JudikaturJustiz7Ob7/02h

7Ob7/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmtraud T*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm und andere, Rechtsanwältinnen in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Benno T*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (nunmehr: restliche Kosten) aus Anlass des "Revisionsrekurses" der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als "Berufungsgericht" vom 22. Oktober 2001, GZ 13 R 153/01t-64, womit infolge "Berufung" der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Juni 2001, GZ 4 Cg 77/99v-60, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des "Revisionsrekurses" der beklagten Partei wird das Verfahren ab und einschließlich der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 25. 10. 2000, 13 R 133/00z-56, als nichtig aufgehoben und die als Kostenrekurs aufzufassende "Berufung" der klagenden Partei gegen das Urteil erster Instanz vom 2. 6. 2000, 4 Cg 77/99v-51, als verspätet zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit Euro 632,50 (hierin enthalten Euro 105,42 USt) bestimmten Kosten des für nicht erklärten Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 16. 4. 1998 rechtskräftig aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden.

Mit der am 25. 11. 1998 beim Bezirksgericht Donaustadt eingebrachten (und später an das nunmehrige Erstgericht überwiesenen) Klage begehrte die Klägerin zunächst die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 3.440,-- ab Oktober 1998. Mit Schriftsatz vom 20. 5. 1999 wurde dieses Begehren ausgedehnt auf monatlich S 3.800,-- vom 1. 10. 1998 bis 31. 3. 1999 sowie monatlich S 6.150,-- ab 1. 4. 1999; gleichzeitig wurde ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in gleicher Höhe gestellt (S 6.150,-- ab dem 1. 5. 1999), die in der Folge antragsgemäß erlassen und vom Rekursgericht bestätigt wurde.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 2. 5. 2000 schränkte die Klagevertreterin "das Klagebegehren aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin ab 1. 9. 1999 selber im Dienstverhältnis steht, auf Kostenersatz ein" (ON 50).

Mit Urteil vom 2. 6. 2000 verpflichtete das Erstgericht hierauf die klagende Partei zum Ersatz der mit S 41.589,30 bestimmten Prozesskosten. Dieses wurde der Vertreterin der klagenden Partei am Freitag, dem 7. 7. 2000, zugestellt, welche hiegegen am 4. 8. 2000 (Datum der Postaufgabe) "Berufung" wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens gemäß § 496 Abs 1 Z 1 ZPO erhob. Die beklagte Partei erstattete ihrerseits eine Rekurs-, in eventu Berufungsbeantwortung, in der sie primär den Antrag stellte, "den irrtümlich als Berufung bezeichneten Rekurs der Klägerin wegen Verspätung zurückzuweisen". Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der klagenden Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die Klägerin habe nicht bloß die Kostenentscheidung bekämpft, sondern eine Abänderung in der Hauptsache begehrt. Wegen Zweifelhaftigkeit des Umfanges der Klageeinschränkung hätte dies durch das Erstgericht erörtert werden müssen.

Im zweiten Rechtsgang führte die Klagevertreterin aus, dass sich ihre Klageeinschränkung ausschließlich auf den laufenden, pro futuro zustehenden Unterhalt, nicht jedoch auf den rückständig begehrten bezogen habe. Trotzdem blieb das eingeschränkte Klagebegehren "auf Kostenersatz" unverändert, worauf das Erstgericht neuerlich mit Urteil die klagende Partei zum Kostenersatz verpflichtete. Der hiegegen von der klagenden Partei abermals nur wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobenen "Berufung" gab das Oberlandesgericht Wien - diesmal als Berufungsgericht - erneut Folge, hob die bekämpfte Entscheidung abermals auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes liege nunmehr im zweiten Rechtsgang "ausreichend klar zutage, dass die klagende Partei ihr Begehren auf Unterhaltsleistung für die Vergangenheit und auf Kostenersatz eingeschränkt hat". Das Erstgericht werde daher im dritten Rechtsgang über dieses noch offene Klagebegehren nach Durchführung des Beweisverfahrens abzusprechen haben.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde gemäß § 519 Abs 2 ZPO für zulässig erklärt, "weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung abhing, zu welcher, soweit dies vom Berufungsgericht überblickt werden kann, bisher eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt, nämlich, ob die Anleitungspflicht gemäß § 182 ZPO auch Platz zu greifen hat, wenn bei einem zwar dem formalen Wortlaut nach klar erscheinenden Parteienantrag der innere Zusammenhang mit den weiteren Umständen des Falles und dem bisherigen Verfahrensverlauf jedoch einen dem äußeren Anschein widersprechenden Inhalt nahelegt".

Gegen diese Entscheidung wendet sich der auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte "Revisionsrekurs" der beklagten Partei mit dem Antrag, diese aufzuheben und dahin abzuändern, dass der Berufung der klagenden Partei keine Folge gegeben werde.

Die klagende Partei hat eine "Revisionsrekursbeantwortung" erstattet, in der der Antrag gestellt wird, dem Rechtsmittel des Gegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass der Vorlage dieses Rechtsmittels war von Amts wegen eine Nichtigkeit aufzugreifen, die vom Gericht zweiter Instanz schon im ersten Rechtsgang übersehen worden war.

