JudikaturJustiz9ObA240/98d

9ObA240/98d – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. November 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ludwig W*****, Tischlermeister, ***** vertreten durch Dr.Günther Nagele, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Johann M*****, Tischlermeister, ***** vertreten durch Puttinger, Vogl Partner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen S 112.863,12 sA, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. April 1998, GZ 12 Ra 24/98f-18, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. November 1997, GZ 14 Cga 41/97m-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.430,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 405,12 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat den Beklagten zutreffend lediglich zur Bezahlung der Quote des Zwangsausgleichs verpflichtet. Insoweit ist auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen lediglich folgendes entgegenzuhalten:

Zur Revision des Klägers:

Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Ob eine anspruchsvernichtende Einwendung des bestätigten Zwangsausgleichs, der der Abweisung der die Zwangsausgleichsquote übersteigenden Ansprüche des Klägers zugrundelag, durch die beklagte Partei erhoben wurde, ist nicht entscheidend. Wie im Falle der Konkurseröffnung, so sind auch die Auswirkungen der Konkursaufhebung auf schwebende Prüfungsprozesse in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (9 ObA 159/98t). Eines Vorbringens über den Inhalt des auf den abgeschlossenen Zwangsausgleich hinweisenden Beschlusses über die Aufhebung des Konkurses oder des Beschlusses über die Bestätigung des Zwangsausgleiches bedurfte es daher nicht, zumal auch der Konkursakt in der Tagsatzung vom 29. 9. 1997, sohin nach Erlassung dieser Beschlüsse als verlesen galt. Schon aus diesem Grunde war auch keine weitere Erörterung durch das Berufungsgericht erforderlich. Dazu kommt noch, daß der klagenden Partei bereits aus der Berufungsbeantwortung die Tatsache der Konkursaufhebung bekannt war, was auch zur einvernehmlichen Umstellung des Feststellungs- in das Leistungsbegehren führte. Die Rechtsfolgen traten ein, ohne daß hiezu ein Vorbringen zu erstatten oder diese Umstände mit den durch Rechtsanwälte vertretenen Parteien zu erörtern gewesen wären noch bei ihnen eine "Überraschung" hervorrufen konnten. Daß die beklagte Partei in der Berufungsverhandlung das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit stellte, bezog sich nur auf die Höhe der bislang bestrittenen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, ohne erkennbar zum Ausdruck zu bringen, daß ungeachtet der von Amts wegen zu beachtenden Zwangsausgleichsquote die volle Forderungshöhe anerkannt würde.

Im übrigen folgt die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Beendigungsansprüche lediglich in Höhe der Quote des bestätigten Zwangsausgleiches zuzusprechen waren, der Rechtsprechung (9 ObA 8/97k mwN; 9 ObA 159/98t ua).

Die bloße Möglichkeit eines Wiederauflebens des erlassenen Forderungsteils kann im Titelverfahren nicht mitberücksichtigt werden (9 ObA 159/98t). Der Wiederauflebenstatbestand liegt ja noch gar nicht vor (9 ObA 8/97k). Andererseits handelt es sich im vorliegenden Fall um ein Verfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in dem sich die Frage der Bindung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nach § 7 Abs 1 IESG an gerichtliche Entscheidungen nicht stellt. Für die Frage, ob und welcher Anspruch gegen den Arbeitgeber vorliegt, ist die Entscheidung des Gerichtes bindend bzw die Feststellung im Insolvenzverfahren der Entscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ohne weitere Prüfung zugrundezulegen. Dabei ist aber nur der arbeitsrechtliche Anspruch entscheidend, der nach § 1 IESG gesichert ist (Liebeg IESG2 Rz 6 zu § 7). Ob dieser von den Vorinstanzen zur Gänze dem Grunde nach als bestehend angesehene Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund nicht auf dem materiellen Arbeitsrecht beruhenden gesetzlichen Vorschriften des § 156 KO nur quotenmäßig vom ehemaligen Gemeinschuldner zu erfüllen ist, berührt weder die Höhe noch den Grund des arbeitsrechtlichen Anspruches noch ist durch die Abweisung des die Quote übersteigenden Teiles des Anspruches dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen gegenüber im Sinne des § 7 IESG bindend festgestellt, daß der zugrundeliegende Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber nicht zu Recht bestand.

