JudikaturJustiz9ObA110/13m

9ObA110/13m – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. November 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Andreas Hach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** U*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei D***** S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen 1.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 2013, GZ 9 Ra 37/13x 14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Geltendmachung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe, welche bestimmte Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung gerade sie getroffen wurde, welche Feststellung an ihrer Stelle richtigerweise zu treffen gewesen wäre und aus welchen Beweisergebnissen diese konkrete Ersatzfeststellung abzuleiten sein soll (RIS Justiz RS0041835; Kodek in Rechberger ³, § 471 ZPO Rz 8). Einen im Revisionsverfahren aufzugreifenden Verstoß des Berufungsgerichts gegen diese Grundsätze zeigt die Revision nicht auf. Den genannten Kriterien vermochte die Beweisrüge in der Berufung der Beklagten schon deshalb nicht genügen, weil sie sich mit der ausführlichen Beweiswürdigung des Erstgerichts (Seiten 8 12 des Ersturteils) inhaltlich nicht auseinandergesetzt hat.

2. Belästigungen am Arbeitsplatz sind inakzeptabel, denn sie beeinträchtigen die Menschenwürde (§ 6 Abs 2, § 7 Abs 2, § 21 Abs  2 GlBG; 9 ObA 18/08z ua; Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 6 E 3). Verhaltensweisen der Belästigung iSd § 21 GlBG können verschiedene Formen annehmen, angefangen bei verbalen Äußerungen (zB Witzen) und Gesten bis hin zum Verfassen, Zeigen und Verbreiten von schriftlichen Äußerungen, E Mails, SMS, Zeichnungen (zB Karikaturen), Bildern oder sonstigem Material ( Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 6 Rz 20, § 21 Rz 8). In bestimmten Fällen kann daher das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK, Art 13 StGG in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den Rechten nach dem Gleichbehandlungsgesetz stehen. Geht man davon aus, dass Belästigungen im Sinn des Gleichbehandlungsgesetzes schon definitionsgemäß die Würde der betroffenen Person beeinträchtigen (zum Begriff der Würde des Menschen vgl etwa Hopf/Mayr/Eichinger GlBG § 6 Rz 21 ff), dann ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Recht auf freie Meinungsäußerung des Belästigers finde jedenfalls dort seine Grenze, wo in die dem Belästigten nach dem Gleichbehandlungsgesetz gewährten Rechte eingegriffen werde, angesichts des mit dem II. Teil des Gleichbehandlungsgesetzes umgesetzten Zweck des Unionsrechts, Diskriminierungen in der Arbeitswelt zu vermeiden, nicht zu beanstanden.

3. Das Berufungsgericht weicht mit seiner Rechtsansicht, die Beklagte hätte bereits mit ihren (einmaligen) Äußerungen das Mindestmaß an Intensität belästigender Verhaltensweisen objektiv überschritten, auch nicht von der Entscheidung 9 ObA 21/12x ab. Dass durch die gegenständliche Belästigung für den Kläger ein negatives Umfeld iSd § 21 Abs 2 Z 3 GlBG geschaffen wurde, wird hier schon dadurch unterstrichen, dass der Kläger der Beklagten während der restlichen Zeit seiner Beschäftigung aus dem Weg ging, weil er sich aufgrund der Äußerungen der Beklagten unwohl fühlte und eine feindselige Umgebung empfand.

Abgesehen davon genügt es seit der Novellierung des § 21 GlBG mit BGBl I 2008/98, dass die Verletzung der Würde bezweckt ist (ErlRV 415 BlgNR 23. GP 5; 9 ObA 21/12x; Hopf/Mayr/Eichinger GlBG § 21 Rz 7). Dazu hat das Erstgericht festgestellt, dass die Beklagte ihre diskriminierenden Aussagen bewusst aufgrund der Homosexualität des Klägers getroffen hat und diesen mit ihren Äußerungen auch treffen wollte. Die Äußerungen der Beklagten waren für den Kläger unerwünscht, er fühlte sich in seiner Würde verletzt, war getroffen und gekränkt.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Rechtssätze
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