JudikaturJustiz7Ob263/57

7Ob263/57 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 1957

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Bernard als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kisser, Dr. Sabaditsch und Dr. Zierer sowie den Rat des Oberlandesgerichts Dr. Lassmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** K*****, Kaufmann in *****, vertreten durch Dr. Leo Lang, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W***** M***** Aktiengesellschaft in *****, vertreten durch Dr. Emil Maurer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme (Streitwert 2.076.656,20 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 18. Dezember 1956, GZ 1 R 379/56 92, womit das Wiederaufnahmebegehren der klagenden Partei abgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.554,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Im Vorprozess ist die beklagte Partei verurteilt worden, dem Kläger auf Grund der Vereinbarung vom 28. Oktober 1943 für die bis April 1944 gelieferten Skier den Betrag von 428.249 S s.Nbg. zu bezahlen; das Begehren des Klägers, die beklagte Partei zur Zahlung des Gegenwerts von 385.600 sfr sA abzüglich 223.255 S sA zu verpflichten wurde abgewiesen und die Abweisung im Wesentlichen damit begründet, dass die Stipulierung eines Teils des Kaufpreises in ausländischer Währung durch die Vollmacht W*****, des Vertreters der beklagten Partei, nicht gedeckt gewesen sei.

Durch die Behauptung, F***** W***** habe nunmehr in einem gegen ihn angestrengten Rechtsstreit vorgebracht, der erwähnte Lieferungsvertrag sei im Büro der Vertretung der beklagten Partei in B***** im Beisein des damaligen Betriebsführers und Vorstands R***** abgeschlossen worden und R***** habe den Inhalt der Vereinbarung in allen Einzelheiten zur Kenntnis genommen, verlangt der Kläger nun die Wiederaufnahme des Prozesses aus dem Grunde des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO.

Das nach § 532 Abs 2 ZPO zuständige Oberlandesgericht Wien hat das Wiederaufnahmebegehren abgewiesen. Es hat angenommen, dass die neu vorgebrachten Tatsachen an sich geeignet wären, eine dem Kläger günstigere Entscheidung der Hauptsache herbeizuführen, ist aber der Ansicht, dass den Kläger ein Verschulden treffe, welches die Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 2 ZPO ausschließe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO; er beantragte das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern, allenfalls aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht Wien zur Ergänzung des Beweisverfahrens zurückzuweisen. Die beklagte Partei beantragte der Revision nicht Folge zu geben.

Das Schwergewicht der Revision ruht auf dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Das Urteil sei rechtsirrig, weil für die Bewilligung der Wiederaufnahme die Möglichkeit eines günstigeren Erfolgs genüge, das Gericht hätte sich auf die Prüfung dieser Frage beschränken müsse und in die Erörterung eines Verschuldens des Klägers gar nicht eintreten dürfen. Bei diesen Ausführungen übersieht aber der Revisionswerber, dass wegen der in Z 6 und 7 des § 530 Abs 1 ZPO angegebenen Umstände nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle die Wiederaufnahme nur dann zulässig ist, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, das Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche das angefochtene Urteil ergangen ist, geltend zu machen. Es entspricht demnach durchaus dem Gesetz, dass das Oberlandesgericht Wien nicht nur die Frage geprüft hat, ob die neu vorgebrachten Tatsachen eine dem Kläger günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeigeführt haben würden, sondern sich auch in die Erörterung der weiteren Frage eingelassen hat, ob der Kläger trotz sorgsamer Prozessführung von den neuen Tatsachen erst nach Schluss der Verhandlung im Vorprozess Kenntnis erlangte. Das Oberlandesgericht hat dies zutreffend verneint. Die Prozessparteien sind gemäß § 178 ZPO verpflichtet alle zur Begründung ihrer Anträge erforderlichen Umstände vollständig und bestimmt vorzubringen, die zur Feststellung ihrer Angaben nötigen Beweise anzugeben und sich über die von ihrem Gegner vorgebrachten tatsächlichen Angaben und angebotenen Beweise mit Bestimmtheit zu erklären. Unterlässt dies eine Prozesspartei, so liegt darin ein Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO (Rsp 1934 Nr 396, GlUNF Nr 2101 uam). Der Wiederaufnahmskläger ist dafür beweispflichtig, dass er ohne sein Verschulden außer Stande war, die neuen Tatsachen vor Schluss der Verhandlung, auf welche das Urteil erging, geltend zu machen. Es soll dahingestellt bleiben, ob der Kläger dadurch, dass er in der Wiederaufnahmsklage nur den gesetzlichen Wortlaut wiedergegeben und das Gericht im Übrigen auf Erkundungsbeweise verwiesen hat, dieser Pflicht die Voraussetzung des § 530 Abs 2 ZPO schon in der Klage zu konkretisieren, Genüge getan hat. Jedenfalls ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanz, dass der Kläger weder ein neues Beweismittel gefunden hat noch in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt ist, weil er die prozessentscheidende Frage und ihre Bedeutung schon während des Vorprozesses kannte und sein prozessuales Verhalten danach hätte einrichten können. Zutreffend weist das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang auf den Aufhebungsbeschluss vom 27. April 1955, der den Kläger ausdrücklich den Weg für sein weiteres Beweisvorbringen im Vorprozess gewiesen hat, und auf den Umstand, dass dieser Weg vom Kläger nicht begangen und insbesondere von ihm die Frage an F***** W***** nicht gestellt wurde, ob R***** auch von der vereinbarten Zahlungspflicht in fremder Währung gewusst oder sie geduldet habe. Der Hinweis auf die zurückhaltende Art W***** bei seinen Zeugenaussagen vermag die Unterlassung des Klägers nicht zu rechtfertigen.

Bei dieser Sachlage stellte die vom Kläger eingenommene Haltung im Vorprozess ein Verschulden dar, das ihm die Möglichkeit nimmt nunmehr im Wege der Wiederaufnahme die begangene Unterlassung zu sanieren. Dies entspricht der gebotenen Formenstrenge des Prozessrechts und dem Wesen des Wiederaufnahmeverfahrens.

Bei dieser Rechtslage entfällt eine Auseinandersetzung mit der Mängelrüge, denn diese beruht auf einer unrichtigen Sachbeurteilung.

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.