JudikaturJustiz7Ob727/83

7Ob727/83 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 1983

Kopf

SZ 56/195

Spruch

Das Abhandlungsgericht kann einen Erben ohne Erbserklärung und ohne Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nur dann zur Ausstellung von Urkunden zur Durchführung von Rechtsgeschäften des Erblassers ermächtigen, wenn ein Verlassenschaftsverfahren nur auf Antrag durchzuführen wäre und die Erbenstellung des Antragstellers unbestritten ist

Dem möglichen Erben kommt Parteistellung und Rekurslegitimation auch ohne Erbserklärung zu, wenn zweifelhaft ist, ob überhaupt eine Verlassenschaftsabhandlung einzuleiten ist

OGH 15. 12. 1983, 7 Ob 727/83 (LGZ Graz 1 R 255/83; BGZ Graz 14 A 166/83).

Text

Die Liegenschaft EZ 350 KG P stand je zur Hälfte im Miteigentum des Leopold K und dessen Sohnes Otto K. Die Miteigentumsanteile waren ua. mit einem gegenseitigen Belastungs- und Veräußerungsverbot der Miteigentümer belastet. Leopold K übergab mit Vereinbarung vom 22. 11. 1963 seinen Hälfteanteil seiner Tochter Herta K. Eine grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechtes der Herta K erfolgte nicht. Die Vereinbarung vom 22. 11. 1963 wurde mit Zusatzvereinbarung vom 22. 6. 1979 insofern erweitert, als für den Fall des Ablebens der Herta K deren Ehemann Hans K an ihre Stelle treten sollte. Auf Grund eines in der Folge von Leopold K gegen den zweiten Hälfteeigentümer Otto K angestrengten Verfahrens auf Realteilung der Liegenschaft wurde diese in der Weise geteilt, daß Leopold K die Grundstücke 1069/2, 1070/2, 34/2, 48/1 und 48/2 und Otto K die Grundstücke 1070/1, 1053/1 und 797/2 zugewiesen wurden. Eine Verbücherung des Teilungsbeschlusses ist nach der Aktenlage noch nicht erfolgt.

Leopold K hinterließ eine letztwillige Verfügung vom 24. 12. 1982 zugunsten seiner Tochter und deren Ehemann Hans K. Otto K gab auf Grund des Gesetzes eine unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab.

Ausgehend davon, daß nach dem Ableben des Leopold K die Beschränkung seines Eigentumsrechtes durch das Veräußerungs- und Belastungsverbot gegenstandslos geworden sei, daß der in der Vertragsurkunde vom 22. 11. 1963 enthaltene Grundbuchstand mit dem sich nach der Durchführung der Realeinteilung ergebenden Grundbuchstand nicht übereinstimme und Herta und Hans K auf Grund der letztwilligen Verfügung des Erblassers die Verlassenschaft repräsentierten, unterfertigten diese den Notariatsakt vom 18. 5. 1983 auch für die Verlassenschaft, soweit dessen Inhalt die Verlassenschaft betrifft. Nach dem mit "Ergänzung der Vereinbarung vom 22. 11. 1963 samt Zusatz vom 22. 6. 1979" überschriebenen Punkt II des Notariatsaktes wird für die Verlassenschaft nach Leopold K die Erklärung abgegeben, daß sich das Übergabsobjekt in der Vereinbarung vom 22. 11. 1963 mit jenem Liegenschaftsanteil deckt, den Leopold K nach dem Ergebnis der Teilungsklage erhalten hat. Der Wille der Vertragsparteien hat sich auf die Leopold K zugewiesenen Grundstücke bezogen. Herta K ist als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Vaters in alle seine Rechte aus seinem bisherigen Miteigentum eingetreten. Sie hat die Liegenschaftsanteile bereits in ihren Besitz genommen, sodaß in der vorliegenden Urkunde lediglich die Anpassung an die neu geschaffenen Rechtsverhältnisse erforderlich ist. Nach Punkt III des Notariatsaktes schenkt Herta K ihrem Ehemann Hans K eine ideelle Hälfte der ihr gehörigen Grundstücke. Nach Punkt VIII erteilen die Parteien auch für die Verlassenschaft nach Leopold K die ausdrückliche Einwilligung, daß in der EZ 350 KG P nach Abschreibung der Grundstücke 1070/1, 1053/1 und 797/2 mit dem verbleibenden restlichen Gutsbestand das Eigentumsrecht für Herta K und Hans K einverleibt wird.

Herta K und Hans K beantragten die abhandlungsbehördliche Bestätigung, daß sie zur Unterfertigung des Notariatsaktes für die Verlassenschaft berechtigt sind.

