JudikaturJustiz7Ob208/20v

7Ob208/20v – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Öffentlichrechtliche Straßeninteressentschaft B*****, vertreten durch den Obmann G***** R*****, dieser vertreten durch Dr. Katrin Hainbuchner und Dr. Katja Kaiser, Rechtsanwältinnen in Kirchberg, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. September 2020, GZ 4 R 34/20h 28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 20. Dezember 2019, GZ 4 C 227/17b 24, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist aufgrund des Kaufvertrags vom 27. 6. 2016 Eigentümerin der Liegenschaften EZ 552 und 2092 je GB *****. Die EZ 552 besteht aus Gst 486/2 mit dem Haus *****. Die EZ 2092 besteht aus dem Gst 326 mit der Benutzungsart „sonstige Fläche (Straßenverkehrsanlagen)“, im Ausmaß von etwa 119 m². Im Kaufvertrag ist festgehalten, dass sich auf der EZ 2092 ein Weggrundstück befindet, die Verkäufer die Liegenschaften so verkaufen und übergeben, wie sie diese bisher selbst besessen und benützt haben, die Verkäufer Gewähr dafür leisten, dass keine weiteren, als die der Klägerin offen gelegten Mietverhältnisse, Bestand oder sonstigen Nutzungsrechte Dritter, welcher Art immer, bestehen, und dass die Verkäufer dafür haften, dass die Liegenschaften frei von bücherlichen und insbesondere auch außerbücherlichen Belastungen und nur mit den in den Grundbuchsauszügen ersichtlichen Dienstbarkeiten in das Eigentumsrecht der Klägerin übergehen.

[2] Die EZ 2092 ist mit Dienstbarkeiten des Gehens und Fahrens, des Fahrens bzw des Fahrwegs zu Gunsten der Gst 486/3 (EZ 682), 486/4 (EZ 683), 502/2 (EZ 620), 486/8 (EZ 723), der Gst 485/2 (EZ 868 ), der Gst 486/9 (EZ 958), 486/11 (EZ 1095), 486/12 (EZ 1097), 486/21 (EZ 1195), 486/16 (EZ 1098), 486/17 (EZ 1099), 486/18 (EZ 1100), 486/19 (EZ 1101), 486/13 (EZ 1143), 486/15 (EZ 1187), 327 (EZ 2008), 486/2 (EZ 552) und 486/23 (EZ 2091) belastet. Diese Dienstbarkeitsrechte wurden alle – ausgenommen jene für die Gst 486/2 und 486/23 – in der Zeit zwischen 1951 und 1990 begründet und 1994 aus der EZ 552 übertragen (TZ 3561/1994). Jene für die Gst 486/2 und 486/23 wurden 1994 (TZ 3561/1994) begründet.

[3] Die Stadtgemeinde K***** erklärte mit Bescheid vom 24. 2. 1972 den „Erschließungsweg B*****, Gpn. 486/5 und 485/1, KG. K*****, beginnend beim namenlosen Bach in der L***** bis zur Grundgrenze des Objektes V*****“ zum öffentlichen Interessentenweg. Die „Besitzer“ der Liegenschaften EZ 723 (damals alle noch II), 682, 684, 683, 729, 958, 868, 1095, 752, 1143, 1097, 1195, 1101, 1098, 552 (mit der „Gp. 486/2“ und der „Bp. 1134“), 1100, 1187, 1232 und 1099 wurden als Interessenten bezeichnet und ihre Beitragsteile an den Erhaltungskosten entsprechend festgelegt. Diese „Besitzer“ wurden zur Weggemeinschaft B***** zusammengefasst und dieser eine dem Bescheid angeschlossene Satzung gegeben wurde (§ 46 Abs 1 iVm § 29 Abs 2 Tiroler Straßengesetz 1950). Die Gst 326 und 327 werden darin nicht erwähnt. In der Satzung sind als Mitglieder der Weggemeinschaft ebenso die „Besitzer“ der genannten Liegenschaften mit ihren jeweiligen Anteilen aufgelistet. Die Gst 326 und 327 werden auch in der Satzung nicht erwähnt.

