JudikaturJustiz7Ob86/22f

7Ob86/22f – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin  Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* S*, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei A* SE, *, vertreten durch Mag. Martin Paar und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 5.313,13 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2021, GZ 22 R 276/21a 14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 8. Juni 2021, GZ 40 C 903/20z 11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger hat bei der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz Versicherung (ARB 2003) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:

„[...]

Artikel 6

Welche Leistungen erbringt der Versicherer?

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, übernimmt de r Versicherer im Falle seiner Leistungspflicht die ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Deckungsanspruches entstehenden Kosten gemäß Punkt 6., soweit sie für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig sind.

[...]

3. Notwendig sind die Kosten, wenn die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zweckentsprechend und nicht mutwillig ist und hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht.

[...]

6. Der Versicherer zahlt

6.1. die angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen inländischen Rechtsanwaltes bis zur Höhe des Rechtsanwaltstarifgesetzes oder, sofern dort die Entlohnung für anwaltliche Leistungen nicht geregelt ist, bis zur Höhe der Autonomen Honorarrichtlinien für Rechtsanwälte.

[...]

Artikel 8

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet

[...]

1.3. Kostenvorschreibungen, die ihm zugehen, vor ihrer Begleichung unverzüglich dem Versicherer zur Prüfung zu übermitteln;

1.4. alles zu vermeiden, was die Kosten unnötig erhöht oder die Kostenerstattung durch Dritte ganz oder teilweise verhindert;

[...]

2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehend genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.

[...]

Artikel 11

Wann können Versicherungsansprüche abgetreten oder verpfändet werden und wann gehen Ansprüche auf den Versicherer über?

[...]

2. Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Erstattung von Beträgen, die der Versicherer für ihn geleistet hat, gehen mit ihrer Entstehung auf den Versicherer über. Bereits an den Versicherungsnehmer zurückgezahlte Beträge sind dem Versicherer zu erstatten.

[...]“

[2] Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall durch einen Traktor Verletzungen. Die Beklagte erteilte ihm die Kostendeckung für die gerichtliche Durchsetzung seiner Schadenersatzansprüche gegen den Schädiger (Lenker und Halter des Traktors) und den Haftpflichtversicherer in zwei Zivilprozessen.

[3] Die Beklagte leistete im ersten vom Kläger geführten Zivilprozess an Pauschalgebühr und Sachverständigen Kostenvorschuss Zahlungen von insgesamt (richtig:) 6.904,90 EUR. Mit in Rechtskraft erwachsenem erstinstanzlichen Urteil in diesem Prozess wurden dem Kläger 61.706,13 EUR sA zugesprochen und die Prozessgegner zum Kostenersatz von 27.018,72 EUR (darin insbesondere 5.924,40 EUR Barauslagen) verpflichtet. Das Gericht sprach dem Kläger aus näher genannten Gründen nicht die Kosten (seines Rechtsvertreters) für drei Schriftsätze zu.

[4] Nachdem der Beklagten das erstinstanzliche Urteil übermittelt worden war, gab diese über entsprechendes Ersuchen des Klägers bekannt, dass sie die notwendigen Erfolgsaussichten als Deckungsvoraussetzung für einen Kostenrekurs nicht als gegeben ansehe. Für einen solchen Kostenrekurs könne daher keine Kostendeckung gewährt werden; die nicht zugesprochenen Kosten des Rechtsvertreters des Klägers seien auch nicht zu entschädigen, weil sie mit der Begründung des Gerichts „konform gehe“. Nach nochmaliger Darlegung des Rechtsvertreters des Klägers, warum die drei Schriftsätze doch zulässig und notwendig gewesen seien, antwortete die Beklagte, dass sie einen separaten Kostenrekurs nicht entschädigen werde, weil sie die Kostenentscheidung des Erstgerichts weiterhin als korrekt ansehe.

[5] Die Prozessgegner erfüllten ihre aus diesem Urteil resultierenden Zahlungsverpflichtungen von 93.420,19 EUR (inklusive Zinsen) und überwiesen diesen Betrag an den Rechtsvertreter des Klägers.

