JudikaturJustiz8Ob645/88

8Ob645/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Oktober 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Heinz L***, Betriebsberater, 1130 Wien, Kopfgasse 5/2, vertreten durch Dr.Werner Hetsch und Dr.Werner Paulinz, Rechtsanwälte in Tulln, wider die beklagte Partei mj.Gerlinde H***, geboren am 28.März 1987, 1232 Wien, Baslergasse 68-84/31/12, vertreten durch Dr.Karl Zach, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der unehelichen Vaterschaft infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 12.Juli 1988, GZ 47 R 2046/88-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 31.März 1988, GZ 1 C 31/87-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger anerkannte in der am 29.Mai 1987 beim Bezirksgericht Liesing aufgenommenen Niederschrift die Vaterschaft zur beklagten Partei, nämlich der am 28.März 1987 durch Martha B*** geborenen mj.Gerlinde H*** (1 P 98/87-5). Infolge des von der Mutter erhobenen Widerspruches gegen dieses Anerkenntnis wurde dasselbe mit Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 8.Oktober 1987 für rechtsunwirksam erklärt (1 P 98/87-13).

Der Kläger stützte die sodann eingebrachte Klage auf Feststellung seiner Vaterschaft zur mj.Gerlinde H*** darauf, er habe innerhalb der vom 30.Mai 1986 bis 29.September 1986 währenden gesetzlichen Vermutungsfrist der Mutter der Beklagten beigewohnt. Er sei der Vater der Beklagten.

Die durch einen besonderen Kurator vertretene Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen kostenpflichtige Abweisung. Sie brachte vor, der Kläger sei nicht ihr leiblicher Vater. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Kläger und Martha B*** lernten einander am 27. Jänner 1985 kennen und nahmen Anfang Februar 1985 geschlechtliche Beziehungen auf. Der Kläger hielt sich häufig in der von Martha B*** benützten Wohnung auf und nächtigte auch dort. Er trennte sich von ihr nur kurzzeitig, und zwar in den Monaten Juli und November 1985 sowie März und April 1986. In der Zeit vom 30.Mai 1986 bis gegen Ende August 1986 übten der Kläger und Martha B*** drei- bis viermal wöchentlich Geschlechtsverkehr aus, wobei sie empfängnisverhütende Mittel oder Methoden nicht anwandten. Am 31. August 1986 verlief ein von Martha B*** durchgeführter Schwangerschaftstest positiv. Der am 4.September 1986 von ihr aufgesuchte Frauenarzt stellte eine Schwangerschaft fest und errechnete den Geburtstermin mit 14.April 1987. Bereits am 7. September 1986 kam es zwischen dem Kläger und Martha B*** zu Spannungen. Bei einem Besuch beider in der Wohnung der Mutter des Klägers am 8.September 1986 verhielt sich Martha B*** wortkarg. Infolge eines Mißverständnisses begab sich der Kläger an diesem Tag nicht in die Wohnung der Martha B***, sondern in seine eigene Wohnung. Am 12.September 1986 erklärte ihm Martha B*** telefonisch, er hätte sie verlassen und sie besitze kein Interesse mehr an der Fortführung der Beziehung. In der Zeit vom 30.März 1986 bis 29.September 1986 (gesetzliche Vermutungsfrist) unterhielt Martha B*** nur mit dem Kläger geschlechtliche Beziehungen. Das Geburtsgewicht der mj.Gerlinde H*** betrug 2,88 kg. Im Zuge der während ihrer ersten Lebenswoche durchgeführten Untersuchung wurde festgestellt, daß sie zu früh geboren wurde.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß infolge Fehlens von Anhaltspunkten dafür, daß während der gesetzlichen Vermutungsfrist ein anderer Mann als der Kläger mit der Mutter des beklagten Kindes geschlechtlich verkehrte, von der Vaterschaft des Klägers auszugehen sei.

Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Das Erstgericht hätte infolge des nach Art. V Z 4 und 5 UeKindG geltenden Untersuchungsgrundsatzes ein medizinisches Gutachten über die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Klägers von Amts wegen einholen müssen. Die Weigerung der als Zeugin vernommenen Martha B***, Fragen betreffend Geschlechtsverkehr mit dem Kläger oder einer anderen Person während der gesetzlichen Vermutungsfrist zu beantworten, hätte nur dann als gerechtfertigt erkannt werden dürfen, wenn sie über die Folgen ihrer Entschlagung entsprechend der Bestimmung des § 163 a ABGB belehrt worden wäre. Überdies gelte die gesetzliche Vermutungsfrist des § 163 Abs 1 ABGB nur zugunsten des Kindes. Ein Mann, der gegen den erklärten Willen der Mutter die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind in Anspruch nimmt, müsse diese nach allgemeinen Beweislastregeln erweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Da das Erstgericht auf Grund der aufgenommenen Beweise zur Feststellung kam, daß die Mutter des beklagten Kindes innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist nur mit dem Kläger Geschlechtsverkehr hatte, komme dieser allein als Vater in Betracht. Es habe daher keine Notwendigkeit zur Aufnahme weiterer Beweise bestanden. Über die Folgen ihrer Weigerung, gewisse Fragen zu beantworten, sei sie sowohl im Pflegschaftsverfahren als auch im Prozeß belehrt worden, mag auch dieser Umstand nicht protokolliert worden sein. Abgesehen davon genüge im Prozeß der Vorhalt des § 321 ZPO.