[4] Zum Zeitpunkt der Begründung der Beklagten stellte sich der Verlauf des Wegs von der Bundesstraße bis in die Siedlung „B*****“ etwa entsprechend dem obigen Lageplan dar. Ob dieser Plan als Beilage oder Bestandteil dem Bescheid vom 24. 2. 1972 angeschlossen war, steht nicht fest. Damals führte der Weg jedenfalls ab der Westgrenze des Weggrundstücks 486/5 zunächst ein kurzes Stück über das Gst 486/20, das heute mit dem Gst 486/8 vereinigt ist und im Eigentum eines Dritten steht, und dann über die Gst 327 und 326 in Richtung Bundesstraße. Auf dem Gst 64 stand damals noch ein Stadel. In der Natur hat sich der Wegverlauf so dargestellt, wie sich dies aus dem folgenden Luftbild ergibt. Die Darstellung der Parzellen entspricht den heutigen Gegebenheiten, nicht aber den Verhältnisses des Jahres 1972.

[5] Nach Gründung der Beklagten und vor 1989 wurden Flächen der Gst 327 und 326 in deren nördlichen Bereich dem Gst 486/2 zugeschlagen, welches sich in der Folge im Westen bis zur Bundesstraße erstreckte. Fortan führte der schräg zur Bundesstraße verlaufende Weg in diesem Bereich westlich des Gst 486/20 teilweise über das Gst 327 und Gst 486/2 und in weiterer Folge zur Gänze über den westlichen Teil des Gst 486/2, nicht mehr aber über das Gst 326.

[6] Im Jahr 1990 wurde eine Grundteilung durchgeführt und dabei (ua) ein Großteil des Gst 326 mit dem Gst 327 und der nördliche Streifen des Gst 327 mit dem verbliebenen Teil des Gst 326 vereinigt. Als Restfläche des Gst 326 verblieb damit die Grundfläche laut heutigen Bestand im Ausmaß von 119 m². In der Folge wurde die Einmündung des Wegs in die Bundesstraße etwas in Richtung Süden verlegt, worauf der Weg nicht mehr wie bisher schräg, sondern nunmehr im rechten Winkel in die Bundesstraße einmündete. Vor 1990 verlief der Weg demnach von der Westgrenze des Grundstücks 486/20 (heute 486/8) ab den im folgenden Plan angeführten Punkten 10755 und 10756 schräg etwa zu den Punkten 1025 und 10754, wobei diese Linie in etwa der südlichen Begrenzung des Wegs entsprach. In diesem Bereich verlief der Weg ursprünglich also über die Gst 327 und 326, nach Zuschlag von Grundflächen aus den Gst 327 und 326 zu Gst 486/2 über die Gst 327 und 486/2 und nach der Verlegung seit 1990 praktisch nur mehr über Gst 326, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein nördlicher Streifen des in der Natur vorhandenen Wegs auch über Gst 486/2 und ein südlicher Streifen über Gst 327/1 verläuft; der genaue Grenzverlauf im Bereich der heute asphaltierten Wegfläche steht nicht fest. Alle diese Vorgänge erfolgten im Einvernehmen aller beteiligten Grundeigentümer.

[7] Die Wegflächen auf den Gst 486/5 und 485/1 können von der Bundesstraße aus nur über die Gst 326 und 486/8 erreicht werden. Über die im Eigentum der Stadtgemeinde stehende Fläche des Gst 502/1, die im Bereich zwischen den Gst 486/24 und 486/3 von Norden kommend an das Weggrundstück 486/5 grenzt, ist derzeit eine Zufahrt nicht möglich. In diesem Bereich verläuft von Norden kommend nur ein schmaler Fußweg über das Gst 502/1 zum Gst 486/5. Im Anschluss an das Gst 485/1 verläuft der Weg in Richtung Süden über das Gst 486/1 und endet als Sackgasse. Auch in früheren Zeiten bestand keine andere Zufahrtsmöglichkeit von der Bundesstraße als über den Wegteil über die Gst 326 und 327 bzw dann über die Gst 486/2 und 327 und über das Gst 486/20 (heute 486/8).

