JudikaturJustiz8Ob333/65

8Ob333/65 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 1965

Kopf

SZ 38/202

Spruch

Der Unterhaltsanspruch der Gattin nach § 91 ABGB. besteht bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteiles

Entscheidung vom 23. November 1965, 8 Ob 333/65

I. Instanz: Bezirksgericht Bruck an der Mur; II. Instanz:

Kreisgericht Leoben

Text

Die Klägerin begehrt, den Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 600 S ab Klagetag zu verurteilen. Sie stützt ihr Begehren darauf, daß die Ehe der Streitteile noch aufrecht sei, weil das Urteil des Kreisgerichtes Leoben, mit dem diese Ehe geschieden wurde, noch nicht rechtskräftig sei

Das Erstgericht schloß sich dieser Auffassung an und verurteilte den Beklagten zur Unterhaltsleistung gemäß dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte vertritt die Rechtsansicht, daß der auf § 91 ABGB. beruhende Unterhaltsanspruch der Klägerin mit der Fällung des Urteils erster Instanz über die Scheidung der Ehe der Streitteile (d. i. mit dem Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 22. Februar 1965) erloschen sei. Diese Meinung findet im Gesetz keine Stütze.

Die materielle Rechtskraft eines Urteils knüpft an die formelle Rechtskraft an. Jene ist also durch diese bedingt. Formell rechtskräftig werden durch ordentliche Rechtsmittel anfechtbare Entscheidungen erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, wenn das vom Gesetzgeber eingeräumte Rechtsmittel nicht erhoben wurde, unanfechtbare Entscheidungen mit der Zustellung an die Prozeßparteien (Pollak, System des österreichischen Ziviiprozeßrechtes[2], S. 529 ff.). Das bedeutet, daß das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 22. Februar 1965 nicht mit seiner Fällung, sondern erst mit der Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofes vom 31. August 1965 rechtskräftig wurde.

Da die Ehe der Streitteile erst mit Rechtskraft des Urteils aufgelöst ist (§ 46 EheG.), stand der Klägerin im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz (am 4. August 1965) gegen den Beklagten der geltend gemachte, auf § 91 ABGB. gestützte Unterhaltsanspruch zu.

Es war daher der Revision nicht Folge zu geben.