JudikaturJustiz8ObA173/98v

8ObA173/98v – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux und Franz Gansch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Edith F*****, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter und Dr. Friedrich Trappel, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Erich S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Punz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 82.582,75 brutto s.A. (Revisionsinteresse S 81.047,26 brutto s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. März 1998, GZ 10 Ra 5/98y-16, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8. September 1997, GZ 30 Cga 123/97w-10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom 18. 7. 1994 bis 31. 5. 1997 als Handelsangestellte bei einer 20 Stundenwoche und bei einem Bruttomonatsgehalt von S 9.850,-- beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten anzuwenden.

Die Klägerin leistete 1995 bis 1997 erhebliche Mehrstunden, die im Ausmaß von insgesamt 203,25 durch Zeitausgleich ausgeglichen und im Ausmaß von 81 Stunden bezahlt wurden.

Bereits im Bewerbungsgespräch vor dem Beginn des Dienstverhältnisses wurde die Frage der Anrechnung der Überzahlung gegenüber dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt auf allfällige gesetzliche oder kollektivvertragliche Erhöhungen zwischen den Streitteilen besprochen, die sich schließlich darauf einigten, die über den Mindestlohn hinaus geleistete Überzahlung (S 9.850,-- brutto monatlich gegenüber einem Mindestlohn von S 7.098,-- brutto monatlich) auf künftige Erhöhungen des Ist-Lohnes zur Anrechnung zu bringen.

Hintergrund war, daß die Klägerin eigentlich einen 25 bis 30 Wochenstundenjob gesucht hatte, was die beklagte Partei nicht bieten konnte. Zwecks Erreichens einer befriedigenden Lösung schlug der Geschäftsführer der beklagten Partei vor, eine Erhöhung des Gehaltes vorzunehmen und den höheren Gehalt auf künftige Erhöhungen des Ist-Lohnes zur Anrechnung zu bringen.

Punkt X des Dienstzettels vom 18. 7. 1994 lautet:

"Ihr monatliches Grundgehalt beträgt S 9.850,--. Ihr kollektivvertragliches Gehalt beträgt S 7.098,--. Diese Überzahlung wird auf allfällige gesetzliche und/oder kollektivvertragliche Erhöhungen angerechnet."

Die Klägerin bestätigte den Erhalt des Dienstzettels mit ihrer Unterschrift. Anläßlich der Übergabe des Dienstzettels wurde die Anrechnung der Überzahlung mit der Klägerin nochmals besprochen und sie erklärte sich mit diesem Punkt einverstanden. Bis zu welchem Zeitpunkt diese Anrechnung der Überzahlungen künftig erfolgen sollte, wurde vom Geschäftsführer der beklagten Partei nicht gesagt.

In der Folge erhielt die Klägerin von der beklagten Partei jeweils zu Jahresbeginn 1995, 1996 und 1997 Dienstzettel, worin jeweils der gleichbleibende Gehalt der Klägerin von S 9.850,-- unter jeweiliger Anführung des kollektivvertraglichen Mindestgehaltes und auch Auswerfens der jeweiligen Überzahlung. Diese weiteren Dienstzettel waren nicht Gegenstand von Erörterungen bei ihrer Übergabe; die Klägerin war mit diesen Dienstzetteln einverstanden und unterfertigte sie auch jeweils.

Der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs sieht in den ab dem 1. Jänner 1995, 1. Jänner 1996 und 1. Jänner 1997 geltenden Fassungen jeweils in lit G der Gehaltsordnung vor, daß die jeweils am 31. Dezember bestehenden Überzahlungen der kollektivvertraglichen Mindestgehälter in ihrer schillingmäßigen Höhe gegenüber den ab 1. Jänner erhöhten kollektivvertraglichen Mindestgehältern aufrecht zu erhalten sind.

Am 29. 4. 1997 teilte der Geschäftsführer der beklagten Partei der Klägerin mit, er müsse das Dienstverhältnis zum 31. 5. 1997 befristen, weil sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert und die beklagte Partei Kunden verloren habe. Das unbefristete Dienstverhältnis müsse in ein befristetes umgewandelt werden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei hat bei dieser Erklärung das Wort "Kündigung" nicht verwendet. Er äußerte sich aber ausdrücklich dahingehend, daß das Dienstverhältnis der Klägerin am 31. 5. 1997 enden werde. Die Klägerin solle im Juni 1997 zu Hause bleiben und sie könnte im Juli 1997 eine Kollegin während des Urlaubes vertreten. Im Herbst werde man weitersehen. Während der Überbrückungszeit möge die Klägerin das Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen. Es gebe viele Branchen, in denen Saisonarbeit üblich sei.

Der Klägerin wurde während des Gespräches folgendes Schreiben ausgehändigt:

"Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Sehr geehrte Frau F*****!

