JudikaturJustiz7Ob196/68

7Ob196/68 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 1968

Kopf

SZ 41/136

Spruch

Rechtsnatur und Umfang des Anspruchs des Nacherben. Ersatzrecht des Nachlasses, auch bei befreiter Nacherbschaft.

Entscheidung vom 16. Oktober 1968, 7 Ob 196/68.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Matthias S. setzte mit Testament vom 17. September 1957 seine Ehegattin Hermine S. zur Universalerbin mit der Verpflichtung ein, die Erbschaft, soweit sie im Zeitpunkt des Ablebens der Hermine S. noch vorhanden ist, zwölf namentlich angeführten Nacherben, nämlich Nichten und Neffen des Matthias S. zu überlassen. Matthias S. starb am 30. November 1959; der Verlassenschaftsabhandlung wurde ein reiner Nachlaß von 6.736.751 S zugrunde gelegt und der Nachlaß der Witwe Hermine S. zur Gänze eingeantwortet. Der Nachlaß bestand im wesentlichen aus dem Betriebsvermögen der Firmen "Textilgroßhandel Matthias S." und "Matthias S. Einzelhandel", einer Anzahl von Liegenschaften, einem Girokonto beim Bankhaus K. mit einer Einlage von über 500.000 S, einem Konto bei der Bank für Handel und Industrie in Graz mit einer Einlage von über 65.000 S, einem Konto bei der Länderbank Filiale Graz mit einer Einlage von über 25.000 S, verschiedenen Wertpapieren, Fahrnissen und Forderungen, so insbesondere gegen die Firma R. von 500.000 S.

Die beiden Unternehmen Matthias S.'s wurden im Sinn seines Testaments an Angestellte verkauft und der erzielte Kaufpreis von 4.400.000 S teils an die Erbin ausbezahlt, teils (1.900.000 S) zur Bezahlung verschiedener Privatausgaben der Erbin, von Steuern, Notars- und Anwaltskosten und zur Auszahlung von Legaten verwendet. Als Rückzahlung der Einlage der Hermine S. bei dem Unternehmen ihres Gatten wurden ihr Wertpapiere und ein PKW im Wert von rund 500.000 S übergeben. Einen Teil der der Erbin auf diese Weise zugeflossenen Gelder vergab sie als Hypothekdarlehen mit einem Zinsfuß von 8 bis 10% weiter.

Am 18. November 1963 errichtete Hermine S. ein Testament, worin sie die Beklagte zu ihrer Universalerbin einsetzte. Sie betonte darin ausdrücklich, daß sie wegen der letztwilligen Verfügung ihres Gatten sich nur berechtigt erachte, über ihr Privatvermögen, bestehend aus der Wohnungseinrichtung, ihren persönlichen Effekten und ihrer Einlage bei der Firma S. von 500.000 S, vermehrt um die Einnahmen aus den Häusern am J.-Platz, zusammen also über 1.130.000 S, zu verfügen. Das ihr aus der Veräußerung des Geschäftes ihres Gatten zugekommene Geld, abzüglich der Erbgebühren und Steuern, habe sie nutzbringend in Hypotheken angelegt.

Hermine S. starb am 27. Jänner 1964. Nach ihrem Tod waren laut Vermögensbekenntnis die Wohnungseinrichtung, ein PKW, ein Barbetrag von 219.000 S, ein Guthaben beim Bankhaus K. von 19.000 S und Hypothekarforderungen im Wert von 2.182.000 S vorhanden. Dieser Nachlaß wurde der Beklagten zur Gänze eingeantwortet. Im Substitutionsnachlaßverfahren nach Matthias S. wurden den Nacherben, darunter den Klägern, der Substitutionsnachlaß, von dem angenommen wurde, daß er nur aus den Liegenschaften bestehe, zu je 1/36 eingeantwortet.