[8] Obwohl die Wegflächen, die über die Gst 486/20 (heute 486/8), 327 und 326 sowie auch 486/2 führten, im Bescheid vom 24. 2. 1972 nicht als Bestandteil des Interessentenwegs angeführt sind, wurde dieser letzte Teil des Wegs seit Begründung der Weggemeinschaft 1972 immer von dieser erhalten und im Winter geräumt und gestreut. Die Rechtsvorgänger der Klägerin waren (ua) mit ihrem Gst 486/2 Mitglieder der Beklagten und leisteten den jeweils von der Beklagten vorgeschriebenen Erhaltungsbeitrag. Seit jeher schon hat die Stadtgemeinde 80 % der Erhaltungskosten dieses Wegs übernommen, wozu auch die Erhaltungskosten dieses nunmehr strittigen Wegteils gehörten. Die Mitglieder und Organe der Beklagten sind immer der Meinung gewesen, die Weginteressentschaft erstrecke sich von der Einmündung der Bundesstraße über den gesamten Weg. Dementsprechend sind auch die Anteile berechnet worden. Aus diesem Grund wurde auch ab Ende der 1990iger Jahre die gemeinnützige Wohnbaugesellschaft als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 2008, die auf dem Gst 327/1 eine große Wohnanlage errichtet hatte, als Mitglied der Weggemeinschaft geführt, obwohl die Zufahrt zu dieser Wohnanlage nur über das Gst 326, nicht aber über die anderen Weggrundstücke verläuft.

[9] Die Rechtsvorgänger der Klägerin im Eigentum an den Liegenschaften EZ 552 und 2092 sind immer davon ausgegangen, dass sich der Bereich der Beklagten über den gesamten Bereich von der Bundesstraße weg erstreckt. Sie haben sich nie dagegen ausgesprochen, dass dieser letzte Teil des Wegs von der Beklagten erhalten und betreut wird, sie sind im Gegenteil immer der Meinung gewesen, dieser Teil des Wegs sei Bestandteil der Beklagten.

[10] Ob die Rechtsvorgänger der Klägerin der Beklagten jemals ausdrücklich irgendwelche Nutzungsrechte am Gst 326 eingeräumt hatten, steht nicht fest. Im Kaufvertrag vom 27. 6. 2016 wurden jedenfalls solche Nutzungsrechte nicht erwähnt.

[11] Die Klägerin hat vor Abschluss des Kaufvertrags die Liegenschaften, die ihr seit 2013 bekannt sind, eingehend besichtigt, wobei zunächst nur vom Kauf des Gst 486/2 die Rede war. Später stellte sich heraus, dass auch die Liegenschaft EZ 2092 mit dem Gst 326 Teil des Kaufvertrags werden soll. In der Natur war diese Weganlage über Gst 326 in der heutigen Ausformung bereits 2013 vorhanden, als die Klägerin die Liegenschaften erstmals besichtigt hatte. Aufgrund des Verlaufs der Straßenanlage war der Klägerin bekannt, dass darüber der gesamte Verkehr von und zur Siedlung „B*****“ abgewickelt wird, ausgenommen jener Fußgängerverkehr, der über den Fußweg über Gst 502/1 geführt wird. Ob vor Abschluss des Kaufvertrags erwähnt wurde, dass dieses Stück des Wegs zur Beklagten gehöre, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte bzw die Mitgliedschaft der Liegenschaft EZ 552 bei der Beklagten und allfällige Rechte der Beklagten an der Liegenschaft EZ 2092 wurden im Kaufvertrag nicht erwähnt. Die Klägerin hätte durch eine Überprüfung im Grundbuch feststellen können, dass nicht alle Liegenschaften, die den Weg über Gst 326 benützen müssen, über entsprechende Dienstbarkeitsrechte verfügen, wie etwa das Gst 486/6.

