JudikaturJustiz8Ob140/09k

8Ob140/09k – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter R*****, vertreten durch MMag. Dr. Friedrich Studentschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Margot S*****, vertreten durch Dr. Helmut Sommer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Wiederherstellung (Streitwert 21.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Juli 2009, GZ 5 R 94/09x-73, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. März 2009, GZ 50 Cg 95/04z 67, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der 1920 geborene Kläger war Alleineigentümer eines Wohnhauses, das er 1977 seiner Wirtschafterin schenkte. Dabei wurde vereinbart, dass dem Kläger ein unentgeltliches Wohnrecht in Räumen im Erdgeschoss des Hauses eingeräumt wird, jedoch kein Fruchtgenussrecht. Weiters wurde vereinbart, dass ihm die Wirtschafterin weiter den Haushalt im bisherigen Umfang führt und sich im Falle der Krankheit um Wartung und Pflege kümmert. Diese Verpflichtung sollte auch auf ihre Rechtsnachfolger übergehen.

Die Beklagte kaufte 1986 das Haus von der Wirtschafterin und lebte mit ihrem Lebensgefährten im ersten Stock. Der Kläger lehnte sie von Anbeginn an ab und machte ihr das Zusammenleben im Haus unerträglich. Er zeigt sie und ihren Lebensgefährten unberechtigt bei der Polizei an, beschimpfte sie, bedrohte sie mit einer Gaspistole und hielt Hunde im Haus, die dort ihre Notdurft verrichteten. Er ließ das Haus derart verschmutzen und verwahrlosen, dass es zu einer unerträglichen Geruchsbelästigung kam.

Der Kläger war ab 1998 besachwaltet und im Übrigen auch einkommens und vermögenslos, sodass es die Beklagte als unmöglich erachtete, gegen ihn gerichtlich vorzugehen. Sie entschloss sich 1999, das Haus zu verlassen. Ihr Lebensgefährte entleerte damals hinsichtlich der Wohneinheit der Beklagten die Wasserleitungen und sperrte das Wasser ab.

Der Kläger verhinderte in weiterer Folge durch Austauschen des Hauseingangsschlosses den Zugang der Beklagten zum Haus. Im Jänner 2002 kam es zu einem Wasserrohrbruch im ersten Stock, der zu einer großflächigen Beschädigung des gesamten Hauses führte. Dies war darauf zurückzuführen, dass entweder der Kläger selbst oder über seine Veranlassung eine dritte Person die Tür zur Wohnung der Beklagten im Obergeschoss aufbrach, an den Wasserleitungen manipulierte und die vom Lebensgefährten der Beklagten geschlossenen Absperrventile wieder öffnete. In weiterer Folge kam es deshalb neben den sonstigen vom Kläger verursachten Verschmutzungen und Verwahrlosungen des Hauses auch zu massiver Schimmelbildung. Die Wohnräumlichkeiten des Klägers wurden zwar von der Gemeinde gereinigt, waren danach jedoch immer wieder verwahrlost, sodass der auch schon stark inkontinente Kläger in verschiedenen Altenwohnheimen untergebracht wurde. Seit 2006 ist der Kläger in einem dieser Altenwohnheime sehr gut integriert, hat dort ein schönes Zimmer und wird gepflegt und versorgt. Würde der Kläger wieder in seinem Haus leben, würde er innerhalb kürzester Zeit verwahrlosen. Eine Pflege des Klägers durch die Beklagte wird von diesem strikt abgelehnt.

Die Beklagte ist Eigentümerin einer weiteren Liegenschaft, die sie aber zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses benötigt. Darüber hinaus hat sie kein Vermögen. Sie hat monatliche Darlehensrückzahlungen von 300 EUR zu leisten. Sie ist arbeitslos und bezieht ein Arbeitslosengeld von 26,40 EUR pro Tag. Die Wiederherstellung der vom Wohnrecht des Klägers umfassten Räumlichkeiten würde sich sehr umfangreich gestalten und einen Aufwand von 25.361 EUR verursachen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, den brauchbaren Zustand der Wohnung wiederherzustellen. Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, bringt er vor, dass es die Beklagte unterlassen habe, Vorkehrungen gegen die Frostschäden zu treffen. Ihn selbst treffe kein Verschulden am Wasserschaden. Die Beklagte sei nach dem von ihr übernommenen Vertrag, der Versorgungscharakter habe, zur Instandsetzung und Wiederherstellung verpflichtet. Die Einschränkung des letzten Satzes des § 508 ABGB komme nicht zur Anwendung.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass ihr das Betreten des Hauses ja gar nicht möglich gewesen sei. Auch habe sie der Kläger mehrmals gefährlich bedroht. Wegen seines gesundheitlichen Zustands sei es auch gar nicht im Interesse des Klägers, das Wohnrecht weiter auszuüben, da er nicht mehr allein wohnen könne.

