JudikaturJustiz9ObA134/07g

9ObA134/07g – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Ivan S*****, vertreten durch Dietrich Majoros Marchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lösch, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 40.327,72 brutto sA und Feststellung (Streitwert EUR 20.000,--), über die außerordentliche Revision (Revisionsinteresse EUR 5.000,--) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juli 2007, GZ 8 Ra 175/06y-17, womit das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Oktober 2006, GZ 34 Cga 123/04a-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, welches hinsichtlich seines Punktes II. 1. bis 3. mangels Anfechtung als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleibt, wird in seinem Punkt II. 4. dahin abgeändert, dass Punkt 4. des Ersturteiles wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 14.541,02 (darin enthalten EUR 2.062,67 USt und EUR 2.165,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit EUR 2.528,40 (darin EUR 421,40 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 14. 11. 1983 bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde zunächst von der beklagten Partei am 28. 2. 2001 zum 30. 6. 2001 gekündigt. Zu 5 Cga 45/01s des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht bekämpfte der Kläger diese Kündigung gemäß § 105 ArbVG. Mit Urteil vom 15. 10. 2002 wurde das Anfechtungsbegehren zunächst abgewiesen. Mit seinem Urteil vom 15. 1. 2004, 9 Ra 104/03k, gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung des Klägers Folge und erklärte die Kündigung für rechtsunwirksam. Eine dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten wurde vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 14. 4. 2004 sprach die Beklagte neuerlich die Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers, diesmal zum 30. 9. 2004, aus. Auch diese Kündigung bekämpfte der Kläger nach § 105 ArbVG zu 34 Cga 70/04g des Landesgerichtes Korneuburg. Mit Urteil vom 2. 12. 2004, zugestellt am 14. 4. 2005, gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt und erklärte diese Kündigung für rechtsunwirksam. Das Oberlandesgericht Wien gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten mit Urteil vom 31. 10. 2005, 8 Ra 87/05f, nicht Folge, dieses Urteil wurde den Parteien am 15. 11. 2005 zugestellt. Auch die dagegen erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei wurde vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen.

Neben anderen, mittlerweile rechtskräftig entschiedenen Ansprüchen, begehrte der Kläger mit seiner Klage vom 27. 10. 2004 zunächst EUR 18.825,60 als Urlaubsersatzleistung für die Zeit vom 1. 7. 2001 bis 30. 9. 2004 (80 Werktage), wobei er auf die von ihm bekämpfte Kündigung des Dienstverhältnisses vom 16. 4. 2004 (zum 30. 9. 2004) verwies. Er habe insoweit seinen Urlaub nicht verbraucht und daher einen Ersatzanspruch in Geld. Unter Aufrechterhaltung seines sonstigen Vorbringens schränkte der Kläger in der Folge diesen Anspruch auf EUR 18.483,10 sA ein. Mit Schriftsatz vom 12. 5. 2005 (vorgetragen in der Tagsatzung vom 3. 6. 2005) änderte der Kläger das auf Urlaubsersatz gerichtete Leistungsbegehren dahin, dass er nunmehr die Feststellung begehrte, dass ihm gegenüber der Beklagten ein offener Urlaubsanspruch in der Höhe von 113 Werktagen zustehe. Auf Grund seines Eintrittsdatums am 14. 11. 1983 beginne das Urlaubsjahr jeweils am 14. 11. des Kalenderjahres. Bis 13. 11. 2004 seien 83 Werktage an Urlaub angefallen. Mit 14. 11. 2004 seien weitere 30 Tage an Urlaub angefallen. Insgesamt bestehe daher ein nicht konsumierter und daher offener Urlaubsanspruch von 113 Werktagen. Wegen der Konsumation von 3 Urlaubstagen (17.-19. 5. 2005) schränkte der Kläger sein Begehren auf die Feststellung ein, Anspruch auf 110 Werktage Urlaub zu haben.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Wenn nach der Rechtsprechung schon eine 3-monatige Kündigungsfrist grundsätzlich ausreiche, um einem gekündigten Dienstnehmer die Konsumation von restlichem Urlaub zumutbar erscheinen zu lassen, müsse dies umso mehr für die jahrelange Dienstfreistellung gelten. Dem Kläger sei es möglich gewesen, seinen Urlaub zu konsumieren, er sei dazu auch aufgefordert worden. Dem ursprünglichen Leistungsanspruch des Klägers hielt die Beklagte auch den Einwand der Verjährung entgegen (AS 29).