[12] Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass der Beklagten keine wie immer gearteten Rechte am Gst 326 EZ 2092 GB ***** zustünden. Die Beklagte habe fälschlich behauptet, das Grundstück der Klägerin sei dem Interessentenweg zugehörig, und habe die Klägerin aufgefordert, die dort von ihr angebrachten Hinweis- und Verbotsschilder („Einfahrt verboten“ mit Zusatzschild „Privat, Betreten und Befahren nur für Berechtigte“) umgehend zu entfernen. Tatsächlich bestünde jedoch für diese Forderung keine Rechtsgrundlage und stünden der Beklagten keine Rechte zu.

[13] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, dass der Weg der Erschließung des Ortsteils B***** diene und das Gst 326 seit jeher Bestandteil des Interessentenwegs gewesen sei. Die Beitragsanteile seien über Jahre hinweg ausgehend von der Bundesstraße berechnet worden. Selbst wenn das Gst 326 formal nicht zum Interessentenweg gehöre, so stünde der Beklagten aufgrund ausdrücklicher und der Klägerin überbundener Widmung durch die Voreigentümer das Nutzungsrecht an dieser Grundparzelle zu. Jedenfalls habe die Beklagte durch jahrzehntelange unwidersprochene Nutzung dieses Weggrundstücks eine Dienstbarkeit ersessen.

[14] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass die Beklagte als Weginteressentschaft nach dem Tiroler Straßengesetz Dienstbarkeiten ersitzen könne und durch redlichen und echten Besitz über mehr als 30 Jahre bis 2016 mit nur geringfügigen Änderungen auch tatsächlich das gegenüber der Klägerin in Anspruch genommene Geh- und Fahrrecht ersessen habe.

[15] Das Berufungsgericht teilte diese Rechtsansicht und gab daher der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Umfang der Rechtsfähigkeit einer Straßeninteressentschaft nach §§ 16 ff Tiroler Straßengesetz 1988 vorliege, insbesondere zur Frage, ob diese durch Ersitzung Rechte erwerben könne.

[16] Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.

[17] Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

[19] A. Zur Rechtsfähigkeit der Beklagten

[20] 1. Die Beklagte war ursprünglich eine nach § 46 Tiroler Straßengesetz 1950 (LGBl 1951/1) begründete Weggemeinschaft. Nach dem nunmehrigen § 79 Abs 2 Satz 1 Tiroler Straßengesetz 1988 (LGBl 1989/13 idgF; fortan nur mehr: Tir StraßenG) gelten die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden öffentlichen Interessentenwege als öffentliche Interessentenstraßen im Sinn dieses Gesetzes. Die für diese öffentlichen Interessentenwege bestehenden Weggemeinschaften bzw Weginteressentschaften gelten als Straßeninteressentschaften im Sinn dieses Gesetzes.

[21] 2. Öffentliche Interessentenstraßen sind in den §§ 16 ff Tir StraßenG geregelt. Die Grundlagen für die Bildung einer Straßeninteressentschaft normiert § 20 Tir StraßenG. Die Bildung der hier Beklagten nach § 46 Tiroler Straßengesetz 1950 erfolgte mit Bescheid der Behörde, was im Grundsatz dem nunmehrigen § 20 Abs 1 lit b Tir StraßenG entspricht. Eine Straßeninteressentschaft ist gemäß § 20 Abs 10 Tir StraßenG eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Von dieser rechtlichen Qualität der Beklagten geht auch die Klägerin in ihrer Revision aus.