Wir beziehen uns auf das heute persönlich geführte Gespräch. Als Ergebnis halten wir schriftlich fest, daß Ihr Dienstverhältnis zum 31. 5. 1997 befristet wird."

Bei diesem Gespräch wurde auch der Verbrauch von Resturlaub durch die Klägerin und die künftige Postensuche besprochen. Die von der Klägerin befürchteten Probleme bei der Postensuche waren Anlaß, ihr eine aushilfsweise Tätigkeit im Sommer 1997 sowie eine allfällige Neueinstellung im Herbst dieses Jahres in Aussicht zu stellen.

Am 12. 5. 1997 ließ die Klägerin durch ihren Vertreter der beklagten Partei mitteilen, daß sie mit der Umwandlung des Dienstverhältnisses auf unbestimmte Zeit in ein befristetes nicht einverstanden sei.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin insgesamt S 82.582,75 brutto s.A. restliches Gehalt und Sonderzahlungen, Abfertigung und Urlaubsentschädigung mit der Begründung, die beklagte Partei habe kollektivvertragliche Erhöhungen des Ist-Lohnes nicht berücksichtigt, Sonderzahlungen nicht unter Berücksichtigung geleisteter Mehrarbeitsstunden berechnet und das Dienstverhältnis nicht zum vertraglich vorgesehenen Termin gekündigt.

Die beklagte Partei begehrt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, ihr Geschäftsführer habe die Klägerin am 29. 4. 1997 zum 31. 5. 1997 gekündigt und der Klägerin in Anbetracht dessen, daß eine vereinbarungsgemäße Kündigung zum 30. 6. 1997 hätte erfolgen müssen, das Dienstverhältnis zum letztgenannten Zeitpunkt ordnungsgemäß abgerechnet. Zu Beginn des Dienstverhältnisses sei bei einer vereinbarten wöchentlichen Normalarbeitszeit von 20 Stunden ein monatliches Grundgehalt von S 9.850,-- brutto mit der Maßgabe vereinbart worden, daß die Differenz zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt von damals S 7.098,-- brutto auf allfällige gesetzliche oder kollektivvertragliche Erhöhungen angerechnet werde.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 1.535,49 brutto s.A. an ergänzend gebührenden aliquoten Sonderzahlungen für bezahlte Mehrarbeitsstunden unbekämpft zu und wies das noch strittige Mehrbegehren von S 81.047,26 brutto s.A. ab.

Infolge Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Mehrbegehrens bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes; ein Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision sei gemäß § 45 Abs 3 erster Halbsatz ASGG nicht vorzunehmen gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, daß bei verständiger Würdigung der Erklärungen des Geschäftsführers der beklagten Partei am 29. 4. 1997 kein Zweifel darüber bestehen könne, daß er das Dienstverhältnis per 31. 5. 1997 beenden wollte. Selbst ohne Berücksichtigung der begleitenden Erörterungen über den Verbrauch des Resturlaubes, die Arbeitsuche, die Notwendigkeit, Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen, und eine mögliche Wiedereinstellung könne eine abschließende und von keiner Zustimmung des Erklärungspartners abhängig gemachte Erklärung, ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit nunmehr mit einem bestimmten Zeitpunkt zu befristen, nicht anders verstanden werden, als daß damit eben eine Beendigung des Dauerschuldverhältnisses herbeigeführt werde. Infolge der fristwidrigen Kündigung vom 29. 4. 1997 zum 31. 5. 1997 sei die Klägerin so zu stellen, als ob das Dienstverhältnis erst am 30. 6. 1997 geendet hätte. Das darüberhinausgehende Klagebegehren auf Kündigungsentschädigung für Juli 1997 und auf die in diesem Zeitraum neu entstehenden Ansprüche auf Abfertigung und Urlaubsentschädigung bestünden daher nicht zu Recht.

Auch sei die Anrechnungsvereinbarung in Bezug auf die vereinbarte überkollektivvertragliche Bezahlung wirksam. Die Berufungswerberin mache geltend, daß auch nach der vom Erstgericht zitierten Entscheidung Arb 10.290 eine Anrechnungsvereinbarung nur insoweit wirksam wäre, als sie von den Parteien auf überschaubare künftige Erhöhungen der kollektivvertraglichen Mindestlöhne bezogen werde.

