JudikaturJustiz7Ob335/98k

7Ob335/98k – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. April 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Harald Pohlhammer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Hermine Sch*****, vertreten durch Grassner, Lenz, Thewanger Partner, Rechtsanwälte in Linz, 2. Karl Sch*****, unbekannten Aufenthalts, wegen Räumung (Streitwert S 24.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Juli 1998, GZ 15 R 199/97h-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 28. Juli 1997, GZ 10 C 717/96m-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 3.655,68 (darin enthalten S 609,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist außerbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****.

Mit schriftlichem Bestandvertrag vom 1. April 1946 mieteten die Beklagten von der damaligen Eigentümerin dieser Liegenschaft ein etwa 800 m2 großes Gartengrundstück, um darauf ein Einfamilienhaus in Blockbauweise (sog Blockhaus) zu errichten. Im Bestandvertrag, der den Mietern das Recht zur Errichtung des Wohnblockhauses einräumt, wurden neben anderen für das Revisionsverfahren nicht mehr wesentlichen Bestimmungen folgende Vereinbarungen getroffen:

"Das Bestandverhältnis beginnt am 1. April 1946 und wird auf die Dauer von fünfzig unmittelbar aufeinanderfolgende Jahre, das ist daher bis zum 31. März 1996, begründet. Das Bestandverhältnis bleibt während der vereinbarten Bestanddauer, abgesehen von dem in diesem Vertrag vorgesehenen Kündigungsrecht der Bestandgeberin, für beide Vertragsteile unkündbar. Sämtliche mit diesem Vertrag für die Bestandgeberin und die Bestandnehmer begründeten Rechte und Verbindlichkeiten gehen auch auf die Rechtsnachfolger der Vertragsparteien über. Das Bestandverhältnis erlischt durch Zeitablauf ohne vorherige Kündigung, sodaß eine stillschweigende Fortsetzung desselben ausgeschlossen bleibt."

In der Folge wurde das Blockhaus tatsächlich errichtet. Die Erstbeklagte (im folgenden auch nur Beklagte genannt) bewohnt es mit ihrer Tochter seit 1952. Im selben Jahr wurde die Ehe der beiden Beklagten geschieden. Der Zweitbeklagte wanderte nach Brasilien aus; angeblich ist er in der Zwischenzeit verstorben. Die vorliegende Klage konnte ihm jedenfalls nicht zugestellt werden.

Mit ihrer am 12. April 1996 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei die Räumung des Bestandgrundstückes, weil die 50-jährige Befristung des Mietvertrages abgelaufen sei.

Die Beklagte bestritt unter Hinweis darauf, daß die Liegenschaft zum Zwecke der Errichtung eines Superädifikats angemietet wurde und das Mietrechtsgesetz analog anzuwenden sei, die Wirksamkeit der Befristung des Bestandverhältnisses. Im übrigen sei die klagende Partei nicht klagslegitimiert.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab.

Es ging davon aus, daß im Hinblick darauf, daß das Grundstück zum Zweck der Errichtung eines Superädifikates in Bestand genommen wurde, das Wohnzwecken dienen sollte, das Mietrechtsgesetz - allerdings, da das Mietobjekt unter die Bestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG falle, in beschränktem Umfang - auf den vorliegenden Rechtsfall anzuwenden sei. Gemäß § 49a MRG behalte eine vor dem 1. März 1994 geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Befristung eines Mietvertrages ihre Rechtswirksamkeit. Eine nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Befristung bleibe rechtsunwirksam. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Hauptmietvertrages im April 1946 sei das Mietengesetz 1922 in Geltung gewesen. Durch die zweite Kündigungsschutzausführungsverordnung vom 5. September 1939 seien die Kündigungsbeschränkungen der §§ 19 bis 23 MG auf das gegenständliche Bestandsobjekt anwendbar geworden. Gemäß § 23 MG gelte ein Mietvertrag, der zwar auf bestimmte Dauer, aber auf eine sechs Monate übersteigende Zeit geschlossen wurde, als auf unbestimmte Zeit erneuert. Der Vermieter könne einen solchen Mietvertrag nur mehr aus wichtigen Gründen im Sinne des § 19 MG kündigen. Im vorliegenden Fall sei demnach ein unbefristetes Mietverhältnis begründet worden, weshalb dem Räumungsbegehren nicht stattgegeben werden könne.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 49a MRG nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da der Oberste Gerichtshof über die Befristung eines die Miete eines Grundstückes zum Zwecke der Errichtung eines Superädifikats betreffenden Bestandverhältnisses, insbesondere unter dem Blickwinkel des § 49a MRG noch nicht zu entscheiden hatte. Sie ist aber nicht berechtigt.