[22] 3. Juristische Personen öffentlichen Rechts sind – von abweichenden einschränkenden gesetzlichen Regelungen und ihrer Natur nach notwendig auf Menschen beschränkten Befugnissen abgesehen – grundsätzlich den natürlichen Personen rechtlich gleichgestellt (vgl Posch in Schwimann/Kodek 5 § 26 ABGB Rz 28; Schauer in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 26 Rz 17 f). Es existiert demnach eine ganze Reihe von Körperschaften, denen nach bereits vorliegender Rechtsprechung Rechtsfähigkeit zukommt. Dies trifft etwa auch – für den vorliegenden Kontext aussagekräftig – auf Beitragsgemeinschaften für Güterwege nach dem oö LStVG zu (RS0009182). Für die funktionell ähnliche Straßeninteressentschaft nach dem Tir StraßenG kann demnach an deren Rechtsfähigkeit ebenfalls kein grundsätzlicher Zweifel bestehen. Solche machte die Klägerin in ihrer Revision auch nicht geltend, sondern geht lediglich von einer auf die Straßenverwaltung reduzierten bloßen Teilrechtsfähigkeit der Beklagten aus, die einem Rechtserwerb durch Ersitzung ausschließen soll. Dieser Rechtsansicht der Klägerin ist jedoch nicht zu folgen:

[23] 4.1. Zunächst kann durch Gesetz eine bloße Teilrechtsfähigkeit angeordnet sein. Bereits das Berufungsgericht hat aber zutreffend erkannt, dass weder das Tir Straßengesetz 1950 noch das Tir StraßenG eine Regelung enthielt bzw enthält, in der ausdrücklich eine bloße Teilrechtsfähigkeit der Weggemeinschaft bzw Straßeninteressentschaft angeordnet wurde bzw wird oder sonstige, für den vorliegenden Zusammenhang relevante Beschränkungen ihrer Rechtsfähigkeit vorgesehen waren bzw sind.

[24] 4.2. Es trifft zwar – wie die Klägerin betont – zu, dass nach § 17 Abs 1 Tir StraßenG die Straßeninteressentschaft der Straßenverwalter einer öffentlichen Interessentenstraße ist. Aus diesem Wirkungskreis folgt aber keineswegs zugleich eine darauf beschränkte Rechtsfähigkeit, wird doch nach herrschender Ansicht eine (allein) daraus abgeleitete Restriktion der Rechtsfähigkeit abgelehnt (allgemein zur Ablehnung der ultra vires Lehre vgl etwa Aicher in Rummel/Lukas , ABGB 4 Rz 31; ferner 4 Ob 341/86).

[25] 4.3. Demgegenüber ergibt sich schon aus den Regelungen über den Sondergebrauch in § 5 Tir StraßenG, dass der Straßengrund im Eigentum einer Straßeninteressentschaft stehen kann (vgl § 5 Abs 6 Tir StraßenG). Weiters bestimmt § 16 Abs 5 Satz 1 Tir StraßenG im Zusammenhang mit der Widmung einer Interessentenstraße, dass dann, wenn eine private Straße zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt wird, der Gemeingebrauch erst ab dem Erwerb des Eigentums oder eines entsprechenden sonstigen Verfügungsrechts am Straßengrund durch die Straßeninteressentschaft offensteht. Wird eine öffentliche Interessentenstraße, bei der der Straßengrund im Eigentum der Straßeninteressentschaft steht, zur Gemeindestraße erklärt, so hat zufolge § 19 Abs 5 Tir StraßenG die Straßeninteressentschaft den Straßengrund der Gemeinde unentgeltlich ins Eigentum zu übertragen. Aus diesen Regelungen ergibt sich zunächst zwingend, dass die Rechtsfähigkeit der Straßeninteressentschaft grundsätzlich auch den Erwerb des Eigentums an einem Straßengrund umfasst. Daraus und aus dem Umstand, dass der Zweck der Interessentenstraßen in der Deckung bestimmter Verkehrsbedürfnisse, also gerade in deren Nutzung durch die Interessenten besteht, folgt wiederum („argumentum a maiore ad minus“), dass der Straßeninteressentschaft auch der Erwerb eines beschränkten dinglichen Rechts, wie jenes der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens, offen stehen muss. Dafür, dass sich insoweit erst durch die Überführung der Weggemeinschaften in die nunmehrigen Straßeninteressentschaften (vgl § 79 Abs 2 Tir StraßenG; Punkt A.1.) eine Änderung der Rechtslage ergeben habe, existiert kein Anhaltspunkt und derartiges wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend die Rechtsfähigkeit der Beklagten für die Ersitzung einer Dienstbarkeit bejaht.

