JudikaturJustiz7Ob47/04v

7Ob47/04v – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas M*****, vertreten durch Dr. Heinz Kalss und Dr. Christian Branczik, Rechtsanwälte in Bad Aussee, gegen die beklagte Partei Heimo S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Griesshofer, Rechtsanwalt in Bad Aussee, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 5.800), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 12. November 2003, GZ 1 R 251/03a-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Aussee vom 31. März 2003, GZ 2 C 36/03k-8, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Wie sich aus dem offenen Grundbuch ergibt, ist der Kläger Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, GB *****. Zu A 2-LNR 3a war die Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens ua hinsichtlich des Grundstücks 1358/1 (GZ 3.1 P 35/94) ersichtlich gemacht. Die Ersichtlichmachung im Grundbuch bestand im Zeitpunkt der Klagseinbringung und im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichtes. Das Grundbuchsgericht verfügte aufgrund einer Mitteilung der Agrarbezirksbehörde für S***** zu GZ 3.1.P 35/17-2003 am 12.12.2003 die Löschung der Ersichtlichmachung dieser Einleitung.

Der Kläger begehrte zuletzt, den Beklagten schuldig zu erkennen, jedwedes Befahren des zu seiner Liegenschaft EZ *****, GB ***** gehörenden Grundstücks 1358/1, im eigenen Namen zu unterlassen. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, dass über das Grundstück der sogenannte Panoramaweg "H*****" bzw "G*****", der lediglich von Fußgängern benützt werden dürfe, führe. Der Beklagte befahre dieses Grundstück jedoch schon seit mehr als einem Jahr ohne Berechtigung immer wieder mit seinem PKW und seinem Motorrad und sei trotz mehrfacher Aufforderung nicht bereit, dieses widerrechtliche Handeln zu unterlassen.

Der Beklagte wandte die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstückes sei ein Flurbereinigungsverfahren anhängig, weshalb für den geltend gemachten Anspruch ausschließlich die Agrarbezirksbehörde zuständig sei. Der Beklagte beantragte zunächst die Klagsabweisung. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 31. März 2003 "anerkannte" der Beklagte das Klagebegehren, beantragte jedoch Kostenzuspruch gemäß § 45 ZPO.

Das Erstgericht fällte antragsgemäß ein klagsstattgebendes "Anerkenntnisurteil".

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Verfahren ab Klagszustellung als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass das angefochtene Urteil mit einem Nichtigkeitsgrund behaftet sei, da der Rechtsweg aufgrund des anhängigen Flurbereinigungsverfahrens nicht zulässig sei. Über den geltend gemachten Anspruch habe die Agrarbehörde zu entscheiden. Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen, in eventu dem Beklagten den Ersatz der Kosten des Rekurses aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, da die Klage vom Berufungsgericht aus formellen Gründen ohne Sachentscheidung zurückgewiesen wurde (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), er ist aber nicht berechtigt.

Einleitend ist nochmals hervorzuheben, dass die Löschung der Ersichtlichmachung der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens auf Grund der Verständigung der Agrarbezirksbehörde vom 9. 12. 2003 erst mit Beschluss des Grundbuchsgerichts vom 12. 12. 2003, sohin insgesamt nach Beschlussfassung durch das Rekursgericht, erfolgte. Es ist zwar richtig, dass Tatsachen und Beweismittel, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmende Umstände, wie Prozeßvoraussetzungen, betreffen, nicht dem Neuerungsverbot unterliegen (Kodek in Rechberger2, § 482 ZPO, Rz 3; Böhm in JBl 1988, 386 [389]; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1731). Gemäß § 42 Abs 1 JN ist jedoch nur auf jene Tatsachen von Amts wegen Bedacht zu nehmen, aus denen der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit oder der Unzulässigkeit des Rechtsweges hervorgeht. Für das (positive) Vorliegen dieser Prozessvoraussetzung fehlt hingegen trotz gegenteiliger Lehrmeinungen (Mayr, Die Reform des internationalen Zivilprozessrechts in Österreich, 144 [158], Böhm aaO und derselbe ecolex 1992, 20; Simotta in Fasching2 I, §76 JN, Rz

31) eine entsprechende Vorschrift, weshalb Tatsachen, die im Rekurs gegen eine a limine-Zurückweisung der Klage zum Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit vorgebracht werden, dem Neuerungsverbot

unterliegen (zur inländischen Gerichtsbarkeit: 3 Ob 1533/95=ZfVR

1995/48; 5 Ob 1529/95=ZfRV 1996/1=RZ 1996/25; 6 Ob 78/97g = ZfVR

1997/60; RIS-Justiz RS0053062). Auf die allfällig nunmehr rechtskräftig erfolgte Löschung der Ersichtlichmachung ist daher nicht Bedacht zu nehmen. Der Vollständigkeithalber sei auch erwähnt, dass die Agrarbezirksbehörde für Februar 2004 ohnedies trotzdem eine weitere mündliche Verhandlung ausgeschrieben hat, wie sich aus dem Akt ergibt.