Der Anwendungsbereich des MRG ist nach der in § 1 Abs 1 MRG enthaltenen Aufzählung grundsätzlich auf die Raummiete beschränkt (EvBl 1997/15 uva). Superädifikate, die auf vermieteten Grundstücken vertragsgemäß zu Wohn- oder Geschäftszwecken errichtet werden, sind als Räume anzusehen, die ohne die Miete des Grundstückes nicht Bestand haben können (MietSlg 41.165; MietSlg 41.166 jeweils mwH; Feil, Bestandvertrag3 Rz 269). Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre fallen die betreffenden Grundstücksmieten kraft Analogie daher in den Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 MRG (RIS-Justiz RS0069261), sofern die errichteten "Räume" nicht lediglich eine Nebensache darstellen (MietSlg 43.129; WoBl 1993/38 = MietSlg 43.133 uva). Ist, wie im vorliegenden Fall, ganz unbestritten das zu Wohnzwecken errichtete Superädifikat der Hauptgegenstand des Bestandverhältnisses, liegt Raummiete vor (SZ 57/194; WoBl 1990/80; WoBl 1991/4; Feil aaO). Fällt aber ein Rechtsverhältnis in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 MRG, besteht die Vermutung für die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes, die im allgemeinen (solange dadurch nicht die stets zu hinterfragenden Grundsätze der Analogie verletzt werden - vgl Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 1 MRG Rz

33) nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestands iSd § 1 Abs 2 bis 4 MRG widerlegt werden kann (SZ 58/25 = MietSlg 37.222; MietSlg 41.165 = WoBl 1990/80 [Würth]; WoBl 1992/7).

Gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG gelten für Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen nun zwar die §§ 14, 29 bis 36, 45, 46 und 49, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstückes. Da es sich im vorliegenden Fall um ein Einfamilienhaus handelt und sich demnach die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes nach der zitierten Bestimmung auf den "Kündigungsschutz" beschränkt (vgl Würth/Zingher aaO § 1 Rz 52), erhebt sich die Frage, ob § 49a MRG ungeachtet des Umstands, daß diese Bestimmung in § 1 Abs 4 MRG nicht erwähnt wird, auf ein Superädifikat wie das gegenständliche anzuwenden ist oder nicht.

Während das Erstgericht ohne weiteres von der Anwendbarkeit der zitierten Bestimmung ausgegangen ist, hat sich das Gericht zweiter Instanz zur Anwendbarkeit des § 49a MRG auf die Anmerkung in Würth/Zingher aaO 533 berufen, wonach diese Gesetzesbestimmung abgesehen von § 1 Abs 2 MRG stets anwendbar sei.