[26] B. Zur Ersitzung:

[27] 1. Voraussetzungen für die Ersitzung sind neben dem Zeitablauf echter und redlicher Besitz sowie der Besitzwille (vgl RS0034138; RS0034283). Die Klägerin bezweifelt in ihrer Revision die Echtheit und Redlichkeit des Besitzes sowie den Besitzwillen der Beklagten und der ihr zuzurechnenden Personen, argumentiert dabei aber weitgehend losgelöst von den erstgerichtlichen Feststellungen:

[28] 2.1. Gemäß § 326 ABGB ist ein redlicher Besitzer, wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält. Ein unredlicher Besitzer ist dagegen derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuten muss, dass die in seinem Besitz befindliche Sache einem Andern zugehöre. Bei juristischen Personen ist neben dem guten Glauben der Machthaber auch der gute Glaube etwaiger Besitzmittler erforderlich, um zugunsten einer juristischen Person etwa ein Wegerecht zu erwerben (vgl 1 Ob 41/08y = RS0010298 [T5] = RS0011542 [T5]; RS0010174). Grundsätzlich trifft, worauf bereits die Vorinstanzen richtig hingewiesen haben, die Behauptungs- und Beweislast für die Unredlichkeit den Ersitzungsgegner, weil gemäß § 328 ABGB die Redlichkeit vermutet wird (RS0034237 [T5]).

[29] 2.2. Die Rechtsausübung durch Besitzmittler muss vom Besitzwillen des Ersitzenden getragen werden (RS0011655 [T6]). Für den Besitzwillen ist – im Einzelfall vgl RS0033021) – das äußere Bild der Benützung ausschlaggebend (RS0011655 [T3]).

[30] 2.3. Wenngleich die Wegflächen, die über die Gst 486/20 (heute 486/8), 327 und 326 sowie auch 486/2 führten, im Bescheid vom 24. 2. 1972 nicht ausdrücklich als Bestandteil des Interessentenwegs angeführt sind, wurde dieser letzte Teil des Wegs seit Begründung der Weggemeinschaft im Jahre 1972 immer von dieser erhalten und im Winter geräumt und gestreut. Die Rechtsvorgänger der Klägerin waren (ua) mit ihrem Gst 486/2 ebenfalls Mitglieder der Beklagten und leisteten den jeweils von der Beklagten vorgeschriebenen Erhaltungsbeitrag. Seit jeher hat die Stadtgemeinde 80 % der Erhaltungskosten übernommen und zwar auch jene für den strittigen Wegteil. Die Mitglieder und Organe der Beklagten waren immer der Meinung, die Weginteressentschaft (nunmehr: Straßeninteressentschaft) erstrecke sich – wie dies der Verlauf in der Natur geradezu zwingend nahelegt – von der Einmündung der Bundesstraße über den gesamten Weg. Dementsprechend sind auch die Anteile berechnet worden. Selbst die Rechtsvorgänger der Klägerin sind immer davon ausgegangen, dass der Verlauf der Interessentenstraße der Beklagten den gesamten Bereich ab der Bundesstraße umfasst. Sie haben sich nie dagegen ausgesprochen, dass dieser erste/letzte Teil des Wegs von der Beklagten erhalten und betreut wird, sie sind im Gegenteil selbst immer der Meinung gewesen, dieser Teil des Wegs sei Bestandteil der Beklagten. Auf Basis dieser Sachverhaltsgrundlage kann an der Gutgläubigkeit der der übereinstimmenden Vorstellung aller Beteiligten und dem natürlichen Wegverlauf entsprechenden Nutzung kein ernsthafter Zweifel bestehen.