[6] Mit Schreiben vom 5. 2. 2020 rechnete der Rechtsvertreter des Klägers seine Leistungen gegenüber dem Kläger ab, darunter auch sein Honorar für die drei Schriftsätze, wies darauf hin, dass die Beklagte ihre Absicht bekundet habe, diese Leistungen nicht vollständig zu honorieren und übermittelte eine Gleichschrift dieses Schreibens samt Honorarabrechnung auch an die Beklagte. Diese wies den Rechtsvertreter des Klägers neuerlich darauf hin, dass sie die gerichtliche Kostenentscheidung für korrekt halte und daher keine weitere Zahlung leisten werde.

Rechtliche Beurteilung

[7] In weiterer Folge anerkannte der Kläger gegenüber seinem Rechtsvertreter dessen Forderung für die drei Schriftsätze in Höhe von 5.313,13 EUR und stimmte – ohne vorher mit der Beklagten Rücksprache zu halten – zu, dass sein Rechtsvertreter das Honorar von jenem Betrag, der diesem infolge der Erfüllung des Urteils überwiesen worden war, einbehält.

[8] Mit Schreiben vom 15. 4. 2020 forderte die Beklagte den Kläger auf, ihr die im ersten Schadenersatzprozess von der Gegenseite gezahlten Barauslagen zu refundieren. Mit Schreiben vom 13. 7. 2020 erklärte sie gegenüber dem Kläger, ihre offene Forderung mit der von ihm eingeforderten Pauschalgebühr von 1.459 EUR für das zweite zivilgerichtliche Verfahren aufzurechnen. Mit Schreiben vom 29. 9. 2020 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, ihre offene Forderung von – rechnerisch richtig – 3.854,13 EUR mit dem von ihm begehrten Sachverständigen Kostenvorschuss von 4.000 EUR im zweiten Zivilprozess aufzurechnen. Während des anhängigen Rechtsstreits zahlte die Beklagte die offene Differenz von 145,87 EUR an den Kläger.

[9] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung der von ihm bereits gezahlten Pauschalgebühr und des Kostenvorschusses für die Sachverständigengebühren im zweiten Zivilprozess von 5.313,13 EUR sA. Die Beklagte habe zu Unrecht mit Forderungen auf Rückzahlung aus dem ersten Zivilprozess aufgerechnet. Er habe seinem Rechtsanwalt die Kosten für die im ersten Zivilprozess erstatteten drei Schriftsätze gezahlt, die ihm vom Prozessgericht nicht zugesprochen worden seien, und die deshalb von den unterlegenen Prozessgegnern nicht ersetzt worden seien. Diese Kosten müsse ihm die Beklagte unabhängig von § 41 ZPO decken. Seinen Kostenerstattungsanspruch habe er bereits im März 2020 gegen den nun behaupteten Rückforderungsanspruch der Beklagten aufgerechnet, sodass dieser getilgt sei. Eine Obliegenheitsverletzung habe er nicht begangen, weil die Honorarnote an die Beklagte übersandt worden sei.

[10] Die Beklagte wendete ein, dass ihr aufgrund des mit ihrer Kostendeckung geführten ersten Zivilprozesses ein Anspruch auf Rückersatz der für den Kläger gezahlten Barauslagen (Pauschalgebühren und Sachverständigenkosten) von 5.924,40 EUR zustehe. Dieser Betrag sei dem Kläger mit erstinstanzlichem Urteil rechtskräftig zuerkannt und von den dort Beklagten an den Rechtsvertreter des Klägers gezahlt worden. Dieser Kostenersatzanspruch des Klägers sei gemäß § 67 Abs 1 erster Satz VersVG und Art 11.2. ARB 2003 durch Legalzession auf sie übergegangen. Daher habe sie zu Recht die Aufrechnung des Rückersatzanspruchs mit dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der Pauschalgebühr und des Sachverständigen Kostenvorschusses für den zweiten Zivilprozess erklärt. Die Klageforderung sei daher durch ihre wirksam erklärte Aufrechnung erloschen. Dem Kläger sei eine Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten anzulasten, weil er die Honorarforderung seines Rechtsvertreters ohne Rücksprache mit ihr anerkannt habe.

[11] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der beklagte Rechtsschutzversicherer habe nur notwendige Kosten zu finanzieren, die zur Rechtsverfolgung oder verteidigung zweckentsprechend seien und nicht mutwillig sein dürften, und es müsse eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehen. Zur Frage, welche Kosten des Klägers im ersten Zivilprozess zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, liege eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vor. Damit sei der Umfang der Leistungspflicht der Beklagten definiert. Der Kläger sei nicht berechtigt gewesen, der Beklagten den Rückzahlungsanspruch vorzuenthalten, sodass diese zu Recht die Aufrechnung mit den Forderungen des Klägers aus dem zweiten Zivilprozess erklärt habe.