Abgesehen davon, daß die Klägerin kein Vorbringen erstattet habe, inwieweit die Anrechnungen in den Jahren 1994, 1995 und 1996 nicht überschaubar gewesen sein sollten, könne dieser Auffassung nicht beigetreten werden. Der hier anzuwendende Kollektivvertrag sehe in den ab dem 1. 1. 1995 geltenden Fassungen die zitierte (schlichte) Ist-Lohnklausel vor, die nach hA zulässig sei. Durch diese werde die grundsätzliche Aufsaugbarkeit des den Kollektivvertragssatz übersteigenden Teiles Ist-Gehaltes (also das Einfrieren des Gehaltes, bis das kollektivvertragliche Mindestgehalt höher ist) durchbrochen. Mit der Anordnung der schillingmäßigen Aufrechterhaltung von Überzahlungen komme im Handelskollektivvertrag das sogenannte "Anhängeverfahren" zur Anwendung, das darauf hinauslaufe, daß der Arbeitnehmer genau die schillingmäßige Differenz zwischen dem alten und neuen Kollektivvertragsgehalt mehr bekommen solle.

Zur Frage, inwieweit Parteien die Wirksamkeit von kollektivvertraglichen Ist-Lohnklauseln im vorhinhein abbedingen könnten, würden in der Lehre sowie in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach § 3 Abs 1 ArbVG könnten Bestimmungen in Kollektivverträgen durch einen Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Sondervereinbarungen seien, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließe, nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger seien. Hieraus leitete das Berufungsgericht zusammengefaßt ab, daß es sich bei der Vereinbarung, mehr als den kollektivvertraglichen Mindestgehalt zu bezahlen, immer nur um eine Begünstigung des Arbeitnehmers handle. Dem Arbeitgeber müsse es grundsätzlich offenstehen, das Ausmaß der Begünstigung frei zu bestimmen und auch begünstigende Mittellösungen zu vereinbaren. Dabei handle es sich niemals um einen Verzicht auf die künftigen Rechte des Arbeitnehmers, sondern immer um die Ausweitung seiner Rechte zumindest durch zeitliche Vorverlagerung einer Gehaltserhöhung. Auf eine zusätzliche Überschaubarkeit dieser Begünstigung könne es nicht ankommen, soferne nur die grundsätzlichen Anforderungen an die Bestimmbarkeit einer vertraglichen Regelung erfüllt seien.

Die im Hinblick auf künftige kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen geleisteten Mehrzahlungen seien somit "Überzahlungen" im Sinne des zitierten Kollektivvertrages nur in dem Maß, auf das diese Mehrzahlungen durch (zeitlich) beschränkende Zusatzvereinbarungen reduziert worden seien. Das kollektivvertragliche Anhängeverfahren könne nicht von der Mehrzahlung im nominellen Betrag ausgehen, sondern müsse beim Ausmaß der konkret vereinbarten Begünstigung ansetzen. Die vorliegende Anrechnungsvereinbarung habe die Laufzeit der die Klägerin begünstigenden Mehrzahlung im Ergebnis jeweils bis zum Inkrafttreten von kollektivvertraglichen Gehaltserhöhungen begrenzt. Eine "Überzahlung", die im Sinn der lit G der Gehaltsordnung des Kollektivvertrages für Handelsangestellte aufrecht zu erhalten wäre, liege daher im Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginnes der Gehaltserhöhung nicht (mehr) vor.

Im übrigen seien mit dem Erstgericht nur die bezahlten Mehrarbeitsleistungen in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen einzurechnen, nicht jedoch die durch Zeitausgleich neutralisierten Mehrarbeitsstunden.

Gegen den klagsabweisenden Teil des Urteils richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, daß ihrem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Soweit es um die Frage geht, ob am 29. 4. 1997 eine Kündigung erfolgt sei, genügt es, auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerin wurde zeitwidrig zum 31. 5. 1997 anstatt zum 30. 6. 1997 gekündigt; ihre Ansprüche für Juni 1997 hat sie bereits erhalten. Zeitlich darüber hinausgehende Ansprüche hat sie nicht. Hieraus folgt, daß der Klägerin für Juni 1997 keine Kündigungsentschädigung, keine Abfertigung und keine Urlaubsentschädigung sowie darauf entfallende Sonderzahlungen zustehen, sodaß es hinsichtlich dieser im Gesamtbetrag von S 52.111,68 brutto s.A. geltend gemachten Ansprüche bei der Klagsabweisung zu verbleiben hat.