[31] 2.4. Gegen die Redlichkeit oder den Besitzwillen sprechen – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht die zugunsten einzelner Grundstücke – im Übrigen teilweise bereits vor dem Entstehen der Beklagten – verbücherten Dienstbarkeiten, wenn die Nutzung seit Jahrzehnten gerade im Rahmen und auf der Grundlage der oben schon mehrfach beschriebenen Bewirtschaftung durch die Beklagte erfolgte. Diese einzelnen Dienstbarkeiten stehen dem (zusätzlichen) Rechtserwerb durch die Beklagte nicht entgegen und machen diesen auch nicht nutzlos.

[32] 2.5. Dass das strittige Grundstück im Bescheid vom 24. 2. 1972 nicht ausdrücklich erwähnt wurde, begründet ebenfalls keine Bedenken gegen die Redlichkeit der Nutzer. Zunächst ist die Abbildung der zahlreich örtlich betroffenen Grundstücke und deren Änderung im zeitlichen Verlauf in der Natur für den alltäglichen Nutzer schwer nachvollziehbar und praktisch erfolgte die Nutzung gerade nicht im Bewusstsein der Lage bestimmter Grundstücke, ihrer Grenzen und einzelner zu deren Gunsten verbücherte Rechte, sondern im Vertrauen auf den örtlichen Wegbestand und dem langjährig geübten Gebrauchsverhalten der Beteiligten im Sinn eines Interessentenwegs.

[33] 2.6. Soweit sich die Klägerin zur fehlenden Gutgläubigkeit auf § 16 Abs 5 Tir StraßenG und die dort vorgesehene Bekanntmachung des Zeitpunkts des Gemeingebrauchs bezieht, steht dem entgegen, dass die Erklärung zum öffentlichen Interessentenweg nicht auf dieser Rechtsgrundlage beruhte, sondern auf Basis des § 43 Tir Straßengesetz 1950 erfolgt sein musste.

[34] 3. Die Ansicht des Erstgerichts, dass die geringfügige Wegverlagerung der Ersitzung nicht entgegensteht, greift die Klägerin in ihrer Berufung – zutreffend (RS0011751) – nicht an.

[35] 4. Dass der Erwerber einer Liegenschaft eine offenkundige Dienstbarkeit, gegen sich gelten lassen muss, auch wenn sie nicht verbüchert ist, entspricht ebenfalls gesicherter Rechtsprechung (RS0034803 [insb T5]).

[36] 5. Die Klägerin wendet letztlich noch ein, es sei schon aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen, dass ihr mit der bekämpften Entscheidung im Ergebnis Erhaltungskosten für die Zufahrt eines nicht beeinflussbaren und potenziell wachsenden Personenkreises auferlegt werden. Dem ist zu entgegnen, dass die Klärung des Kreises der befugten Nutzer nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist und der Aufwand für die Erhaltung der dienstbaren Sache nach § 483 ABGB nicht den Liegenschaftseigentümer trifft (vgl dazu auch 6 Ob 138/09a).

[37] C. Ergebnis:

[38] 1. Der beklagten Straßeninteressentschaft kommt Rechtsfähigkeit betreffend den auf Ersitzung gegründeten Erwerb einer Dienstbarkeit an einem Weggrundstück zu. Die Vorinstanzen haben auch das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen zutreffend bejaht. Das Klagebegehren, das sich gegen ein Nutzungsrecht der Beklagten richtet, muss demnach erfolglos bleiben.

[39] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.