Das Berufungsgericht hielt die erstgerichtliche Beweiswürdigung für unbedenklich. Es gebe keine Beweisergebnisse, welche die Aussage des Klägers über seine geschlechtlichen Beziehungen zur Mutter der Beklagten bedenklich erscheinen ließen. Die Vermutungsfrist des § 163 Abs 1 ABGB gelte - entgegen der Ansicht der Beklagten - gegen und für jeden Mann, der der Mutter des Kindes innerhalb dieser Frist beiwohnte. Dem Wunsch der Mutter, eine Feststellung der Vaterschaft zu verhindern, trage das Gesetz nur insoweit Rechnung, als der Vormund seiner Pflicht zur Vaterschaftsfeststellung enthoben ist, wenn die Mutter die Bekanntgabe des Namens des Vaters verweigert. Dessen Recht, nach § 641 c ABGB die Feststellung der Vaterschaft im Klageweg zu erwirken, werde dadurch nicht beeinträchtigt. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es in klageabweisendem Sinn abzuändern, in eventu, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Kläger begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Rechtsfrage, ob die gesetzliche Vermutungsfrist des § 163 Abs 1 ABGB auch zugunsten eines die Feststellung der Vaterschaft begehrenden Mannes oder - wie die Beklagte meint - nur zugunsten eines klagenden Kindes gilt (wofür der Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung aber keinen Anhaltspunkt bietet), ist in dem hier zu beurteilenden Rechtsfall nicht von entscheidender Bedeutung. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist nämlich erwiesen, daß die Mutter der Beklagten während der für die Zeugung des Kindes überhaupt in Betracht kommenden Zeit mit keinem anderen Mann auf eine zur Zeugung des Kindes geeignete Weise verkehrte. Dadurch ist der Nachweis der Vaterschaft des Klägers unabhängig von der Vermutungsfrist erbracht (EFSlg 17.409/9).

Wegen des im Abstammungsverfahren herrschenden Untersuchungsgrundsatzes darf zwar im Revisionsverfahren ein vom Berufungsgericht nicht für zutreffend erkannter Verfahrensmangel neuerlich geltend gemacht werden (ÖA 1981, 82 uva), wie es von der Beklagten bezüglich der Nichteinholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens über die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Klägers von Amts wegen geschieht. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens der Vorinstanzen ist aber nicht gegeben. Der Untersuchungsgrundsatz geht nämlich nicht soweit, daß sämtliche erdenklichen Beweise aufgenommen werden müßten. Seine Anwendung liegt vielmehr im pflichtgemäßen richterlichen Ermessen (EFSlg 26.736). Die Unterlassung amtswegiger Beweisaufnahmen ist daher nur insoweit revisibel, als die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens zur amtswegigen Wahrheitsforschung verkannt wurden (SZ 49/34, EFSlg 34.525), nicht aber im Hinblick darauf, ob die vorliegenden Beweisergebnisse für die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ausreichen oder ob noch Kontrollbeweise notwendig sind (3 Ob 544/80, 7 Ob 682/83 ua). Ein solcher Kontrollbeweis wäre aber die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens über die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Klägers bei der hier gegebenen Beweislage gewesen. Es wurde nämlich im ganzen Verfahren nichts konkret vorgebracht und es gibt in den Beweisergebnissen keine Anhaltspunkte, die auch nur im geringsten zu Zweifeln an der Vaterschaft des Klägers Anlaß geben könnten.

Da nach der Beurkundung des Erstrichters anläßlich der Vorlage der Berufung Martha B*** auch im Rahmen des Streitverfahrens eingehend über die möglichen Folgen über die Aussageverweigerung belehrt wurde, ist nicht weiter zu erörtern, ob die Unterlassung einer solchen Belehrung anläßlich ihrer Vernehmung als Zeugin überhaupt Folgen hätte und bejahendenfalls welche.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40 und 50 ZPO. Kosten für die Revisionsbeantwortung wurden nicht begehrt.

Rechtssätze
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