Zur Revision der beklagten Partei:

Auch wenn die prima facie betriebsübergangsbedingte Kündigung nach Lehre und nunmehr ständiger Rechtsprechung unwirksam und nichtig ist (DRdA 1998/33 [Wagnest]; 9 ObA 55/98y mwN), soferne Veräußerer bzw Erwerber das verpönte Motiv nicht widerlegen (DRdA 1998/33 [Wagnest]; 9 ObA 274/97b mwN), so haften Veräußerer und Erwerber für Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, die vor dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges begründet wurden, zur ungeteilten Hand (DRdA 1997/12 [Kirschbaum] = SZ 68/187; 9 ObA 55/98y) für die Forderung des unwirksam gekündigten Arbeitnehmers. Daher können die Nichtigkeit einer Kündigung oder die Folgen der nichtigen Kündigung auch nur gegenüber einem der zur ungeteilten Hand haftenden Schuldner geltend gemacht werden, weil es sich nicht um eine Gesamthandforderung handelt und auch eine notwendige Streitgenossenschaft nicht begründet wird (vgl DRdA 1997/12 [Kirschbaum] = SZ 68/187; DRdA 1998/33 [Wagnest]; 9 ObA 55/98y).

Der Zweck der Betriebsübergangsautomatik soll sicherstellen, daß den durch den Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gewahrt bleiben. Die Regelungen sind daher insoferne relativ zwingend, als nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers davon abgewichen werden kann (Krejci, Betriebsübergang, 82; DRdA 1997/12 [Kirschbaum] = SZ 68/187). Daraus folgt aber, daß der Arbeitnehmer auf den durch die Eintrittsautomatik bzw das Verbot einer nicht richtlinienkonformen Kündigung gewährleisteten Schutz verzichten und anstelle der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung Ansprüche aus der ungerechtfertigten Auflösung des Arbeitsverhältnisses geltend machen kann (Krejci aaO 83, vgl Knöfler MschG12 247; DRdA 1984/20 [Firlei]; Ind 1992/2112).

Daher steht dem Kläger zufolge der nicht rechtswirksamen Kündigung der geltend gemachte Beendigungsanspruch unabhängig davon zu, ob auch noch eine die Ansprüche begründende fristwidrige Kündigung vorlag, was von der beklagten Partei gar nicht bestritten wurde.

Ob auch der Masseverwalter in Anbetracht der im § 7 IESG normierten Bindungswirkung in Wahrung der Interessen des Insolvenzausfallgeld-Fonds sowie der Konkursgläubiger die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen könnte (DRdA 1997/12 [Kirschbaum] = SZ 68/187), ist nicht zu untersuchen, weil auch dieser einen Verzicht des Dienstnehmers auf die durch den Betriebsübergang entstehende kündigungsvernichtende Eintrittsautomatik oder das Akzeptieren einer fristwidrigen Kündigung bei Geltendmachung deren Rechtsfolgen nicht verhindern kann. Ob und inwieweit das vorliegende Urteil gemäß § 7 IESG das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Hinblick auf die nach § 1 Abs 1 IESG gesicherten Ansprüche bindet, ist, wie bereits ausgeführt, in dem gegenüber dem Arbeitgeber geführten Verfahren nicht zu prüfen.

Daß der Kläger tatsächlich beim Erwerber arbeitete, hindert die Geltendmachung der aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Veräußerer abgeleiteten Ansprüche nicht, wenn ihm die Kündigung samt Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses beim Erwerber günstiger erschien als eine gesetzliche Arbeitsvertragsübernahme (Krejci aaO 83).

Da beiden Revisionen kein Erfolg beschieden war, waren lediglich die Kosten der die Revisionen erfolgreich abwehrenden Revisionsbeantwortungen bzw deren Differenz gemäß §§ 41, 50 Abs 1 ZPO zuzusprechen.

Rechtssätze
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