2. Was die mangelnde Berechtigung des Anspruchs der Klägerin auf Sonderzahlungen hinsichtlich Mehrarbeitsstunden betrifft, die durch Zeitausgleich abgegolten wurden, genügt es ebenfalls auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO), welches sich seinerseits zulässigerweise (§ 500a ZPO) auf die Begründung der ersten Instanz berufen hat. Bei jenen Mehrarbeitsstunden, die der Klägerin durch Zeitausgleich abgegolten wurden, liegt im Ergebnis keine über die vereinbarte 20stündige Wochenarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung der Klägerin vor, da sie zu anderen Zeiten weniger als 20 Stunden gearbeitet hat. Daraus, daß ihr diese Mehrarbeit angeblich im Verhältnis 1:1,5 abgegolten wurde, daß sie also für eine Mehrstunde 1,5 Stunden zu anderen Zeiten weniger arbeiten mußte - nachdem Kollektivvertrag liegen keine Überstunden (P VII 1 lit d), sondern Mehrarbeit vor, die nur im Ausmaß 1:1 abzugelten ist (P VI lit 5) -, kann sie nicht ableiten, daß sich dadurch auch noch die Bemessungsgrundlage für ihre Sonderzahlungsansprüche erhöhen würde. Ebensowenig kann sie aus § 19c Abs 5 AZG (nunmehr § 19d Abs 4 AZG) derartige Ansprüche ableiten. Diese Bestimmung schafft keinen selbständigen Anspruch auf Sonderzahlungen, sondern setzt einen solchen Anspruch voraus (Scherff, AZG 43), der eben bei Abgeltung von Mehrstunden durch Zeitausgleich nicht besteht.

3. Auch hinsichtlich der Zulässigkeit der vorweggenommenen Einrechnungsvereinbarung in die Ist-Lohnerhöhung ist die Revision nicht berechtigt; dies bedarf aber im Hinblick auf die kontroversiellen Stellungnahmen zu diesem Problem näherer Erörterung.

Seit Jahrzehnten ist es üblich, daß die Kollektivvertragsparteien bei den alljährlich stattfindenden Lohn- und Gehaltsrunden nicht nur den Mindestlohn festsetzen, sondern auch die darüberhinausgehenden Ist-Löhne erhöhen. Ihr Hauptzweck ist die Kaufkraft des Lohnes zu sichern, weil der Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Ausgleich der Inflationsrate hat; er müßte eine Lohnerhöhung zu deren Abdeckung jeweils einzeln aushandeln; gelingt ihm dies nicht, wird sein überkollektivvertraglicher Lohn bis zum jeweiligen Mindestlohn aufgesogen (für alle Schrank, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Fassung 1999, 109).

Kollektivvertragliche Ist-Lohnerhöhungen gibt es in den verschiedensten Varianten. Bei der hier vorliegenden kollektivvertraglichen Ist-Lohnerhöhung - keine prozentuelle Erhöhung der Ist-Löhne, sondern bloß schillingmäßige Aufrechterhaltung der Überzahlungen, auch Anhängeverfahren genannt (zu den faktischen Unterschieden vgl für alle Schrank aaO 109 ff) - handelt es sich um eine der üblichen Varianten der sogenannten schlichten Ist-Lohnklausel. Sie bewirken zwar, soweit sie nicht ausdrücklich als nur dispositiv gefaßt sind, was hier - wie bei den meisten anderen derartigen Klauseln - nicht der Fall ist, zwingend mit Inkrafttreten des Kollektivvertrages eine Erhöhung der Effektivlöhne; die Aufrechterhaltung des neuen Lohnsystems ist aber - im Gegensatz zu sogenannten qualifizierten Ist-Lohnklauseln, die von der Lehre überwiegend als unzulässig beurteilt werden, weil sie die Hauptfunktion des Kollektivvertrages (Vereinheitlichung) stören - nicht zwingend vorgesehen. Eine Abbedingung der Überzahlung wäre in der Folge somit erlaubt.

Solche schlichte Ist-Lohnklauseln sind nach den Materialien, der oberstgerichtlichen Rechtsprechung und dem wohl überwiegenden Teil der Lehre zulässig (840 BlgNR 13. GP, 57; OGH 4 Ob 70-73/83, DRdA

1985/21 m Anm Eypeltauer = Arb 10.290; 8 ObA 244/95, DRdA 1996/29 m

Anm Pfeil; 9 ObA 97/95, DRdA 1996/39 m Anm Wachter = SZ 68/183 = Arb

11.499; 9 ObA 375/97f, RdW 1998, 709; Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht6, 97 f; Cerny in Cerny ua ArbVG 2, 47 ua; zu diesem Problem im speziellen jeweils mwN Eypeltauer, DRdA 1985, 407; Jabornegg, JBl 1990, 212; Grillberger, DRdA 1992, 431; gegen die Zulässigkeit von Ist-Lohnklauseln Tomandl, ZAS 1969, 41; ders Arbeitsrecht I4, 135 f; ders referierend, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht 109 ff; vermittelnd Vogt, ZAS 1993, 41). Eine neuerliche Auseinandersetzung mit den ablehnenden Stellungnahmen zur Zulässigkeit der schlichten Ist-Lohnklauseln erübrigt sich; der erkennende Senat schließt sich der Meinung des neunten Senates an, daß diese Frage hinlänglich geklärt sei, weshalb er eine auf diesen Problemkreis gestützte außerordenliche Revision zurückwies (9 ObA 375/97f, RdW 1998, 709).

