JudikaturJustiz9Ob18/15k

9Ob18/15k – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI A***** G*****, vertreten durch Dr. Keyvan Rastegar, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** L***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Pullez Dr. Robert Gschwandtner, Rechtsanwälte in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei „J*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Weissborn Wojnar Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen 22.559,73 EUR sA und Feststellung (Streitwert 7.300 EUR), über die Revision (Revisionsinteresse 11.760,73 EUR) der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2014, GZ 15 R 127/14b 57, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7. April 2014, GZ 10 Cg 31/12w 49, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die mit jeweils 838,44 EUR (darin 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Wohnhaus des Klägers war als Neubau in gekuppelter Bauweise an der Grundstücksgrenze an das bereits lange zuvor errichtete Haus der Beklagten unmittelbar anschließend angebaut worden. Die Mauer des Wohnhauses des Klägers, die an das Nachbarhaus der Beklagten anschloss, war eine unverputzte Feuermauer aus Ziegeln, die über keine Feuchtigkeitsisolierung verfügte. Auch im Bereich des Kellermauerwerks hatte das Haus des Klägers keine Feuchtigkeitsabdichtung. Im Jänner 2012 ließ die Beklagte durch den Rechtsvorgänger der Nebenintervenientin ihr Haus abreißen. Zuvor hatte sie den Abbruch des Hauses der Baubehörde angezeigt. Durch die Erschütterungen aufgrund der Baggerarbeiten sowie die Arbeiten selbst wurde das Haus des Klägers beschädigt. Durch die Beseitigung des Hauses der Beklagten wurde der unverputzte Teil der Feuermauer des Hauses des Klägers freigelegt und diese war damit dem Wetter ausgesetzt. Der dadurch intensivierte Feuchteandrang (Einwirken der Bodenfeuchtigkeit und des Niederschlags auf die Feuermauer) verstärkte die bereits durch die Mangelhaftigkeit des Hauses entstandenen Wasserschäden in der Garage und im Abstellraum. Im Frühjahr 2013 ließ der Kläger seine Feuermauer verputzen.

Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte ausschließlich zum Ersatz der festgestellten Schäden am Wohnhaus des Klägers, die durch die Baggerarbeiten verursacht worden waren. Revisionsgegenständlich sind die von den Vorinstanzen nicht zugesprochenen Behebungskosten für die in der Garage und im Abstellraum des Hauses des Klägers entstandenen Feuchtigkeitsschäden sowie die Kosten für den Verputz der Feuermauer. Dazu vertraten die Vorinstanzen die Rechtsansicht, dass weder das auf das Mauerwerk des Klägers wirkende Regenwasser noch der Umstand, dass das Haus des Klägers nach Abbruch des Hauses der Beklagten nicht mehr vor Regeneinwirkung geschützt gewesen sei, von der Liegenschaft der Beklagten ausgehende Einwirkungen iSd § 364a ABGB seien. Vielmehr sei der Kläger als Eigentümer des Hauses schon nach § 129 Abs 9 der Wiener Bauordnung (Wr BauO) selbst verpflichtet, bisher verdeckte, aus welchem Anlass aber auch immer freigelegte Feuermauerteile zu verputzen.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage der Reichweite des § 364a ABGB im Zusammenhang mit dem Abbruch eines in gekuppelter Bauweise mit dem Nachbarhaus errichteten Gebäudes zugelassen. Dem schloss sich der Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Demgegenüber bestritten die Revisionsgegner ausdrücklich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragten die Zurückweisung der Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

1. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichts vollinhaltlich übernommen (Seite 16). Wenn es einzelne Teile der erstgerichtlichen Feststellungen in verkürzter Form wiedergibt, kann darin schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen (RIS Justiz RS0043240, RS0043347 [T12]).

2. Soweit die Revisionsgegner unter Bezugnahme auf die Entscheidung 8 Ob 128/09w die Rechtsansicht vertreten, dass im Falle eines vereinfachten Anzeigeverfahrens bei der Durchführung von Abbrucharbeiten die Anwendung des § 364a ABGB schon mangels Vorliegens einer behördlich genehmigten Anlage scheitern müsse, ist darauf hinzuweisen, das die Rechtsprechung eine Analogie auch in jenen Fällen angenommen hat, in denen die Baubehörde eine bauliche Maßnahme dadurch gestattet, dass sie die Anzeige eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens zur Kenntnis nimmt (RIS Justiz RS0010668 [T15]).