Nach dem gemäß § 215 Abs 1 ZPO vollen Beweis liefernden Protokoll der Streitverhandlung vom 2. 5. 2000 schränkte die von Anfang an anwaltlich vertretene klagende Partei ihr Begehren ausdrücklich "auf Kostenersatz" ein (sollte ihre nunmehrige Argumentation - auch im zweiten Rechtsgang -, lediglich das für die Zukunft geforderte Unterhaltsbegehren gemeint zu haben, hätte es genügt, diesen Teil des vormaligen Gesamtklagebegehrens einzuschränken, das davor liegende jedoch weiterhin aufrecht zu erhalten, ohne gleichzeitig auf "Kostenersatz" einschränken zu müssen). Wird aber ein Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt, so ist zwar über das Begehren nach herrschender Rechtsprechung mit Urteil zu entscheiden (zuletzt 7 Ob 274/00w), dieses kann jedoch nur mit Rekurs nach § 55 ZPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0036080, RS0000020; 2 Ob 142/99t). Für diesen gilt eine Rekursfrist von 14 Tagen (Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu § 55; auch nach der Novelle BGBl I 2001/98 mit Ergänzung des § 521a Abs 1 ZPO um eine neue Z 4 zur Zweiseitigkeit nunmehr auch eines Kostenrekurses wurde die Notfrist hiefür weiterhin bei 14 Tagen belassen). Darüber hinaus sind Streitigkeiten über den (wie hier) aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt nach § 224 Abs 1 Z 4 ZPO Ferialsachen ex lege.

Daraus ergeben sich für den vorliegenden Fall folgende Konsequenzen:

Gegen das "Kosten"urteil des Erstgerichtes im ersten Rechtsgang hätte die klagende Partei nur einen Kostenrekurs binnen der gesetzlichen Notfrist von 14 Tagen erheben können; zufolge Zustellung am Freitag, den 7. 7. 2000, wäre der letzte Tag hiefür gemäß der Berechnungsregel des § 125 Abs 1 ZPO Freitag, der 21. 7. 2000, gewesen. Tatsächlich wurde das Rechtsmittel der "Berufung" am Freitag, den 4. 8. 2000, eingebracht. Das Rechtsmittel hätte daher vom Gericht zweiter Instanz als verspätet zurückgewiesen werden müssen, anstatt dieses meritorisch zu behandeln - dies umsomehr, als die beklagte Partei in ihrer (wenngleich nach damaliger Rechtslage unzulässigen) "Rekursbeantwortung" ausdrücklich auf diese Verspätung hingewiesen hatte, wobei die Argumentation des Gerichtes zweiter Instanz auch insoweit inkonsequent ist, als es zwar der "Berufung" der klagenden Partei Folge gab, im Kopf der Entscheidung sich jedoch selbst ausdrücklich als "Rekursgericht" bezeichnete. Dadurch, dass es statt dessen richtiger Weise die als Rekurs aufzufassende "Berufung" nicht zurückwies, missachtete es aber die inzwischen bereits eingetretene Rechtskraft der Entscheidung des Erstgerichtes (§ 411 Abs 2 ZPO), sodass das gesamte seither weitergeführte Verfahren wegen dieser von Amts wegen aufzugreifenden Nichtigkeit zu beheben war. Damit kommt es auch nicht mehr entscheidend darauf an, dass selbstredend auch im zweiten Rechtsgang die zweite Instanz abermals als Rekursgericht (und nicht, wie diesmal im Kopf benannt, "Berufungsgericht") im Kostenpunkt tätig wurde, sodass die Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO ohnedies nicht zur Anwendung kommen (RIS-Justiz RS0036079; 2 Ob 142/99t), sondern vielmehr der absolute Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 3 ZPO zum Tragen kommt (2 Ob 142/99t) und damit (auch) der gesetzte Rechtskraftvorbehalt rechtlich verfehlt ausgesprochen wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Fortsetzung der von der Nichtigkeitsaufhebung betroffenen Verfahrensteile ist ausschließlich der klagenden Partei anzulasten, weshalb sie dem Beklagten, der auf diesen Umstand bereits in seiner (wenngleich aus denselben obigen Verfahrensgrundsätzen an sich unzulässigen) "Rekursbeantwortung" (ON 54) ausdrücklich hingewiesen hatte, dessen tarifmäßige Kosten - allerdings nur auf Basis des Nebengebührenstreitwertes von S 10.000,-- nach § 12 Abs 4 lit b RATG - zu ersetzen hat (§§ 41, 50 ZPO). Dies gilt auch für den an sich (trotz Zulassung durch das Gericht zweiter Instanz) absolut unzulässigen "Revisionsrekurs", weil ohne diesen dieser Nichtigkeitsgrund nicht aufgegriffen hätte werden können, vielmehr durch die mehrfache rechtliche Falschbeurteilung des Gerichtes zweiter Instanz sogar noch weitere Prozesskosten im dritten Rechtsgang aufgelaufen wären.