasmin C*****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen 10.123,49 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Dezember 2007, GZ 11 Ra 99/07v 18, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. September 2007, GZ 31 Cga 12/07g 14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 742,27 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 123,71 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe :

Der Beklagte wurde von der Klägerin entlassen, weil er wiederholt unter Verwendung eines Fahrzeugs der Klägerin von einem anderen Unternehmen Paletten gestohlen hatte. Die Klägerin hatte nach einem anonymen Hinweis ein Detektivunternehmen mit der Observation des Beklagten betraut, die letztlich den Diebstahlsverdacht erhärtete.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage den Ersatz der von ihr getragenen Detektivkosten von 10.123,49 EUR sA.

Das Erstgericht gab dieser Klage im Umfang von 8.436,24 EUR sA statt und wies - unangefochten - das Mehrbegehren ab.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die geltend gemachte Forderung nach Art XII Z 2 des hier anzuwendenden Kollektivvertrags für das Güterbeförderungsgewerbe verfallen ist. Nach dieser Bestimmung müssen Ansprüche des Dienstgebers gegen den Dienstnehmer wegen von diesem verursachter Schäden binnen drei Monaten ab Kenntnis gegen den Dienstnehmer bei sonstigem Verfall schriftlich geltend gemacht werden. Ob diese Frist hier eingehalten wurde, ist strittig.

Das Berufungsgericht erachtete die Verfallsbestimmung des Kollektivvertrags auf den hier geltend gemachten Anspruch als nicht anwendbar: Nur der typische, wesentliche oder regelmäßig wiederkehrende Inhalt eines Arbeitsverhältnisses könne einer kollektivvertraglichen Regelung unterworfen werden. Obgleich der Wortlaut der kollektivvertraglichen Verfallsbestimmung weit gefasst sei, umfasse sie in diesem Sinn nur Ansprüche, die im typischen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, deren Rechtsgrund somit unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis oder dem Kollektivvertrag abzuleiten sei. Ansprüche, für die das Arbeitsverhältnis nur zufälliger Anlass sei, seien daher nicht erfasst.

Beim von der Klägerin geltend gemachten Anspruch handle es sich um keinen typischen, wesentlichen bzw regelmäßigen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Das vom Beklagten bestohlene Unternehmen sei keine Geschäftspartnerin der Klägerin gewesen; der Beklagte habe den LKW der Klägerin offensichtlich nur der Einfachheit halber verwendet. Das Arbeitsverhältnis sei daher nur zufälliger Anlass des Anspruchs. Die vom Beklagten eingewendete Verfallsklausel sei daher auf den hier geltend gemachten Anspruch nicht anwendbar.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist zutreffend. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

1) Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass kollektivvertragliche Verfallsklauseln wie die hier zu beurteilende nur Ansprüche umfassen, die in einem spezifischen und typischen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, entspricht der völlig einhelligen Rechtsprechung (RIS Justiz RS0064226; RS0097327). Die Revisionsausführungen bieten keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Es trifft zu, dass die zitierte Rechtsprechung auch mit den Grenzen der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien begründet wurde (vgl etwa 9 ObA 352/98z) und dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu diesen Grenzen in der Lehre auf Kritik gestoßen ist (zum Meinungsstand: Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch , ArbVG § 2 Rz 20). Von dieser Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof aber nie abgegangen.

Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die hier zu beurteilende Verfallsklausel, die nach ihrem Wortlaut ganz allgemein auf „Schadenersatzansprüche" abstellt, im Sinne der dargestellten Rechtsprechung nur solche Schadenersatzansprüche erfasst, die in einem typischen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.

2) Der Revisionswerber hält den hier geltend gemachten Anspruch als für ein Arbeitsverhältnis typisch, weil die Einschaltung von Detektiven zur Überwachung von Arbeitnehmern immer wieder vorkomme. Dieses Argument verkennt, dass bei der Beurteilung der Typizität des Anspruchs auf den Grund für die Einschaltung des Detektivs abzustellen ist. Dieser lag aber gerade nicht in einem Verhalten des Beklagten, das in einem typischen Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis stand. Die einzige Verbindung zum Arbeitsverhältnis bestand darin, dass sich der Beklagte für seine Diebstähle bei einem Dritten, der mit dem Arbeitgeber in keiner Geschäftsverbindung stand, eines Fahrzeugs des Arbeitgebers bediente. Das dem Ersatzanspruch des Arbeitgebers zugrunde liegende Verhalten des Beklagten steht daher mit dem Arbeitsverhältnis in keinem spezifischen und typischen Zusammenhang, sodass dieser Anspruch von der in Rede stehenden Verfallsklausel nicht erfasst wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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