JudikaturJustiz7Ob81/22w

7Ob81/22w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*, vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei D* AG *, vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 83.435,90 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Februar 2022, GZ 33 R 109/21y 30, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Juli 2021, GZ 48 Cg 29/19b 26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen .

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen gaben dem Begehren des Klägers (der im November 2018 – mangels Belehrung über sein Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG – seinen Rücktritt von zwei im Jahr 2001 mit dem beklagten Versicherer abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherungsverträgen erklärt hatte ) auf Rückzahlung der von ihm gezahlten Versicherungsprämien – einschließlich Abschluss- und Verwaltungskosten, abzüglich Risikokosten und Versicherungssteuer, zuzüglich Zinsen – statt; das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Frage der anspruchsmindernden Berücksichtigung von Abschlusskosten bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung zu.

[2] Die gänzliche Klagsabweisung beantragende Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung des Rechtsmittels kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[3] Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt dann nicht vor, wenn die aufgezeigte Frage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits beantwortet wurde (vgl RS0112921 [insb T5], RS0112769 [insb T9, T11, T12]).

[4] Der Fachsenat hat unlängst in mehreren Entscheidungen (jeweils vom 28. 4. 2022: 7 Ob 208/21w, 7 Ob 28/22a und 7 Ob 37/22z, jeweils mwN) trotz Kritik einzelner Stimmen des Schrifttums an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass der Versicherungsnehmer im Falle seines berechtigten Spätrücktritts Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten (Netto )Prämien (und nicht nur des Rückkaufswerts nach § 176 VersVG) hat, sowie, dass Fondsverluste und Verwaltungskosten den Rückzahlungsanspruch nicht schmälern. Weiters wurde in denselben Entscheidungen nunmehr klargestellt, dass auch sogenannten Abschlusskosten – etwa den Kosten eines vom Versicherer nach § 30 MaklerG nach Versicherungsabschluss honorierten Maklers – auf Seite des Versicherungsnehmers keine zuordenbare Bereicherung gegenübersteht und sie daher seine bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche nach berechtigtem (Spät )Rücktritt ebenfalls nicht schmälern.

[5] Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die von den dem Kläger zurückzuzahlenden Nettoprämien nur Risikokosten, nicht aber Fondsverluste, Verwaltungs oder Abschlusskosten (hier die Abschlussprovision eines Außendienstmitarbeiters der Beklagten) abgezogen haben, stehen mit dieser Rechtsprechung im Einklang.

[6] Von der Beklagten in diesem Zusammenhang behauptete Verfahrensmängel oder sekundäre Feststellungsmängel liegen nicht vor.

[7] Der Kläger h at seinen Rücktritt vor dem 1. 1. 2019 erklärt; schon deshalb stellen sich keine Fragen der Auslegung von durch BGBl I 2018/ 51 geänderten Bestimmungen des VersVG oder davon ausgehend des Unionsrechts.

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Dem Kläger stehen die Kosten seiner Revisionsbeantwortung jedenfalls zu (RS0112921 [T6]; vgl RS0123861). Mehr als die – auf Basis eines angeblichen Revisionsinteresses von 17.799,39 EUR rechnerisch richtig – verzeichneten Kosten waren jedoch nicht zuzusprechen.