JudikaturJustiz9Ob159/99v

9Ob159/99v – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1) Johann T***** jun., ÖBB-Bediensteter, 2) Anneliese T*****, Buchbinderin, beide *****, beide vertreten durch Dr. Erhard Mack, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei Dragica N*****, Selbständige, *****, vertreten durch Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 16. März 1999, GZ 21 R 97/99h-19, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger begründeten in ihrer Klage ihr Räumungsbegehren mit der Behauptung, die Beklagte sei trotz Mahnung mit dem Mietzins durch 6 Monate im Rückstand. Dieser Behauptung fügten sie in Klammer den Zeitraum November 1997 bis April 1998 an. Nach dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Teilurteil vom 18. 8. 1998 hat bis zum Entscheidungszeitpunkt (neben einem erst im Verfahren aufgelaufenen Rückstand für Juni 1998 von S 1.800,-) ein restlicher Mietzinsrückstand von S 2.200,- bestanden, den das Erstgericht - da es von der Beklagten ungewidmet geleistete Zahlungen anders anrechnete als die Kläger - der Mietzinsperiode März bis Juli 1997 zuordnete. In einem derartigen Fall ändert die unterschiedlich vorgenommene Anrechnung der geleisteten Zahlungen an der Identität des maßgebenden Streitgegenstandes - nämlich am behaupteten (qualifizierten) Mietzinsrückstand - nichts. Der mittlerweile nicht mehr strittige Mietzinsrückstand erfüllt daher - mag er auch der Mietzinsperiode März bis Juli 1997 zuzuordnen sein - ebenso den von den Klägern geltend gemachten Tatbestand des § 1118 ABGB wie - was ebenfalls nicht mehr strittig ist - der erst während des Verfahrens aufgelaufene Rückstand.

Ob den Mieter, der vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtet, am Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden trifft (§ 33 Abs 2 u. 3 MRG), ist eine Frage, die von den Umständen des Einzelfalles abhängt und die daher - da das Berufungsgericht den ihm offenstehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat - die Zulässigkeit der Revision nicht begründet (RIS-Justiz RS0042773; zuletzt 9 Ob 178/98m). Daß das Berufungsgericht als "geschuldeten Betrag" iS § 33 Abs 2 u. 3 MRG die von der Beklagten geschuldeten Kosten angesehen habe, ist unzutreffend. Das Berufungsgericht hat lediglich im Rahmen der Beurteilung des Einwandes der Beklagten, sie habe kein grobes Verschulden am Mietzinsrückstand zu vertreten, unter anderem auf den Umstand hingewiesen, daß die Beklagte die am 9. 3. 1998 verglichenen Kosten nicht gezahlt hat. Im übrigen weist die Revisionswerberin selbst darauf hin, daß sie von der Unrichtigkeit ihrer Rechtsmeinung über die Mietzinsherabsetzung bereits im Vorverfahren erfahren hat. Ihr Standpunkt, daraus sei nichts über ihr Verschulden abzuleiten, weil ihr das Urteil im Vorprozeß erst nach den zu beurteilenden Zinsperioden zugestellt worden sei, läßt außer Acht, daß sie auch nach Zustellung der Vorentscheidung den in Rede stehenden Rückstand nicht beglichen hat. Von der Beklagten in erster Instanz mit keinem Wort geltendgemachte (und auch nicht festgestellte) Umstände müssen außer Betracht bleiben.

Auch der Einwand der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe sich mit ihrer Behauptung nicht auseinandergesetzt, wonach das erstinstanzliche Verfahren wegen einer Verletzung der das Erstgericht treffenden Anleitungspflicht mangelhaft geblieben sei, vermag die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nicht zu begründen. Die Prozeßleitungspflicht, somit die Verpflichtung auf eine Klarstellung unvollständigen, undeutlichen oder untauglichen Vorbringens hinzuwirken, besteht auch im Anwaltsprozeß, jedoch muß das Gericht rechtsfreundlich vertretene Personen weder über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen belehren, noch sie zur Stellung bestimmter prozessualer Anträge anleiten (Fucik in Rechberger ZPO Rz 1 zu § 182 mwN). Das Gericht kann damit anwaltlich vertretenen Personen die Sorge um ein ausreichendes Vorbringen zur Stützung ihrer Einwendungen überlassen und muß sie nicht zur Geltendmachung weiterer Einwendungen anleiten (ständige Rechtsprechung RIS-Justiz RS0037052; vgl auch RS0037403; zuletzt 4 Ob 315/97w). Daß das Erstgericht die Beklagte nicht darauf aufmerksam gemacht hat, daß es ihrem Vorbringen zum Fehlen eines groben Verschuldens am Mietzinsrückstand nicht folgen werde, begründet daher keinen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, sodaß der Umstand, daß das Berufungsgericht zur entsprechenden Rüge der Beklagten nicht Stellung genommen hat, keinen wesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens darstellt.