[12] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Rechtlich führte es aus, der Kläger habe ohne Rücksprache mit der Beklagten das strittige (restliche) Honorar seines Rechtsvertreters aus eigenem bezahlt bzw seinen Rechtsanwalt ermächtigt, diesen Betrag aus der von den Prozessgegnern „überwiesenen Summe“ (ob aus dem Kapitalbetrag bleibe unklar) einzubehalten. Dem Kläger wäre „freigestellt gewesen“, die Kosten seines Rechtsvertreters nicht zu zahlen, allenfalls Deckung von der Beklagten für einen Honorarprozess zu verlangen. Dies habe er nicht getan. Würde der beklagte Rechtsschutzversicherer „zur Zahlung an den Versicherten verpflichtet sein, würde es im Ergebnis im Belieben des Klägers liegen, ob ein Teil eines Honorars vom Versicherer bezahlt wird oder nicht“.

[13] Das Berufungsgericht sprach über Zulassungsvorstellung des Klägers nachträglich aus, dass die Revision doch zulässig sei. Zur strittigen Frage, in welchem Umfang der Versicherer die Kosten des Rechtsanwalts zu tragen habe, wenn dem obsiegenden Versicherungsnehmer (zB aufgrund von Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis) nicht sämtliche von seinem Rechtsanwalt verzeichnete Kosten zugesprochen und in der Folge vom Gegner nicht ersetzt werden, liege keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor. Zudem liege zu der von ihm vertretenen Ansicht, dass der Versicherer, und nicht der Versicherungsnehmer, die Wahl habe, ob das Honorar des Rechtsanwalts gezahlt werde oder ob er alternativ Deckung für den Honorarprozess übernehme, keine einschlägige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vor.

[14] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung. Hilfsweise stellt der Kläger auch einen Aufhebungsantrag.

[15] Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

[16] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

[17] 1. Der Kläger begehrt die – unstrittig von ihm gezahlte – Pauschalgebühr und den Kostenvorschuss für die Sachverständigengebühren für den zweiten Schadenersatzprozess von gesamt 5.313,13 EUR, für den ihm die Beklagte auf der Grundlage des Rechtsschutzversicherungsvertrags Deckung gewährt hatte. Die Beklagte behauptet, die Klagsforderung sei erloschen, weil sie außergerichtlich mit ihren Schreiben vom 12. 7. 2020 und 29. 9. 2020 ihren Anspruch auf Rückersatz der im ersten Zivilprozess gezahlten Barauslagen, die dort letztlich von den Prozessgegnern ersetzt worden waren, aufgerechnet habe. Dass die Beklagte insbesondere entsprechend Art 11.2. ARB 2003 einen Rückzahlungsanspruch für die von ihr im ersten Zivilprozess gezahlten Barauslagen gegenüber dem Kläger in der Höhe von 5.313,13 EUR hatte (vgl RS0081342; 3 Ob 305/02b mwN), ist im Revisionsverfahren nicht strittig.

[18] Maßgeblich für den Prozessausgang ist die Beurteilung, ob der Kläger, der seinem Rechtsvertreter die Kosten von 5.313,13 EUR für drei im ersten Schadenersatzprozess erstattete Schriftsätze, die vom erstinstanzlichen Prozessgericht rechtskräftig nicht zugesprochen worden waren, gezahlt hatte, seine allenfalls berechtigte Kostenersatzforderung – wie von ihm behauptet, wozu aber aufgrund der Rechtsansicht der Vorinstanzen Feststellungen fehlen – bereits im März 2020 gegen den genannten Rückforderungsanspruch der Beklagten aufgerechnet hat. Wäre dies der Fall, hätte die Beklagte mangels Bestehens ihrer Rückersatzforderung nicht mehr danach mit den klagsgegenständlichen Ansprüchen des Klägers aufrechnen können, wäre doch ihr Rückzahlungsanspruch bereits zuvor durch Aufrechnung mit der Forderung des Klägers erloschen.