Äußerst strittig und von oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht hinlänglich geklärt ist jedoch, inwieweit die Parteien die Wirksamkeit von kollektivvertraglichen Ist-Lohnklauseln im vorhinein abbedingen können. In vielen Dienstverträgen finden sich sogenannte Anrechnungs- bzw Aufsaugungsklauseln in der verschiedensten Formen. Im vorliegenden Dienstvertrag soll die Überzahlung auf allfällige gesetzliche oder kollektivvertragliche Erhöhungen angerechnet werden. Dies bedeutet, daß der vereinbarte Lohn solange gleichbleiben soll, als er noch über dem jeweiligen Kollektivvertragsmindestlohn liegt.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich erst einmal explizit mit dieser Frage zu beschäftigen, und zwar in der obengenannten Entscheidung 4 Ob 70-73/83 (DRdA 1985/21 m Anm Eypeltauer = Arb 10.290; in der Entscheidung 9 ObA 97/95, DRdA 1996/39 m Anm Wachter = SZ 68/183 = Arb 11.449 ergab sich die zwingende Aufrechterhaltung der "Überzahlung" aus § 4 AVRAG). Er führte in dieser Entscheidung zunächst unzweifelhaft zutreffend aus, daß gemäß § 3 Abs 1 ArbVG zwar Bestimmungen in Kollektivverträgen, soweit sie die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern regeln, durch Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden können, doch solche Sondervereinbarungen gültig seien, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger seien. Auch bei Verzicht auf unabdingbare gesetzliche Ansprüche greife das Günstigkeitsprinzip durch und ermögliche sinnvolle vertragliche Gestaltungen. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde vereinbart, daß die Arbeitnehmer das gesamte, bis zum Kündigungstermin jeweils monatlich fällig werdende Entgelt und die gesamte Abfertigung - ohne Inanspruchnahme des Rechtes des Arbeitgebers, die Abfertigung, soweit sie das Dreifache des Monatsentgelts übersteigt in monatlichen Teilbeträgen abzustatten (§ 23 Abs 4 AngG) - sofort, jedoch ohne Berücksichtigung einer am nächsten Monatersten eintretenden Erhöhung der Ist-Löhne um 5,5 % ausbezahlt erhalten. Diese Vereinbarung sah der Oberste Gerichtshof zu Recht als für den Arbeitnehmer wegen der sofortigen Verfügbarkeit des gesamten Betrages und des damals hohen Zinsniveaus als günstiger als die unmittelbar danach in Kraft tretende Ist-Lohnerhöhung und daher als zulässig an, und führte aus, daß es sich wegen des Durchgreifens des Günstigkeitsprinzips erübrige, auf die vom Berufungsgericht zitierten uneinheitlichen Ansichten der Lehre über die Wirkung einer kollektivvertraglichen Erhöhung der Ist-Löhne einzugehen. Tragender Grund war somit die Zulässigkeit der Vereinbarung wegen des Günstigkeitsprinzips.

In der Folge führte er aber - als obiter dictum - aus, daß er keineswegs die Ansicht der Revisionswerber teilen könne, daß eine kollektivvertragliche Erhöhung der Ist-Löhne stets erst nach dem Inkrafttreten des Kollektivvertrages durch Einzelvertrag beseitigt werden könne. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten beispielsweise bei Festsetzung eines überkollektivvertraglichen Gehalts vereinbaren, daß damit (überschaubare) künftige Erhöhungen der kollektivvertraglichen Ist-Löhne bereits vorweggenommen seien, solange nicht dadurch kollektivvertragliche Mindestsätze unterschritten würden. Die Tatsache allein, daß auf künftig entstehende (aber an sich abdingbare) Rechte verzichtet werde, mache den Verzicht noch nicht ungültig. Der Verzicht auf künftige Rechte sei vielmehr grundsätzlich zulässig, setze allerdings eine ausreichende Bestimmbarkeit des künftigen Rechts, auf das verzichtet werden solle, voraus. Derjenige, der seinem Vertragspartner einen in seinen Konsequenzen nicht durchschaubaren Pauschalverzicht abverlange, sei allerdings nicht schutzwürdig.

