JudikaturJustiz8Ob54/15x

8Ob54/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** H*****, vertreten durch Urbanek Rudolph Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei R***** H*****, vertreten durch Mag. Alexander Lubich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Interesse 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Endurteil des Landesgerichts Korneuburg vom 16. Dezember 2014, GZ 21 R 237/14x 21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 6. Mai 2014, GZ 12 C 1649/13k 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Grundstücksnachbarn. Der Kläger ließ in Erfüllung eines zwischen den Streitteilen geschlossenen gerichtlichen Vergleichs eine Abgrenzungsmauer zum Grundstück des Beklagten errichten. Den Standort wählte er dabei so, dass die Mauer sich ca 5 bis 10 cm von der Grenze eingerückt zur Gänze auf seiner Liegenschaft befindet. Schon während der Rohbauphase errichtete der Beklagte seinerseits entlang dieser Mauer ein Hochbeet in Massivbauweise, das aufgrund der vom Kläger gewählten eingerückten Situierung der Mauer nun geringfügig in den Reststreifen des klägerischen Grundstücks ragt. Zwischen dem gemauerten Hochbeet und der klägerischen Grenzmauer befindet sich eine angestellte Dämmung aus einer Lage Styroporplatten.

Der Kläger begehrte zunächst, dem Beklagten die Entfernung des über die Grundstücksgrenze reichenden Teils des Hochbeets und die Unterlassung jeder Nutzung und Inanspruchnahme seiner Liegenschaft aufzutragen, in eventu die Unterlassung jedweder Nutzung bzw Inanspruchnahme der in seinem Alleineigentum stehenden Abgrenzungsmauer.

Das Hauptklagebegehren wurde mit Teilurteil des Berufungsgerichts vom 27. 2. 2014 (wegen schikanöser Rechtsverfolgung) abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom Kläger nicht angefochten und ist daher in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem im Revisionsverfahren gegenständlichen Endurteil wies das Erstgericht auch das Eventualbegehren ab. Die Kostenentscheidung behielt es gemäß § 52 Abs 1 ZPO vor. Es führte aus, die noch strittige Inanspruchnahme der Grenzmauer bestehe im Anstellen von Styroporplatten. Der geringfügige Störwert dieser Maßnahme lasse nicht nur das Haupt , sondern auch das Eventualbegehren unverhältnismäßig erscheinen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Über Antrag des Klägers erklärte es nachträglich die ordentliche Revision gemäß § 508 ZPO mit der Begründung für zulässig, dass der Kläger in erster Instanz dem Beklagten unredliche Bauführung vorgeworfen habe, was auch einen Schikanevorwurf beinhalte.

Zu der Rechtsfrage, ob ein (gemeint wohl: eine Klage gegen ein) als schikanös zu qualifizierendes Verhalten des Beklagten mit dem Einwand der schikanösen Rechtsausübung abgewehrt werden könne, bestehe noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts gemäß § 502 Abs 1 ZPO mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

1. Rechtsmissbrauch (Schikane) liegt nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet (Schikane im engeren Sinn), sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht und das Interesse des Rechtsausübenden an der Wiederherstellung des ehemaligen Zustands gegenüber den Interessen des Beklagten auf Belassung des gegenwärtigen Zustands völlig in den Hintergrund tritt (missbräuchliche Rechtsausübung; 1 Ob 168/12f; RIS Justiz RS0013207; RS0026265).

2. Dass der Kläger die Vorgangsweise des Beklagten ausschließlich bekämpft, um dem Beklagten zu schaden, wurde hier ausdrücklich als nicht feststellbar erachtet.