In den Gesetzesmaterialien zum 3. WÄG, durch dessen Art II Abschn I Z 39 § 49a in das Mietrechtsgesetz eingefügt wurde, IA 579/A BlgNR 18. GP; AB 1268 BlgNR 18. GP, findet sich dazu kein Hinweis. Dieser Umstand spricht aber wohl eher dagegen, daß der Gesetzgeber, wie die Revisionswerberin meint, nur solche Befristungen regeln wollte, die im "vollen Anwendungsbereich" des MRG abgeschlossen wurden; es wäre wohl zu erwarten, daß eine solche Absicht des Gesetzgeber im Ausschußbericht erwähnt bzw begründet worden wäre. Eine sachliche Begründung für die von der Revision aus der Nichterwähnung des § 49a in § 1 Abs 4 MRG abgeleitete Ausnahme ist nicht zu erkennen. Nach der hM (der die klagende Partei auch gar nicht widerspricht) ist § 49a MRG dahin auszulegen, daß die Rechtswirksamkeit einer Vereinbarung über die Befristung eines Mietvertrages (= Durchsetzbarkeit des Endtermines) nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zu beurteilen ist (7 Ob 2075/96i). Als Sinn und Zweck dieser neuen, von der Rechtsprechung zur zuvor bestehenden Rechtslage abweichenden (Würth/Zingher aaO § 49a Rz 1) Regelung bietet sich, wie in der eben zitierten Entscheidung des OGH 7 Ob 2075/96i ausgeführt wurde, überzeugend an, daß damit auf einen Zeitpunkt (nämlich den des Vertragsabschlusses) Bezug genommen werden soll, in welchem die Parteien in ihrer Willensbildung auf die Vertragsgestaltung noch Einfluß nehmen und die Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung von Vertragsbestimmungen mit der Rechtslage zu diesem Zeitpunkt sehen und einkalkulieren konnten. Diese Überlegung gilt jedoch für die in § 1 Abs 4 MRG erwähnten in gleicher Weise wie bei anderen befristeten Mietverträgen. Der von Würth/Zingher vertretenen Meinung, § 49a MRG sei mit Ausnahme der nach § 1 Abs 2 MRG nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallenden Fälle stets anwendbar, ist daher zuzustimmen.

Demnach ist hier die Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Mietvertrages, also am 1. 4. 1946 maßgeblich. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß daher die Bestimmungen des damals geltenden Mietengesetzes heranzuziehen sind, allerdings nach Maßgabe der seine Kündigungsbeschränkungen auf weitere Bestandverhältnisse ausdehnenden Verordnung vom 5. September 1939, dRGBl I S. 1671 (2. KSchAusfV). Gemäß § 1 Abs 2 Z 2 MG fanden die Bestimmungen dieses Geetzes ursprünglich auf die Miete von in Häusern gelegenen Wohnungen keine Anwendung, für welche die behördliche Baubewilligung erst nach dem 27. Jänner 1917 erteilt wurde (was auf das gegenständliche Objekt ja zutrifft). Durch § 1 KSchAusfV wurde neben anderen diese Ausnahme vom Anwendungsbereich des Mietengesetzes hinsichtlich der Vorschriften über die Kündigungsbeschränkungen (§§ 19 bis 23 MG) aufgehoben (vgl SZ 30/74; Swoboda, Komm MG2 (1950), 92). Daher war ua auch § 23 MG auf das gegenständliche Bestandverhältnis anwendbar. Danach galten "Mietverträge, die durch Ablauf der Zeit ohne Kündigung erlöschen und deren ursprüngliche oder verlängerte vertragsmäßige Dauer ein halbes Jahr übersteigt", abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen "als auf unbestimmte Zeit erneuert". Dies führt zum Ergebnis, daß die im gegenständlichen Mietvertrag vom 1. 4. 1946 vereinbarte Befristung auf 50 Jahre nicht rechtswirksam bzw durchsetzbar war.

Die Revision wendet dagegen ein, die KSchAusfV vom 5. 9. 1939 sei auf das gegenständliche Superädifikat nicht anwendbar, da die Verordnung lediglich Mieträume in gebauten Objekten und nicht gesamte Objekte oder Flächen zum Bau eines Objektes im Auge gehabt habe.