Zurecht verweist daher Grillberger (kollektivvertragliche Ist-Lohnerhöhungen und einzelvertragliche Anrechnungsklauseln, DRdA 1992, 431) darauf, daß diese - doppelte - Begründung verlässliche Schlüsse auf zukünftige Streitfälle nicht zulasse. Nach den Ausführungen im zweiten Teil der Begründung soll die Ist-Lohnklausel offenbar nurmehr dispositive Wirkung haben (in diesem Sinn ohne weitere Begründung 8 ObA 244/95, DRdA 1996/29 m Anm Pfeil) und ein Vorausverzicht jedenfalls zulässig sein, sofern nur eine ausreichende Bestimmtheit (die vorliegendenfalls sicher zu bejahen war) und kein "undurchschaubarer Pauschalverzicht" vorliege, sodaß es auf eine Günstigkeitsprüfung der vorweggenommenen Aufrechnungsvereinbarung gar nicht mehr ankommen würde.

Im Anschluß an diese Entscheidung beschäftigte sich die Lehre ausführlichst mit der Problematik des Vorausverzichts auf Ist-Lohnerhöhungen, warf dieser Entscheidung vor allem Inkonsequenz vor und kam zu den unterschiedlichsten Ergebnissen. Zusammengefaßt ist aus diesen Lehrmeinungen hervorzuheben:

Eypeltauer (Verzicht auf Ist-Lohn-Erhöhung, DRdA 1985, 406) untersucht im Anschluß an die genannte oberstgerichtliche Entscheidung als erster diesen Problemkreis genauer und kommt zu sehr differenzierten Ergebnissen: Er hält eine Verzichtsvereinbarung bei erstmaliger Festsetzung eines über den bisher bezahlten Mindestlohn hinausgehenden überkollektivvertraglichen Lohn für zulässig, weil die Regelung für den Arbeitnehmer jedenfalls günstiger als der kollektivvertragliche Lohn sei; bei einzelvertraglicher Erhöhung eines überkollektivvertraglichen Lohnes - wurde der Arbeitnehmer also bereits vor der vereinbarten Erhöhung überkollektivvertraglich entlohnt -, könne sich eine solche Vereinbarung für den Arbeitnehmer als günstiger oder auch als nicht günstiger herausstellen; erweise sie sich im Einzelfall als nicht günstiger und verstoße daher gegen den unabdingbaren Anspruch auf Ist-Lohnerhöhung, habe dies nach dem hypothetischen Parteiwillen die Nichtigkeit sowohl der Erhöhung des überkollektivvertraglichen Lohnes als auch des Verzichtes auf die kollektivvertragliche Ist-Lohn-Erhöhung zur Folge; der Arbeitgeber wollte ja die Erhöhung nur unter der Ausschaltung einer etwaigen kollektivvertraglichen Ist-Lohn-Erhöhung zugestehen.

Jabornegg (Grenzen kollektivvertraglicher Rechtssetzung und richterliche Kontrolle, JBl 1990, 205) sowie Grillberger (aaO) halten eine vorherige Abbedingung ebenfalls nur - wenn auch mit teilweise unterschiedlichen Argumenten - für rechtswirksam, wenn der vor der Ist-Lohnerhöhung vereinbarte Verzicht bzw eine sogenannte Aufsaugungsklausel günstiger sei. Letzterer argumentiert mit dem Zweck der kollektivvetraglichen Norm. Da diese bei der Ist-Lohnerhöhung im wesentlichen darin bestehe, dem Arbeitnehmer die Kaufkraft des individuell vereinbarten Lohnes zu sichern, werde dieses Ziel umso stärker beeinträchtigt, je weitergehend man im Wege von Günstigkeitserwägungen Anrechnungsklauseln anerkennen wollte. Am deutlichsten zeige sich das in dem Fall, daß gleich bei Abschluß des Arbeitsvertrages ein über den Mindestlohn liegendes Entgelt vereinbart werde, welches aber auf alle künftigen kollektivvertraglichen Ist-Lohnerhöhungen angerechnet werden solle. Der Arbeitnehmer habe hier keinerlei Gewähr, daß sein Entgelt den realen Wert behalte. Er müsse vielmehr mit Reallohneinbußen rechnen, wenn sein Arbeitgeber nicht zu entsprechenden einzelvertraglichen Lohnerhöhungen bereit sei. Nur bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen einzelvertraglicher Lohnvereinbarung und Anrechnungsklausel einerseits und nachfolgender kollektivvertraglicher Ist-Lohnerhöhung andererseits könne eine Günstigkeitsprüfung in einem solchen Fall positiv ausfallen. Je weiter dagegen die individuelle, anrechenbare Lohnerhöhung von der kollektivvertraglichen Ist-Lohnerhöhung zeitlich entfernt sei, desto stärker würden die Bedenken gegen die Wirksamkeit der Anrechnung. Keinesfalls könnten Anrechnungsklausel für wirksam gehalten werden, die gleich mehrere kollektivvertragliche Ist-Lohnerhöhungen für anrechenbar erklären wollten.