[19] 2.1. Bei der Rechtsschutzversicherung sorgt der Versicherer für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers in den im Vertrag umschriebenen Bereichen und trägt die dem Versicherungsnehmer dabei entstehenden Kosten (§ 158j Abs 1 erster Satz VersVG). Die Rechtsschutzversicherung ist eine passive Schadensversicherung (RS0127808).

[20] 2.2. Die Rechtsschutzversicherung schützt den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva). Sie bietet Versicherungsschutz gegen die Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten (7 Ob 215/11k mwN). Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung besteht in der Kostentragung (RS0081895 [T1]; § 158j Abs 1 VersVG) im Umfang der angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen inländischen Rechtsanwalts (7 Ob 123/20v). Beim aus der Rechtsschutzversicherung resultierenden Anspruch handelt es sich (zunächst) um einen Befreiungsanspruch, somit nicht (primär) um einen Geldanspruch. Wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger – wie hier – bereits selbst befriedigt hat, verwandelt sich sein ursprünglicher Befreiungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer (7 Ob 15/15d mwN; vgl Kronsteiner in Fenyves/Perner/Riedler , VersVG § 158 Rz 7).

[21] 2.3. Sollten die Ausführungen des Berufungsgerichts dahin zu verstehen sein, dass der Kläger als Versicherungsnehmer vor der Ausübung des Wahlrechts des beklagten Versicherers im Rahmen der Freistellung von Anwaltskosten – Zahlung oder Deckung der für die Abwehr erforderlichen Kosten (vgl 7 Ob 143/20k mwN) – nicht berechtigt sei, die bereits fälligen Kosten seines Rechtsvertreters zu begleichen, wodurch ihm eine Obliegenheitsverletzung anzulasten sei, so trifft das nicht zu.

[22] Gleichzeitig mit der Übermittlung der Honorarnote des Rechtsvertreters an den Kläger erhielt auch die Beklagte mit Schreiben vom 5. 2. 2020 diese Honorarnote, beinhaltend das Honorar für die drei Schriftsätze, deren Kosten dem Kläger im Schadenersatzprozess nicht zugesprochen worden waren. Damit erfüllte der Kläger seine Verpflichtung nach Art 8.1.3. ARB 2003, nämlich die Kostenvorschreibungen, die ihm zugehen, vor ihrer Begleichung unverzüglich dem Versicherer zur Überprüfung zu übermitteln. In Reaktion darauf hielt die Beklagte fest, dass sie die gerichtliche Kostenentscheidung für korrekt halte und daher keinen weiteren Betrag zahle. Damit lehnte sie die Deckung der Kosten für die drei Schriftsätze ab. Sie gab dem Kläger nicht zu verstehen, dass er sich mit seinem Rechtsanwalt als Kostengläubiger auseinandersetzen solle und sie ihn als Versicherungsnehmer bei einer allfälligen gerichtlichen Inanspruchnahme durch eine Kostenübernahme unterstützen will. Wenn der Kläger – nach Ablehnung der Zahlung der Beklagten – die Honorarforderung seines Rechtsvertreters für die drei Schriftsätze von 5.313,13 EUR akzeptierte und zustimmte, dass dieser sein Honorar aus dem überwiesenen Betrag des ersten Schadenersatzprozesses entnimmt, ist ihm keine Obliegenheitsverletzung anzulasten.

[23] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts würde es durch die Zahlung auch nicht „im Belieben des Klägers liegen, ob ein Teil eines Honorars vom Versicherer bezahlt wird oder nicht“, stehen doch dem Rechtsschutzversicherer im Rahmen der Durchsetzung des behaupteten Kostenerstattungsanspruchs des Versicherungsnehmers alle Einwendungen zu.

[24] 3.1. Welche Leistungen der Versicherer erbringt und welche Kosten er bezahlt, regelt im Wesentlichen Art 6 ARB 2003. Demnach übernimmt – soweit hier relevant – der Versicherer Kosten, die notwendig sind, das sind die Kosten einer zweckentsprechenden und nicht mutwilligen Rechtsverfolgung, bei der hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht (Art 6.3. ARB 2003). Der Versicherer bezahlt die angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe des Rechtsanwaltstarifgesetzes oder, sofern dort die Entlohnung für anwaltliche Leistungen nicht geregelt ist, bis zur Höhe der Autonomen Honorarrichtlinien für Rechtsanwälte (Art 6.6.1. ARB 2003).