Dieser Einwand ist auf jene Erwägungen zu verweisen, die den Obersten Gerichtshof, beginnend mit der Leitentscheidung MietSlg 3750, bewogen haben, Grundflächenmieten zum Zwecke der Errichtung eines Bauwerks zu Wohnzwecken dem Kündigungsschutz des Mietengesetzes zu unterwerfen. Tragender Gedanke dabei war, daß in diesen Fällen die Bodenmiete der Miete einer Wohnung gleichkomme, wobei der Grundstücksmieter, der ein Superädifikat zu Wohnzwecken errichtet, insofern durch eine Aufkündigung schwerer betroffen sein kann, als er auch noch zur Abtragung seiner Wohnräume verpflichtet sein könne. Diese Überlegungen, denen auch die Lehre einhellig zugestimmt hat (vgl Bydlinski, Superädifikate und Kündigungsschutz JBl 1984, 241 [242 ff], stehen auch der Annahme entgegen, Grundstücksmieten, wie die gegenständliche, seien von der Kündigungsschutzverordnung vom 5. September 1939 nicht betroffen.

Die Revisionswerberin argumentiert weiter, daß die 2. KSchAusfV mit 1. 1. 1968 außer Kraft gesetzt wurde und durch das 2. WÄG die "allenfalls zuvor nicht durchsetzbare" Befristung des gegenständlichen Vertrages durchsetzbar geworden sei und verweist dazu auf 7 Ob 2075/96i. Die Klägerin räumt aber selbst ein, daß die Regelung des 2. WÄG durch den mit dem 3. WÄG eingeführten § 49a MRG abgeändert wurde. Diese Bestimmung sei aber nicht dazu gedacht gewesen, bereits aufgehobene Normen wie die 2. KSchAusfV wiederaufleben zu lassen.

Wie der Oberste Gerichtshof in der von der Revision zitierten E 7 Ob 2075/96i (= immolex 1997/105 = WoBl 1998/68) ausgesprochen hat, kann eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses undurchsetzbar vereinbarte Befristung nach Inkrafttreten des 3. WÄG auch dann nicht durchgesetzt werden, wenn dies nach der durch Inkrafttreten des 2. WÄG geschaffenen Rechtslage möglich gewesen wäre. Für den vorliegenden Mietvertrag, dessen vereinbartes Ende im zeitlichen Geltungsbereich des § 49a MRG lag, bleibt demnach eine Rechtsänderung durch das 2. WÄG (das im übrigen nur die Wirksamkeit von Befristungen bis zu 10 Jahren vorsah) bedeutungslos.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, das gegenständliche Mietverhältnis sei ein unbefristetes, erweist sich sohin als zutreffend. Die Räumungsklage wurde zu Recht abgewiesen.

Zu einer Klagsabweisung gelangt man auch, wenn man ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts ins Kalkül zieht, daß die Erst- und der Zweitbeklagte hinsichtlich des von ihnen gemeinsam errichteten Mietvertrages grundsätzlich eine einheitliche Streitpartei bilden und zugleich notwendige Streitgenossen im Sinne des § 14 ZPO sind (stRsp SZ 24/76 uva) und weiters bedenkt, daß der Zweitbeklagte in das gegenständliche Verfahren nicht eingebunden war, weil ihm die Klage nicht zugestellt werden konnte. Hält man sich allerdings vor Augen, daß der (laut Angabe der Erstbeklagten 1916 geborene) Zweitbeklagte nach Scheidung der Ehe mit der Erstbeklagten bereits 1952 nach Brasilien auswanderte und bereits Anfang der 60-er Jahre Post an die Erstbeklagte mit dem Vermerk "Empfänger verstorben" retourniert wurde (Ersturteil S. 6), erscheint es nicht angezeigt, in die Prüfung der passiven Klagslegitimation der Erstbeklagten einzutreten. Der Oberste Gerichtshof sah sich vielmehr aus (prozeß)ökonomischen Überlegungen veranlaßt, sogleich die Rechtsfrage der Befristung des gegenständlichen Bestandverhältnisses zu prüfen.

Daß im Hinblick auf das klagsabweisliche Ergebnis auch die Frage der Aktivlegitimation der klagenden Partei (als bloß außerbücherlicher Eigentümerin) dahingestellt bleiben kann, hat schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend bemerkt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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