Schrank (Anrechnungsvereinbarungen auf kollektivvertragliche Ist-Lohnerhöhungen, insbesondere Ist-Biennalsprünge? RdW 1992, 309) und Tomandl (Probleme der kollektivvertraglichen Ist-Lohnerhöhung, ZAS 1969, 41; ders Arbeitsrecht4, 135 ff) gehen von der Unzulässigkeit auch schlichter Ist-Lohnklauseln aus und kommen bei dieser Sicht zur unbeschränkten Zulässigkeit von Anrechnungsvereinbarungen. Ginge man aber von der Vollgültigkeit von schlichten Ist-Lohnklauseln aus, halten beide eine Anrechnungsvereinbarung für zulässig, die eine bereits unmittelbar bevorstehende, konkrete Konturen besitzende Ist-Lohnerhöhung zeitlich früher gebe, also wirklich vorwegnehme. Nunmehr hält Schrank (Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht 111 f), solche Vorwegnahmevereinbarungen für zwei bis drei Ist-Lohnerhöhungen für zulässig, nicht aber die Vorwegnahme aller künftigen Erhöhungen. Tomandl (Arbeitsrecht aaO) geht nunmehr noch weiter; erhält Ist-Lohnerhöhungen durch solche Aufsaugungsklauseln generell für abdingbar, allerdings unter Beachtung "aller Beschränkungen", die sich einer Abbedingung erst künftig eintretender Änderungen dispositiven Rechts entgegenstellten.

Vogt (Ist-Lohn-"Klausel" nein - Ist-Lohn-"Erhöhung" ja!, Gedanken zu vertraglichen Ist-Lohn-Erhöhungen, ZAS 1993, 41) sieht Versuche der Kollektivvertragsparteien auf eine Überzahlung der Kollektivvertragslöhne Einfluß zu nehmen (Ist-Lohn-"Klauseln"), als unzulässig an; ein kollektivvertraglicher Erhöhungsbetrag könne hingegen als Inhaltsnorm qualifiziert werden (Ist-Lohn-Erhöhung); eine betragsgleiche Abdingung dieses vom Kollektivvertrag mit Normwirkung garantierten Betrages aus dem Bereich der Überzahlung sei sowohl im vorhinein (Anrechnungsvereinbarung) wie auch im nachhinein grundsätzlich möglich.

Unter Bedachtnahme auf all diese Argumente kommt der erkennende Senat bei nochmaligem Überdenken des Problems zu folgendem Ergebnis:

§ 3 ArbVG ordnet an, daß Bestimmungen in Kollektivverträgen, soweit sie die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern regeln, durch Betriebsvereinbarungen oder Sondervereinbarungen weder aufgehoben noch beschränkt werden können. Sondervereinbarungen sind, sofern sie der Kollektivvertrag nicht ausschließt, nur gültig, soweit sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt sind. Bei der Prüfung, ob eine Sondervereinbarung iSd Abs 1 günstiger als der Kollektivvertrag ist, sind jene Bestimmungen zusammenzufassen und gegenüberzustellen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.

Hieraus folgt, daß ein Vorwegverzicht auf die Ist-Lohnerhöhung nur soweit gültig sein kann, als er für den Arbeitnehmer günstiger ist. Daß grundsätzlich ausreichende Bestimmbarkeit gefordert werden muß, ergibt sich schon daraus, daß anderenfalls ein Günstigkeitsvergleich gar nicht angestellt werden könnte. Der Günstigkeitsvergleich erfordert eine Gegenüberstellung aller jener Bestimmungen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. In dem bisher entschiedenem Fall 4 Ob 70-73/83 waren die Vor- und Nachteile einer anläßlich der Beendigung der Dienstverhältnisse getroffenen Vereinbarung gegenüberzustellen, einerseits die gesetzlich nicht vorgesehene sofortige Auszahlung aller bis zum Kündigungstermin fällig werdenden Entgelte und die sofortige Auszahlung der gesamten Abfertigung, auch soweit sie drei Monatsgehälter übersteigt, und andererseits der Verzicht auf die im nächsten Monat eintretende Ist-Lohnerhöhung um 5,5 %. Der Oberste Gerichtshof kam dort völlig zurecht zum Ergebnis, daß wegen des - damals - hohen Zinsniveaus die sofortige Auszahlung des gesamten noch offenen Betrages jedenfalls günstiger war als die gesetzlich vorgesehene Auszahlung in Raten unter Inanspruchnahme der erhöhten Ist-Löhne.

Im Ergebnis - wenn auch nicht im Begründungsweg - kann aber der zitierten Vorentscheidung auch in seinem obiter dictum-Teil gefolgt werden, die eine Fallkonstellation wie die vorliegende im Auge hatte.

