JudikaturJustiz7Ob32/21p

7Ob32/21p – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** K*****, vertreten durch Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Gerhard Podovsovnik LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 11. Jänner 2021, GZ 11 R 194/20k 22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1  Durch die Neufassung des § 45 JN durch die ZVN 1983 sollte die Anfechtung von Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit weiter eingeengt und klar ausgedrückt werden, dass nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nicht (RS0046318 ) , solche, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann anfechtbar sind, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat (§ 45 JN; 5 Ob 90/20a).

[2] 1.2 Nach ständiger Rechtsprechung macht es für die Anwendung des § 45 JN auch keinen Unterschied, mit welcher Begründung über die sachliche Zuständigkeit entschieden wird (vgl RS0103687). Ein Rechtsmittel ist daher selbst dann ausgeschlossen, wenn eine Nichtigkeit oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (RS0103687 [T2]).

[3] 1.2.1 In der Rechtsprechung wurden Ausnahmen von der Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 ZPO in engen Grenzen zugelassen, derzufolge der Rechtsmittelausschluss nicht gilt, wenn die ausgesprochene Überweisung den Bestimmungen des § 261 Abs 6 ZPO derart widerspricht, dass der Zweck des dort verfügten Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird, wenn also die Überweisung ohne gesetzliche Grundlage erfolgte (4 Ob 43/19f; zu § 261 Abs 6 ZPO: RS0039091). Eine Ausnahme vom Rechtsmittelausschluss des § 45 JN kommt demgemäß dann in Betracht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung nicht gegeben waren (vgl RS0116856; 4 Ob 43/19f).

[4] 1.2.2 Der Oberste Gerichtshof hat aber auch bereits klar gestellt, dass bei der Annahme des Vorliegens einer Ausnahme vom Anfechtungsausschluss des § 45 JN Zurückhaltung geboten ist, weil der Gesetzgeber es nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung in Kauf genommen hat, dass selbst schwere Verstöße gegen das Verfahrensrecht im Interesse der Verfahrensökonomie nicht aufgegriffen werden können (4 Ob 43/19f; 6 Ob 61 /20v).

[5] 2. Der vorliegende Fall ist mit de n von der Klägerin zur Begründung einer Ausnahme vom Anwendungsbereich des § 45 JN herangezogenen Entscheidungen nicht vergleichbar:

[6] 2.1 In der Entscheidung 8 Ob 9/18h bejahte der Oberste Gerichtshof die Zulässigkeit des Rekurses nach § 45 JN wenn i n der Entscheidung über die Zuständigkeit auch die (implizite) Entscheidung über die Gerichtsbesetzung nach § 37 Abs 3 ASGG und über die Behandlung einer Rechtssache i m arbeits und sozialgerichtlichen Verfahren liege.

[7] § 49 Abs 2 Z 2b JN verweist hier die „anderen aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringenden Streitigkeiten“ vor die Bezirksgerichte, § 460 ZPO sieht dagegen verfahrensrechtliche Besonderheiten lediglich für Verfahren in „anderen nicht rein vermögensrechtlichen aus dem gegenseitigen Verhältnis zwischen den Ehegatten entspringenden Streitigkeiten ( § 49 Abs 2 Z 2b JN)“ vor. Damit hat das Erstgericht mit seiner auf § 49 Abs 2 Z 2b JN gegründeten Verneinung der sachlichen Zuständigkeit für die hier vorliegende rein vermögensrechtliche Streitigkeit schon nicht bindend über die Anwendung der genannten besonderen Verfahrensvorschriften entschieden.

[8] 2.2.1 In der Entscheidung 2 Ob 169/02w wurde der Anfechtungsausschluss in einem Fall als nicht anwendbar angesehen, in dem der Gerichtshof in einer in seine Eigenzuständigkeit fallenden Sache den Streitwert gemäß § 60 JN unter die bezirksgerichtliche Wertgrenze herabgesetzt und die Streitsache dem Bezirksgericht abgetreten hatte.

[9] 2.2.2 In der Entscheidung 2 Ob 128/11d wurde die Anwendbarkeit des § 45 JN im Hinblick auf einen Beschluss verneint, mit dem das Bezirksgericht nach vom Beklagten nicht gerügter Klagsausdehnung über die bezirksgerichtliche Wertgrenze seine Unzuständigkeit ausgesprochen und die Klage an den Gerichtshof überwiesen hatte.

[10] 2.2.3 Den beiden letztgenannten Fällen ist gemeinsam, dass die Entscheidung über die Zuständigkeit der unrichtigen Anwendung einer besonderen (anderen) Verfahrensvorschrift (§ 60 JN, § 235 ZPO) folgte. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

[11] 2.3 Die Ausführungen der Klägerin zielen auf die Darlegung der Unrichtigkeit der Anwendung der Zuständigkeitsnorm des § 49 Abs 2 Z 2b JN selbst ab. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Klägerin keine Ausnahme vom Rechtsmittelausschluss des § 45 JN aufzeigt, der ja gerade den Zweck verfolgt, Zuständigkeitsstreitigkeiten hintanzuhalten und die Überprüfung der Richtigkeit der Verneinung der sachlichen Zuständigkeit unter den genannten Voraussetzungen auszuschließen (vgl RS0103687), hält sich im Rahmen der Judikatur.

[12] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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