Der Antrag wurde vom Erstgericht im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß vom Abhandlungsgericht eine Vereinbarung, die nicht Gegenstand der Abhandlung sei, nicht genehmigt werden könne.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß es den vorgenannten Antrag zurückwies. Fehlten zur Verbücherung eines Vertrages über eine bereits übergebene Liegenschaft noch Erklärungen des Erblassers, so sei zu deren Nachholung das Abhandlungsgericht zuständig. Im vorliegenden Falle seien die Rekurswerber zwar nach dem Testament vom 24. 12. 1982 als Erben berufen. Sie hätten jedoch bisher keine Erbserklärung abgegeben, weshalb sie den Nachlaß nicht repräsentieren könnten. Darüber hinaus liege eine unbedingte Erbserklärung des erblasserischen Sohnes Otto K vor. Eine Ergänzung der Vereinbarung vom 22. 11. 1963 stelle einen Vertrag zwischen der Verlassenschaft einerseits und Herta K und ihrem Ehemann andererseits dar, der zufolge der gegebenen Interessenkollision für die Verlassenschaft von einem Kurator unterfertigt werden müßte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Tochter des Erblassers und ihres Ehegatten teilweise Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der Entscheidung der zweiten Instanz handelt es sich entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerber nicht um eine bestätigende Entscheidung. Es liegt keine Konformatentscheidung vor, wenn die erste Instanz inhaltlich eine Sachentscheidung, die zweite Instanz dagegen eine verfahrensrechtliche Entscheidung fällte. Auf den Wortlaut des Spruches kommt es hiebei nicht an (vgl. EvBl. 1983/35; SZ 47/32; SZ 40/1). Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht den Antrag im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß keine Entscheidung vom Verlassenschaftsgericht zu treffen sei bzw. daß den Antragstellern keine Antragslegitimation zukomme. Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Antrag zurückgewiesen werde, bestätigt, jedoch aus der Erwägung, daß die Antragsteller mangels Erbserklärung den Nachlaß nicht vertreten könnten. Es liegen somit in Wahrheit difforme Entscheidungen vor. Da die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels dem Rechtsmittelwerber nicht zum Nachteil gereicht, ist der Revisionsrekurs als solcher nach § 14 AußStrG zu behandeln.

Den Rechtsmittelwerbern kommt, obwohl sie keine Erbserklärung abgegeben haben, dennoch Parteistellung und Rekurslegitimation zu, weil es zweifelhaft ist, ob überhaupt eine Verlassenschaftsabhandlung einzuleiten ist (vgl. EvBl. 1974/300; Welser in Rummel, ABGB, Rdz. 21 zu §§ 799, 800).

Grundsätzlich sind die erbserklärten Erben als Universalsukzessoren dazu berufen, dem Vertragspartner des Erblassers das Eigentum durch Übergabe oder bei Liegenschaften durch Herstellung einverleibungsfähiger Urkunden zu verschaffen (EvBl. 1975/75; vgl Schmelz, Die abhandlungsbehördliche Genehmigung von Grundbuchsurkunden, NZ 1959, 147, ff.). Vor der Einantwortung können sie hiebei nur als Vertreter der Verlassenschaft tätig werden. Dies setzt in der Regel voraus, daß ihnen gemäß § 145 AußStrG die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft überlassen wurde. Durch die Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft wird der Erbe Verwalter und Vertreter des Nachlasses unter der Aufsicht des Abhandlungsgerichtes. Seine Befugnisse sind jedoch weiter als die des bloßen Verlassenschaftskurators. Zu Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung bedarf der Erbe, soweit nicht § 145 AußStrG etwas anderes bestimmt, nicht der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes (EvBl. 1983/144 mwN). Ist nach § 72 Abs. 2 AußStrG eine Verlassenschaftsabhandlung nur auf Antrag durchzuführen, kann das Gericht die nach dem Inhalt der Todfallsaufnahme oder einer in gehöriger Form errichteten letztwilligen Anordnung zur Erbschaft Berufenen ermächtigen, die in den Nachlaß gehörigen Rechte geltend zu machen und auch über erhaltene Leistungen zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen. Diese Bestimmung bildet, wie die Rekurswerber zutreffend hervorheben, die Grundlage für eine abhandlungsbehördliche Ermächtigung der Erben zur Unterfertigung von Urkunden namens des Nachlasses auch ohne Erbserklärung und ohne Überlassung der Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft. Ebenso wie die Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft bei widerstreitenden Erbserklärungen keinem der erbserklärten Erben überlassen werden kann, kann auch eine Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG dem nach dem Inhalt einer letztwilligen Anordnung zur Erbschaft Berufenen dann nicht erteilt werden, wenn eine mit dieser Anordnung im Widerspruch stehende Erbserklärung eines gesetzlichen Erben vorliegt. Die Erteilung einer Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG setzt voraus, daß die Erbenstellung des nach dem Inhalt der Todfallsaufnahme oder der letztwilligen Anordnung Berufenen nicht strittig ist. Liegt eine Erbserklärung vor, ist jedoch nach dem Inhalt der Todfallsaufnahme ein Nachlaß nicht vorhanden oder dessen Vorhandensein ungewiß, ist die Einleitung der Verlassenschaftsabhandlung vom Nachweis eines Vermögens abhängig (NZ 1929, 168). Den erbserklärten Erben ist aber Gelegenheit zu geben, das Vorhandensein eines Vermögens darzutun. Grundsätzlich ist eine Abhandlung immer dann einzuleiten, wenn das Vorhandensein eines Vermögens von den Erben behauptet wird, sofern diese Behauptung nicht von vornherein als gänzlich unbegrundet angesehen werden muß (5 Ob 670/78). Kommt es dann zur Einleitung oder Fortsetzung eines Verlassenschaftsverfahrens, kommt eine Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG nicht in Betracht. Wird das Verlassenschaftsverfahren jedoch eingestellt und eine Erbserklärung rechtskräftig zurückgewiesen, steht einer Ermächtigung nach § 72 Abs. 2 AußStrG der nach dem Inhalt einer letztwilligen Verfügung Berufenen entgegen, daß ihre Stellung als Erben nach der auf Grund des Gesetzes abgegebenen Erbserklärung nicht unbestritten ist. Ein Streit über das Erbrecht ist jedoch im Prozeßweg auszutragen. Im vorliegenden Fall können sich die Rechtsmittelwerber auf eine widerspruchsfreie Stellung als Testamentserben nicht berufen.

Das Erstgericht hat daher im Ergebnis zutreffend den Antrag abgewiesen.