Zur Beurteilung, ob die Klageführung rechtsmissbräuchlich ist, bedarf es daher einer Abwägung der beiderseitigen Interessen. Dass bei einer derartigen Interessenabwägung dem Umstand, dass es dem Kläger um die Verteidigung seines Eigentumsrechts geht, erhebliches Gewicht zukommt, bedarf keiner Erörterung (vgl RIS Justiz RS0013203). Andererseits entspricht es aber der Rechtsprechung, dass auch die Verfolgung des Eigentumsrechts durch das Verbot missbräuchlicher Rechtsausübung beschränkt werden kann. Auch bei einem geringfügigen Grenzüberbau kann daher der Einwand des Rechtsmissbrauchs des Bauführers berechtigt sein, wenn eine Verhaltensweise des Grundnachbarn vorliegt, die weit überwiegend auf eine Schädigung des Bauführers abzielt, und wenn die Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte deutlich in den Hintergrund tritt (1 Ob 168/12f; RIS Justiz RS0115858).

3. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage ist in der Rechtsprechung bereits wiederholt beantwortet worden: Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass bei der Beurteilung des Einwands des Rechtsmissbrauchs der subjektiven Seite des Bauführers erhebliche Bedeutung zukommt, weshalb bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen einem allenfalls bewusst rechtswidrigem Verhalten beträchtliches Gewicht beigemessen werden muss (1 Ob 168/12f; 1 Ob 239/08s ua). Das enthebt aber nicht von der Notwendigkeit, im Einzelfall eine Abwägung der beiderseitigen Interessen durchzuführen.

4. Ob eine Rechtsausübung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, hängt wie der Revisionswerber selbst einräumt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RIS Justiz RS0013207 [T1]). Eine Einzelfallentscheidung ist aber für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler des Berufungsgerichts bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS Justiz RS0044088).

Diese Voraussetzung liegt nicht vor.

5. Der hier zu beurteilende Fall ist vor dem Hintergrund des bisherigen Verfahrensverlaufs und des im ersten Rechtsgang ergangenen, unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Urteils des Berufungsgerichts zu sehen.

Im Lichte der dargestellten Rechtslage ist dem Interesse des Eigentümers, die Räumung des vom Bauführer in Anspruch genommenen Grundstücksteils zu erwirken, bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen besonders zu gewichten. Gerade das auf diese Räumung gerichtete Hauptbegehren des Klägers wurde aber bereits im ersten Rechtsgang abgewiesen, ohne dass der Kläger dieses abweisende Urteil des Berufungsgerichts bekämpft hat.

Gegenstand des Eventualbegehrens ist nur mehr die nicht bereits vom Hauptbegehren umfasste Inanspruchnahme der Mauer des Klägers, die aber wie das Erstgericht unbekämpft festgestellt hat ausschließlich darin besteht, dass die Mauer als Stütze für die vom Beklagten zwischen dem Hochbeet und der Mauer angebrachten Styroporplatten dient, wobei ein wie immer gearteter Eingriff in die Substanz der Mauer (etwa durch Verschrauben) nicht einmal behauptet wurde.

Das (vom abgewiesenen Hauptbegehren nicht erfasste) Interesse an der Beseitigung dieser „Inanspruchnahme“ ist aber weitaus weniger gewichtig als das Interesse an der Räumung seines Grundstücksstreifens, das schon im ersten Rechtsgang (vom Kläger unbekämpft!) als nicht zur Rechtfertigung seiner Rechtsverfolgung ausreichend angesehen wurde.

Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der Vorinstanzen, dass die an der Abgrenzungsmauer angelehnten, von der Liegenschaft des Klägers aus nicht sichtbaren Styroporplatten keine objektiv nachvollziehbare Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers an der Mauer bewirken und sein Interesse an der Beseitigung dieses Zustands weitaus hinter das Interesse des Beklagten an seiner Belassung zurücktritt, nicht unvertretbar, ohne dass es weiterer Feststellungen über die subjektiven Überlegungen des Beklagten bedarf.

Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nicht vor.

6. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens obliegt wegen des erstinstanzlichen Kostenvorbehalts gemäß § 52 Abs 3 ZPO dem Erstgericht.