Das Erstgericht wies das Wiederherstellungsbegehren des Klägers ab. Es liege ein Wohnungsgebrauchsrecht iSd § 508 ABGB vor, bei dem eine Instandhaltungspflicht des Eigentümers bestehe, soweit dies wirtschaftlich zumutbar sei. Es sei aber geradezu schikanös, wenn sich der Dienstbarkeitsberechtigte, der den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe, auf diese Instandhaltungspflicht berufe. Auch seien die finanziellen Verhältnisse der Beklagten dermaßen schlecht, dass ihr eine Wiederherstellung der Räume nicht zugemutet werden könne. Letztlich sei der Kläger aufgrund seines körperlichen und geistigen Zustands auch nicht mehr in der Lage, allein in dem Haus zu wohnen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Bei einem zu Versorgungszwecken eingeräumten Wohnungsgebrauchsrecht bestehe eine Instandhaltungsverpflichtung des Eigentümers bis zur Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Hier sei die Zumutbarkeit jedoch zu verneinen. Zudem sei § 508 letzter Satz ABGB anzuwenden, wonach den Teil der Wiederinstandsetzungskosten, der den dem Eigentümer verbleibenden Nutzen der dienstbaren Sache übersteige, der Dienstbarkeitsberechtigte selbst zu tragen habe, widrigenfalls er vom Gebrauch absehen müsse. Von den Wiederherstellungskosten von 25.361,76 EUR entfielen auf die Beklagte 17.523,34 EUR, 7.838,42 EUR hingegen als über den Nutzen der Beklagten hinausgehender Aufwand auf den Kläger. Der Kläger sei aber aufgrund seiner völligen Mittellosigkeit gar nicht in der Lage, sich an diesen Wiederherstellungskosten zu beteiligen. Hinzu komme, dass der Kläger das Wohnungsrecht gar nicht ausüben könne und er im Wohn und Pflegeheim bestens untergebracht sei.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da keine neuere Rechtsprechung zur Frage vorliege, unter welchen Voraussetzungen dem Eigentümer eines Hauses, das mit einem zu Versorgungszwecken eingeräumten Wohnungsrecht belastet ist, die Wiederherstellungspflicht allenfalls uneingeschränkt treffe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die Rechte aus dem einverleibten Wohnungsrecht. In dem der bücherlichen Einverleibung des Wohnungsrecht zugrunde gelegten Vertrag ist eindeutig klar gestellt, dass es sich dabei um ein Wohnungsgebrauchsrecht und nicht um ein Fruchtgenussrecht handelt, sodass sich die in diesem Zusammenhang bestehenden Abgrenzungsfragen nicht stellen (vgl dazu etwa Gusenleitner , Wiederaufbaupflicht im Rahmen eines dinglichen Wohnrechts des Wohngebäudes, wobl 2004, 105 ff; Koch in KBB 2 § 521 Rz 1; Hofmann in Rummel ABGB 3 § 521 Rz 1 f; Kiendel / Wendner in Schwimann ABGB 3 § 521 Rz 2) .

II. Da eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen nicht besteht, ist hier jener Inhalt der vereinbarten Servitut maßgeblich, der sich aus der Grundbuchseintragung und dem hinterlegten Schenkungsvertrag mit der Servitutsbestellung ergibt (RIS Justiz RS0112155 mwN zuletzt 1 Ob 144/07v).

III. § 508 ABGB bestimmt allgemein zu den Gebrauchsrechten, dass der Eigentümer „alle ordentlichen und außerordentlichen“ Lasten zu tragen und die Sache auf seine Kosten im guten Stand zu erhalten hat. „Nur wenn die Kosten denjenigen Nutzen übersteigen, der dem Eigentümer übrig bleibt“, muss zufolge des letzten Satzes des § 508 ABGB der Berechtigte den Kostenüberschuss tragen oder vom Gebrauch abstehen. Nach ständiger Rechtsprechung muss aber der Eigentümer der dienstbaren Sache dann die Kosten der Instandhaltung ohne Einschränkung tragen, wenn es sich um ein zu Versorgungszwecken eingeräumtes Wohnrecht handelt und dies zur Erreichung des Zwecks der Dienstbarkeit erforderlich ist (RIS Justiz RS0011777 mwN; zuletzt 2 Ob 212/98k; vgl auch 5 Ob 290/66 = EvBl 1967/196; 6 Ob 716/83). Daran ist auch weiter festzuhalten. Da der gegenteiligen Meinung des Berufungsgerichts nicht zu folgen ist, bedarf es auch keiner Erörterung der geltend gemachten Mangelhaftigkeit im Zusammenhang mit den Annahmen des Berufungsgerichts zur mangelnden Fähigkeit des Klägers, die seiner Ansicht nach auf ihn entfallenden Aufwendungen zu tragen.

IV. Inwieweit diese Einschränkungen des § 508 ABGB hinsichtlich der anteiligen Kostenbeteiligungspflicht auch auf die Verpflichtungen zur „Wiederherstellung“ auszudehnen sind (vgl insoweit die unterschiedlichen Ansätze von Gusenleitner aaO, und Ganner, Wiederaufbaupflicht bei Zerstörung des Gebäudes im Rahmen eines dinglichen Wohnrechts, wobl 2003, 1 ff), bedarf aber hier schon deshalb keiner näheren Auseinandersetzung, weil nach ständiger Rechtsprechung die Verpflichtungen des Eigentümers auch bei einem zu Versorgungszwecken eingeräumten Wohnungsrecht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehen (RIS Justiz RS0011803 [T1]; zuletzt SZ 59/165; 7 Ob 594/90; Koch aaO, § 508 Rz 3; Hofmann aaO, § 508 Rz 2).

V. Bei der Prüfung, ob der Beklagten die Wiederherstellung der vom Wohnungsrecht umfassten Räume zumutbar ist, kann der Zweck der Versorgungsvereinbarung nicht außer Betracht bleiben und dementsprechend unter den gegebenen Umständen auch nicht die Tatsache, dass hier eine konkrete Versorgung des Klägers gar nicht erreicht werden könnte.

Stellt man nun die sehr erheblichen Aufwendungen, die zur Instandsetzung der Räume erforderlich sind, der schlechten wirtschaftliche Situation der Beklagten und der mangelnden Erreichbarkeit des Versorgungszwecks durch die Instandsetzung gegenüber, so erweist sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das die Verpflichtung der Beklagten zur Instandsetzung aus dem Grund der mangelnden Zumutbarkeit verneint hat, als zutreffend.

Insgesamt war daher der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

VI. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Beklagte hat keine Kosten verzeichnet.