[25] Kosten, die dem Grunde oder der Höhe nach im Rechtsschutzversicherungsvertrag keine Deckung finden, sind vom Versicherer nicht zu tragen, es besteht diesbezüglich kein Befreiungsanspruch (vgl Ettinger , Das Dreiecksverhältnis in der Rechtsschutzversicherung [Versicherungsnehmer – Versicherer – Rechtsvertreter], VR 4/15, 26 [27]) und – sofern der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger selbst befriedigt – kein auf Geld gerichteter Kostenersatzanspruch gegen den Rechtsschutzversicherer.

[26] 3.2. Auch die nach Art 6.6.1. ARB 2003 zu ersetzenden angemessenen Rechtsanwaltskosten übernimmt die Beklagte nach Art 6.1. ARB 2003 nur soweit sie zur Wahrung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig waren.

[27] Bei der Prüfung, ob die Prozesskosten gemäß Art 6.3. ARB 2003 als notwendig anzusehen sind, können die zu § 41 ff ZPO entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Die Beurteilung, ob eine zweckentsprechende und nicht mutwillige Rechtsverfolgung vorliegt, bei der hinreichende Aussicht auf deren Erfolg besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab ( Ettinger in Garo/Kath/Kronsteiner , Erläuterungen zu den Musterbedingungen für die Rechtsschutzversicherung [ARB 2015], Art 6 ARB F2 038 f; vgl auch Kronsteiner/Lafenthaler/Soriat , Erläuterungen zu den Musterbedingungen für die Rechtsschutzversicherung [ARB 2007] [2008], 34). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen, dass der Versicherungsnehmer jedenfalls Anspruch auf Vergütung jener Kosten hat, die ihm im Falle eines Obsiegens vom Gegner zu ersetzen wären, weil der Zweck der Rechtsschutzversicherung im Wesentlichen darin liegt, das den Versicherungsnehmer treffende Kostenrisiko auf den Versicherer zu überwälzen (7 Ob 173/71 [zu ARB 1965] = RS0035808 = JBl 1973, 212).

[28] 3.3. Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht kann die im Schadenersatzprozess ergangene Entscheidung über den Prozesskostenersatz zwischen dem Kläger einerseits und dem beklagten Schädiger und dem Haftpflichtversicherer andererseits für die hier nach Maßgabe des Rechtsschutzversicherungsvertrags zu beurteilende Deckungspflicht der am Schadenersatzprozess nicht beteiligten Beklagten keine Bindungswirkung haben (7 Ob 96/20y).

[29] 3.4. Zur Beurteilung, ob für die drei Schriftsätze des Rechtsvertreters des Klägers, die vom Prozessgericht nicht honoriert worden sind und die der Kläger bezahlte, die Voraussetzungen für die Ersatzpflicht entsprechend Art 6.3. ARB 2003 erfüllt sind, fehlen Feststellungen. Das Erstgericht hat lediglich die rechtliche Beurteilung des Prozessgerichts im Schadenersatzprozess wiedergegeben, die jedoch ohne Feststellungen im Deckungsprozess nicht überprüfbar ist.

[30] 4. Für die Beurteilung, ob die drei Schriftsätze im ersten Schadenersatzprozess zweckentsprechend, nicht mutwillig waren und dafür eine hinreichende Aussicht auf Erfolg – jeweils im Rahmen einer ex ante Prüfung – bestand, wird das Erstgericht nach Erörterung mit den Parteien jene Feststellungen zu treffen haben, die notwendig sind, um diese Fragen klären zu können. Zudem wären bei Bestehen eines Kostenerstattungsanspruchs des Klägers für die drei Schriftsätze Feststellungen zu treffen, ob er – wie von ihm behauptet – bereits im März 2020 gegen den (unstrittigen) Rückforderungsanspruch der Beklagten aufgerechnet hat. Klarzustellen ist, dass schon mangels Erklärungswerts der Einbehalt des Honorars von jenem zugesprochenen Betrag, der seinem Rechtsvertreter überwiesen worden war, nicht diese behauptete Aufrechnung des Klägers sein kann.

[31] Zu diesem Zweck ist dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Zum behaupteten Verfahrensmangel braucht nicht mehr Stellung genommen werden.

[32] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.