Die Streitteile vereinbarten im vorliegenden Fall bereits bei Abschluß des Arbeitsvertrages, der eine überkollektivvertragliche Entlohnung um ca 40 % vorsah, daß der überkollektivvertragliche Entlohnungsteil auf allfällige gesetzliche und/oder kollektivvertragliche Erhöhungen angerechnet werden sollte. Eine solche Lohnvereinbarung stellt - wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - gesamt betrachtet keinen Verzicht auf die zwingend zu gewährende Ist-Lohnerhöhung dar, sondern in Wahrheit eine vom Arbeitgeber bei Vertragsabschluß freiwillig vorweg gewährte Lohnerhöhung, die sich stufenweise in den gesetzlichen Mindestlohn einschleifen sollte. Die Lohnvereinbarung ist nämlich in ihrer Gesamtheit dem Mindestlohn und dessen jährlichen Erhöhungen gegenüberzustellen. Hiebei erweist sie sich jedenfalls als günstiger, als wenn der Arbeitnehmer nur zum Mindestlohn beschäftigt worden wäre und jährlich einen Anspruch auf eine Erhöhung dieses Mindestlohns laut Kollektivvertrag hätte.

Es gibt keine arbeitsrechtliche Bestimmung, die den Arbeitgeber daran hindern würde, das Ausmaß der Begünstigung frei zu bestimmen und ihn etwa vor die Wahl stellte, dem Arbeitnehmer entweder nur das kollektivvertragliche Mindestgehalt oder ein höheres Gehalt zu zahlen, das überhaupt nicht (oder zumindest nur in sehr eingeschränktem Maß) auf künftige kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen angerechnet werden dürfte. Dem Arbeitgeber muß es grundsätzlich auch offenstehen, mit seinen Arbeitnehmern begünstigende Mittellösungen zu vereinbaren. Dabei handelt es sich niemals um einen Verzicht auf die künftigen Rechte des Arbeitnehmers, sondern immer um die Ausweitung seiner Rechte gegenüber dem ihm zugewährenden Mindestlohn, zumindest durch zeitliche Vorverlagerung einer Gehaltserhöhung.

Wenn auch bei einer Gesamtbetrachtung die anläßlich des Abschlusses eines Dienstvertrages getroffene Vereinbarung eines über dem kollektivvertraglichen Mindestlohn liegenden Entgelts unter gleichzeitiger Vereinbarung einer Aufsaugungsklausel sich rein rechnerisch stets günstiger erweist, als wenn von vorneherein nur der Mindestlohn laut Kollektivvertrag vereinbart worden wäre, darf doch nicht übersehen werden, daß nach § 3 Abs 2 ArbVG nur jene Bestimmungen gegenüberzustellen sind, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; hiebei ist auch der objektive Zweck der Norm (vgl zB 9 ObA 115/88 = ZAS 1989, 87 [Holzer] = WBl 1989, 25) zu berücksichtigen. Der sozialpolitische Zweck der Ist-Lohnerhöhung besteht darin, daß dem Arbeitnehmer die Kaufkraft des individuell vereinbarten Lohnes gesichert und er am Produktivitätszuwachs beteiligt werden soll, ohne darüber mit seinem Arbeitgeber individuell verhandeln zu müssen. Es liegt auf der Hand, daß dieses Ziel umso stärker beeinträchtigt wird, je länger die Fixierung des vereinbarten höheren Lohnes dauert und er dadurch von der automatischen Anpassung seines Lohnes an den realen Wert ausgeschlossen ist. Hieraus folgt, daß der privatautonomen Vereinbarung einer völlig unbeschränkten Anrechnungsklausel zeitliche Grenzen gesetzt sind.

Bei einem erheblich über den Mindestlohn liegenden Entgelt erscheint die vorweggenommene privatautonome Vereinbarung der Einrechnung auch mehr als nur einer Ist-Lohnerhöhung etwa im Sinne Schranks (Arbeits- und Sozialversicherungsrecht aaO), der die Vorwegnahme der nächsten 2 - 3 Ist-Lohnerhöhungen zulassen will, zutreffend.

Im vorliegenden Fall trafen die Vertragspartner eine erheblich, und zwar 40 % über den Mindestlohn liegende Lohnvereinbarung unter einer zeitlich unbeschränkten Anrechnungsklausel. Im Hinblick darauf, daß das Dienstverhältnis aber nicht einmal ganz drei Jahre dauerte und nur drei Ist-Lohnerhöhungen, die einzurechnen sind, zur Debatte stehen, ist die vorweggenommene Einrechnungsvereinbarung, soweit sie hier schlagend wird, als zulässig anzusehen, zumal die Klägerin nicht einmal behauptet hat, daß dadurch ihre Entlohnung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter das betriebsübliche - überkollektivvertragliche- Bezahlung gesunken sei.

Der Revision der Klägerin muß daher zur Gänze ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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