Bereits das Berufungsgericht hat die Rechtslage demnach richtig erkannt, sodass auf seine Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach § 1 JN wird die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit dieselbe nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen werden, durch die ordentlichen Gerichte ausgeübt. Es bildet keinen Streitpunkt, dass es sich beim vorliegenden Rechtsstreit um eine bürgerliche Rechtssache handelt, wird doch die Unterlassung des Befahrens eines Grundstückes begehrt. Zu prüfen bleibt, ob Rechtssachen dieser Art ausdrücklich - eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde in bürgerlichen Rechtssachen normieren, ist unzulässig - vom Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde zur Entscheidung übertragen sind. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 3798/1960, VfSlg 5747/1968, K I-13/97 ua) ausgesprochen, dass es sich bei den auf § 34 Abs 4 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 (FlVGG) beruhenden landesgesetzlichen Vorschriften (ua auch § 50 Stmk Flurzusammenlegungsgesetz - StZLG) um Sonderbestimmungen handelt, mit denen der Gesetzgeber beabsichtigte, das Zusammenlegungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen (6 Ob 140/99b, 6 Ob 190/98d, 4 Ob 11/01y je mwN). Die Gerichte wären auch kaum in der Lage, verlässlich zu beurteilen, ob die Lösung eines einzelnen Rechtsstreites eine Voraussetzung für die Durchführung der Zusammenlegung bildet und dies demnach der Agrarbehörde überlassen werden muss oder nicht. Hintergrund dieses die Zuständigkeit der Zivilgerichte einschränkenden, vom Verfassungsgerichtshof gebilligten Prinzips der Kompetenzkonzentration ist, dass sich bei der Durchführung von Bodenreformmaßnahmen die Notwendigkeit ergibt, die damit betrauten Behörden mit einer konzentrierten Entscheidungsbefugnis auszustatten, da Vorschriften sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechts zur Anwendung kommen, die sonst in die Zuständigkeit verschiedener Verwaltungsbehörden und Gerichte fielen (4 Ob 11/01y, 6 Ob 190/98d, 6 Ob 140/99b, RIS-Justiz RS0058985). Nach § 50 Abs 2 StZLG 1982 erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung eines Verfahrens bis zu dessen Abschluss, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zur Durchführung der Zusammenlegung (Flurbereinigung) in die agrarische Operation einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraums ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit derjenigen Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich die Angelegenheit sonst gehört. Gemäß § 50 Abs 3 StZLG 1982 erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörden insbesondere auch auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken und über die Gegenleistungen für die Benützung solcher Grundstücke. Dies betrifft sowohl dingliche als auch obligatorische Ansprüche (6 Ob 140/99b). Es gehören dazu jedenfalls auch Streitigkeiten über das Ausmaß eines Eigentumsrechtes und dessen Beschränkung (SZ 59/107, 4 Ob 11/01y; vgl auch RIS-Justiz RS0045684).

Nach § 50 Abs 1 StZLG sind die Einleitung und der Abschluss des Zusammenlegungsverfahrens bzw Flurbereinigungsverfahrens (auf dieses Verfahren sind die Bestimmungen für die Zusammenlegung sinngemäß anzuwenden; § 47 StZLG) den zuständigen Grundbuchsgerichten mitzuteilen.

Im vorliegenden Fall führt die Agrarbezirksbehörde zu 3.1 P 35-1991 ein Flurbereinigungsverfahren und verständigte gemäß § 50 Abs 1 StZLG hinsichtlich des genannten, im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks das Grundbuchsgericht von der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens. Ab diesem Zeitpunkt war daher ausschließlich die Agrarbehörde zu Entscheidungen über Streitigkeiten über Eigentum und Besitz, sohin auch des vorliegenden Anspruchs auf Unterlassung der Benützung durch den Beklagten, zuständig. Das über die Klage dennoch abgeführte Verfahren war daher mit dem Nichtigkeitsgrund der Unzulässigkeit des Rechtsweges behaftet, was das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Im Gegensatz zur Rechtsansicht des Rekurswerbers ist es dem Gericht schon aufgrund des Grundsatzes der Gewaltentrennung (Art 94 B-VG) verwehrt, zu prüfen, ob die Agrarbezirksbehörde formell richtig das Verfahren eingeleitet hat oder nicht. Es obliegt der Partei, ihren Rechtsstandpunkt im verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. In dem Fall, in dem die Agrarbezirksbehörde das Grundbuchsgericht nach § 50 Abs 1 StZLG von der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens verständigt (vgl auch 8 Ob 555/88), besteht kein Zweifel an der im § 50 leg cit angeordneten Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde für die oben genannten Streitigkeiten. Die dadurch bewirkte Unzulässigkeit des Rechtsweges wirkt so lang, bis die Agrarbezirksbehörde dem Grundbuchsgericht bekanntgibt, dass sie das ersichtlich gemachte Flurbereinigungsverfahren nicht mehr weiterführt bzw abschließt. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichtes war die Ersichtlichmachung jedenfalls noch im Grundbuch eingetragen, weshalb es zu Recht den Nichtigkeitsgrund der Unzulässigkeit des Rechtsweges von Amts wegen wahrnahm.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Rechtssätze
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