Das Erstgericht gab dem Klagefeststellungsbegehren hinsichtlich des noch verfahrensgegenständlichen Urlaubsanspruches statt. Es stellte fest, dass der Kläger in der Zeit vom 17. 5. bis 19. 5. 2005 einen Urlaub im Ausmaß von drei Werktagen konsumiert habe, dies habe er in seinem zuletzt gestellten Begehren bereits berücksichtigt. In der Zeit vom 1. 7. 2001 bis 13. 11. 2004 habe der Kläger nur so viele Tage Urlaub konsumiert, dass 83 Werktage offen geblieben seien. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Kläger nicht auf Grund eines einseitigen Angebotes der Beklagten verpflichtet gewesen sei, Urlaub zu konsumieren. Allein die Zusammenrechnung der seit 14. 11. 2001 angefallenen Urlaubstage ergebe einen Urlaubsanspruch von 120 Werktagen, sodass dem Kläger das begehrte Ausmaß an Urlaubstagen jedenfalls zustehe. Dieser Anspruch sei auch nicht verjährt, vielmehr habe schon die ursprüngliche Klageerhebung den Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen. Das Berufungsgericht gab diesbezüglich der Berufung der Beklagten Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es das Feststellungsbegehren, dass dem Kläger noch ein offener Urlaubsanspruch im Ausmaß von 110 Werktagen zustehe, abwies. Ohne auf die diesbezüglichen Argumente in der Rechtsrüge der Beklagten (Verjährungseinwand sowie Zumutbarkeit des Verbrauches des Urlaubes) einzugehen, gelangte es zur Rechtsauffassung, dass hinsichtlich des Urlaubsverbrauches eine Feststellungsklage unzulässig sei. Dabei handle es sich nämlich nicht um die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses (§ 228 ZPO), sondern um ein unzulässiges Tatsachenfeststellungsbegehren. Das Berufungsgericht sprach aus, dass mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO eine Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt. Dem Berufungsgericht ist wohl dahin beizupflichten, dass bloße Tatsachen, mögen sich daran auch Rechtsfolgen knüpfen, nicht im Sinn des § 228 ZPO feststellungsfähig sind (RIS-Justiz RS0113327; RS0021983; RS0038943 uva). Richtig ist auch, dass die Frage, wie viele Tage ein Dienstnehmer an Urlaub verbraucht hat, eine Tatfrage ist. Darauf ist aber das Begehren nicht gerichtet. Der Kläger begehrt eindeutig die Feststellung, dass ihm aus einem bestimmten Dienstverhältnis ein Anspruch auf Urlaubskonsumation in einer bestimmten Höhe zustehe. Damit macht er ein Recht geltend, welches von der Beklagten bestritten wird. Vergleichbare Feststellungsansprüche wurden daher in der Vergangenheit (implizit zuletzt: 9 ObA 39/07m) als für eine Feststellungsklage ausreichend und zulässig angesehen.

Da das Begehren des Klägers nicht schon aus dem vom Berufungsgericht angenommenen Grund unzulässig ist, ist auf die von der Beklagten in der Berufung erhobene Rechtsrüge einzugehen:

Zum Verjährungseinwand:

Richtig ist wohl, dass die „Umstellung" des Klagebegehrens von einem Leistungs- auf ein Feststellungsbegehren im vorliegenden Fall als Klageänderung und nicht nur als Geltendmachung eines „Minus" anzusehen ist. Während das auf Urlaubsersatzleistung gerichtete Begehren darauf gestützt ist, dass ein Verbrauch nicht mehr möglich ist, bezweckt das Feststellungsbegehren genau das Gegenteil, nämlich die Möglichkeit des Verbrauches. Die Beklagte vermeint, dass infolge der rechtlichen Verschiedenheit der beiden Ansprüche die Leistungsklage vom 27. 10. 2004 nicht geeignet gewesen sei, die Verjährung (zumindest eines Teiles) des Urlaubsanspruches nach § 4 Abs 5 UrlG zu hemmen. Dabei übersieht die Beklagte allerdings, dass sie ihren Verjährungseinwand (ON 6) nur zum damals aktuellen Leistungsbegehren erhoben hat. Der Klageänderung (ON 10) auf Feststellung, gegen die sie sich im Übrigen nicht iSd § 235 ZPO aussprach, hielt sie indes den Verjährungseinwand nicht mehr entgegen. Geht man aber - wie die Beklagte - von der Unterschiedlichkeit der Ansprüche aus, kann der früher erhobene Verjährungseinwand nicht (- gleichsam „auf Vorrat" -) auf ein zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gestelltes Begehren erstreckt werden.

Zur (Un )Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauchs:

Damit der Urlaub während des Arbeitsverhältnisses verbraucht werden kann, ist zunächst der Abschluss einer gültigen Urlaubsvereinbarung im Sinn des § 4 Abs 2 UrlG notwendig. Eine derartige Vereinbarung im Sinne einer übereinstimmenden Willenserklärung der Parteien - sei es ausdrücklich oder schlüssig - kann - mit Ausnahme von drei ohnehin nicht mehr begehrten Urlaubstagen - den Feststellungen nicht entnommen werden. Eine einseitige Gestaltung, sei es auch durch eine Aufforderung des Arbeitgebers, oder eine einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit, können eine sonst fehlende Urlaubsvereinbarung nicht ersetzen (9 ObA 77/01s; 9 ObA 39/07m; SZ 2005/182). Der Einwand, Arbeitnehmern könne in der Regel die Konsumation eines Resturlaubes während der Kündigungsfrist zugemutet werden, ist hier schon aus folgendem Grund nicht überzeugend: Der Kläger ist mit seiner rechtzeitig eingebrachten Kündigungsanfechtungsklage erfolgreich gewesen, die Kündigung wurde rückwirkend für unwirksam erklärt. Damit kann aber auch eine „Kündigungsfrist" nicht mehr ausschlaggebend sein. Die Schranke für den Urlaubsanspruch ist vielmehr ausschließlich in der Verjährung zu sehen (9 ObA 39/07m; RS0077520). Auf eine solche ist aber, wie oben dargelegt, im vorliegenden Fall nicht mehr einzugehen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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