3. Die ständige Rechtsprechung billigt einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch grundsätzlich dann zu, wenn sich aus der Interessenlage ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364a ABGB ergeben. Eine § 364a ABGB analoge Situation wird in Fällen angenommen, in denen durch die Bewilligung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme hervorgerufen und dadurch die Abwehr zwar nicht rechtlich ausgeschlossen, aber faktisch derart erschwert wird, dass der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muss, so vor allem bei behördlich genehmigten Bau- und Abbruchsarbeiten (4 Ob 89/10g = EvBl 2011, 465 [ Zoppel ] = ZVB 2011/39 [ Michl ]; 5 Ob 190/11v ua; RIS Justiz RS0010668). Der Ausgleichsanspruch umfasst auch Schäden, die typischerweise auf die Baumaßnahmen selbst zurückzuführen sind (6 Ob 216/13b; RIS Justiz RS0106324 [T3]; RS0010629).

4. Erst jüngst hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, das die nachbarrechtlichen Regelungen des § 364 ABGB als Beschränkungen der Rechte des Eigentümers definiert sind und sie sich auf deren Ausübung beziehen. Allein der Umstand, dass eine Störung vom Grundstück ausgeht, macht dessen Eigentümer noch nicht verantwortlich. Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundstücks sind grundsätzlich hinzunehmen (8 Ob 22/14i mwN). Von einer nach § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB unzulässigen unmittelbaren Zuleitung von Immissionen geht die Rechtsprechung daher erst dann aus, wenn sie ihre Ursache in einer Veranlassung des Eigentümers hat. Ein Anspruch, den natürlichen Wasserablauf zu ändern, um ein Eindringen von Wasser auf dem Nachbargrundstück zu verhindern, besteht nicht (10 Ob 45/14m; 8 Ob 22/14i; RIS Justiz RS0010546). Eine unmittelbare Zuleitung erfordert somit eine dem Liegenschaftseigentümer zuzurechnende Änderung der natürlichen Gegebenheiten, eine „Veranstaltung“, wodurch Immissionen auf das Nachbargrundstück bewirkt werden (8 Ob 22/14i mwN; RIS Justiz RS0115461; RS0010635).

5. Die nachteiligen Folgen des nach dem Abbruch des Hauses der Beklagten, auf das Grundstück des Klägers einwirkenden Zustands hat der Kläger hier selbst zu tragen. Die Beklagte ist insbesondere nicht verpflichtet, die durch den Abbruch ihres Hauses wiederhergestellten natürlichen Einwirkungen durch den Wasserablauf und den Niederschlag auf das Haus des Klägers, wie sie auch ohne Haus der Beklagten schon immer bestanden hätten, künstlich zu regulieren. Es ist niemand ohne gesetzliche (vgl 8 Ob 79/13w = immolex 2014/6 [ Limberg ]) oder vertragliche Handlungspflicht verpflichtet, seine Liegenschaft in einem solchen Zustand zu halten, dass der Nachbar vor von außen entstehenden Einwirkungen geschützt wird (RIS Justiz RS0010546 [T2]). Wenn nun die Beklagte ohne eine gegenüber dem Kläger übernommeneVerpflichtung für mehrere Jahre hindurch dem Kläger durch den Schutz ihres Hauses insbesondere dadurch einen Vorteil verschaffte, dass dieser sein Haus mit nicht verputzter Feuermauer in gekuppelter Bauweise daneben stellen konnte, so erwuchs dem Kläger daraus aber noch kein Recht, dass dieser Zustand erhalten bleibt (vgl 1 Ob 279/02i = RIS Justiz RS0107625).

6. Mit der Beseitigung des „Deckungsschutzes“ durch Rodungsmaßnahmen am Nachbargrundstück (3 Ob 553/84 = SZ 57/179; 8 Ob 636/88) ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Während § 14 ForstG 1975 einen öffentlich-rechtlichen subjektiven Rechtsanspruch des gefährdeten Waldeigentümers auf sogenannten Deckungsschutz (gegenüber seinem Nachbarn) einräumt, verpflichtet die verwaltungsrechtliche Bestimmung des § 129 Abs 9 Wr BauO (vgl RIS Justiz RS0112778) den Eigentümer selbst, ungedeckte freistehende bzw freigelegte, bisher aber verdeckte Feuermauern und Feuermauerteile von außen zu verputzen.

7. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen hält sich somit bei Beurteilung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls im Rahmen gesicherter Rechtsprechung. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision des Klägers daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihren Revisionsbeantwortungen hingewiesen (RIS Justiz RS0035979). Zum Kostenverzeichnis des Nebenintervenientenvertreters ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen für die erkennbar geltend gemachte Erhöhung der Entlohnung gemäß § 15 RATG nicht vorliegen, weil er weder mehrere Personen vertritt, noch ihm mehrere Personen gegenüberstehen.

Rechtssätze
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