JudikaturJustiz7Ob626/84

7Ob626/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. September 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 22. Dezember 1983 verstorbenen Rosina T*****, infolge Revisionsrekurses des Witwers Karl T*****, vertreten durch Dr. Haymo Richter, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juni 1984, GZ 44 R 150/84 23, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 24. Mai 1984, GZ 6 A 1157/83 20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht den Beschluss des Erstrichters, womit dem Gerichtskommissär die Errichtung des Inventars und die Ergänzung der Todfallsaufnahme bezüglich der minderjährigen Substituionserben Erich und Natascha H***** unter Abweisung des Antrags des Witwers auf Unterlassung der Errichtung eines Inventars aufgetragen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Witwers ist unzulässig, weil die iSd § 16 Abs 1 AußStrG geltend gemachten Rekursgründe nicht vorliegen.

In ihrem Testament vom 5. 6. 1982 vermachte die Erblasserin ihr gesamtes Vermögen ... ihrem Mann (dem Rekurswerber) mit dem „Wunsch“, dass er den von ihr ererbten Nachlass nach seinem Ableben der gemeinsamen leiblichen Tochter Brigitte T*****, verehelichte H*****, weitergibt, und im Fall deren Ablebens „nur unsere Enkelkinder Erich H***** und Natascha H***** Anspruch auf das Erbe“ haben. Die Vorinstanzen werteten ungeachtet der zugunsten des Testamentserben bestehenden Zweifelsregel die in die Form eines Wunsches gekleidete Verfügung zugunsten der erblasserischen Tochter und der Enkelkinder, unter anderem wegen der Verwendung der Worte „nur“ und „Anspruch auf das Erbe“, als Anordnung einer fideikommissarischen Substitution. Mangels einer gesetzmäßigen Entschlagung der noch minderjährigen Enkelkinder müsse gemäß § 92 Abs 2 Z 1 und 3 AußStrG ein Inventar errichtet werden.

Der Rekurswerber hält demgegenüber an seiner Rechtsansicht fest, dass zumindest Zweifel am Willen der Erblasserin bestünden, die nach § 614 ABGB die Auslegung des Testaments zu seinen Gunsten erforderten. Die Wertung eines Wunsches als verbindliche Substitution sei geradezu aktenwidrig.

Von der geltend gemachten Aktenwidrigkeit kann keine Rede sein. Das Rekursgericht ist vom unbestrittenen Wortlaut des Testaments ausgegangen und hat bloß im Wege der rechtlichen Beurteilung diese Erklärung ausgelegt. Eine unzulässige Abweichung vom Akteninhalt liegt demnach nicht vor.

Mit Rücksicht auf die Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Rekursgericht kann die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung des letzten Willens nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit iSd § 16 AußStrG angefochten werden. Eine solche qualifizierte Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (SZ 39/103 uva). Im gleichen Sinn genügt es für die Anfechtung der Auslegung einer Erklärung des letzten Willens nicht, Argumente vorzutragen, die für eine andere (wahrscheinlichere) Auslegungsmöglichkeit sprechen; der Rekurswerber müsste vielmehr dartun, dass die vom Rekursgericht vorgenommene Auslegung gesetzlichen Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar ist (NZ 1967, 90 ua). Allerdings hat der Oberste Gerichtshof die Auslegungsregel des § 614 ABGB, wonach eine zweifelhaft ausgedrückte Substitution auf eine solche Art auszulegen ist, wodurch die Freiheit des Erben, über das Eigentum zu verfügen, am mindesten eingeschränkt wird, auch zur Lösung der Vorfrage herangezogen, ob der Erblasser überhaupt eine Substitution verfügen wollte (SZ 25/85 ua). Der Oberste Gerichtshof hat aber ebenso wiederholt ausgesprochen, dass für eine fideikommissarische Substitution die Verwendung der Befehlsform durch den Erblasser nicht nötig ist (EvBl 1964/423 ua). Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung hat sich immer am subjektiven Willen des Erblassers zu orientieren ( Welser in Rummel , ABGB, Rdz 7 zu §§ 552 f; NZ 1979, 174 ua). Dabei stellt die letztwillige Verfügung nicht die einzige Quelle der Auslegung des Willens des Erblassers dar, sondern es sich auch außerhalb der Anordnung liegende Umstände aller Art zu berücksichtigen ( Welser aaO Rdz 8, Koziol Welser , Grundriss 6 II 271, SZ 25/203 ua, zuletzt 1 Ob 561/84), wenngleich die Auslegung stets Anhaltspunkte im Wortlaut der letztwilligen Verfügung finden muss (SZ 38/221 ua).

Bei dieser Rechtslage kann von der Verletzung einer eindeutigen Gesetzesvorschrift selbst dann keine Rede sein, wenn die anzuwendende Bestimmung des § 614 ABGB eine Zweifelsregel enthält. Abgesehen davon, dass andere Erkenntnisquellen als die schriftliche letztwillige Verfügung bisher nicht herangezogen wurden, hat die Annahme der Vorinstanzen, dass sich aus der Verwendung bestimmter Worte der Bindungswille der Erblasserin in Richtung einer Nacherbschaft ergebe, so viel für sich, dass eine eindeutige Verletzung auch nur der Zweifelsregel nicht erkennbar ist.

Der Rekurswerber ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die strittige Frage, ob eine letztwillige Erklärung als Anordnung einer Nacherbschaft oder bloß als unverbindlicher Wunsch zu beurteilen ist, letztlich nur auf dem Rechtswege geklärt werden kann ( Welser aaO, Rdz 3 zu § 608, EvBl 1980/60 ua).

Dass bei (voräufiger) Annahme der Verfügung einer Nacherbschaft wegen der Minderjährigkeit der hiezu berufenen Enkelkinder der Erblasserin die strittige Errichtung des Inventars vom Gesetz geboten ist, stellt der Rekurswerber nicht mehr in Abrede.