Die Kläger begehren mit der vorliegenden Klage von der Erbin nach Hermine S. die Bezahlung von je 60.000 S, weil sie der Meinung sind, daß nicht nur die Liegenschaften, sondern das gesamte über die Geschäftseinlage der Hermine S. von 500.000 S und ihre persönlichen Effekten hinausgehende, an deren Todestag noch vorhandene Vermögen, insbesondere also die Hypothekarforderungen, in den Substitutionsnachlaß fallen und die Erbteile der Kläger den eingeklagten Betrag ausmachen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, für das eigene Vermögen der Hermine S. und alles ererbte Vermögen habe nur ein einziges Konto beim Bankhaus K. bestanden, auf das alle Einzahlungen erfolgt seien. Es seien also die Vermögensbestandteile der Hermine S. und des Nachlasses vermengt worden, sodaß eine Unterscheidung der einzelnen Vermögensmassen nicht mehr möglich sei. Hermine S. habe über dieses Vermögen verfügt. Die Nacherben hätten nur Anspruch auf das Vermögen, das nach dem Tod des Vorerben noch vorhanden sei. Hermine S. habe durch die Vermengung der beiden Eigentumsmassen Eigentum erworben und darüber u. a. durch Gewährung von Hypothekardarlehen verfügt. Die vorliegende Klage sei eine Eigentumsklage, die auf Herausgabe von Geldbeträgen abziele. Geld sei aber nur so lang Gegenstand einer Eigentumsklage, als es unterscheidbar vorhanden sei. Da im vorliegenden Fall die einzelnen Vermögensmassen nicht mehr abgesondert werden könnten, könnten sie auch nicht Gegenstand einer Eigentumsklage sein. Zur Substitutionsmasse gehörten daher nur die Liegenschaften, über das andere Vermögen habe Hermine S. frei verfügen können und auch verfügt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus, die Klage gehe nicht auf Herausgabe einzelner Geldzeichen, sondern auf Bezahlung bestimmter Beträge, die sich in einem Sammeldepot befänden. Das Eigentum könne daher mit der sogenannten Quantitätsvindikation verfolgt werden. Der Nachlaß nach Matthias S. habe außer aus den Liegenschaften vor allem aus dem Verkaufserlös der Geschäfte und aus Wertpapieren bestanden. Was hievon noch vorhanden sei und von der Vorerbin nicht verbraucht wurde, gehöre den Nacherben; hierüber habe die Vorerbin nicht testieren dürfen. Dem Vorerben sei es nicht gestattet, den objektiven Bestand der Nacherbschaft zu seinen Gunsten dadurch zu verändern, daß er Vermögensstücke des Nachlasses seinem eigenen Vermögen zuweise. Eine Vermengung habe auch deshalb nicht erfolgen können, weil Hermine S. selbst die beiden Massen auseinandergehalten habe. Es müsse daher geklärt werden, was von dem eigenen Vermögen der Hermine S. an ihrem Todestag noch vorhanden war.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Für den Nachlaß gilt der Grundsatz des Ersatzrechtes, also der dinglich wirkenden Surrogation. Das bedeutet, daß der Nachlaß als Sondervermögen in seinem durch regelmäßige Verwaltung herbeigeführten Stand im Sinne des Wertbestandes erhalten bleiben soll. Was also durch Aufopferung von Nachlaßmitteln durch Rechtsgeschäfte erworben wurde, fällt an den Nachlaß. Soweit Gegenstände bei Eintritt des Nacherbfalles an den Nacherben herauszugeben gewesen wären, ist der für sie eingegangene Geldbetrag zu leisten (Weiß in Klang[2] III 9 und 407). Dieser Grundsatz der Surrogation gilt auch bei der befreiten Nacherbschaft (fideicommissum eius, quod supererit) und entscheidet darüber, ob ein Nachlaßgegenstand noch vorhanden ist. Hat der Vorerbe die ihm angefallenen Werte z. B. in eine Handelsgesellschaft eingebracht, so sind sie in dem dadurch erworbenen Geschäftsanteil oder in dem durch die Einbringung vermehrten Kapitalsanteil noch vorhanden (Weiß a. a. O. 434). Hat, wie im vorliegenden Fall, der Vorerbe Vermögenswerte veräußert und den Erlös auf ein ihm gehöriges Bankkonto eingezahlt oder davon Darlehen gewährt, dann ist der Nachlaß in diesen Werten noch vorhanden. Wie schon das Berufungsgericht unter Hinweis auf Weiß bei Klang[2] III 433 ausgeführt hat, ist es auch dem befreiten Vorerben nicht gestattet, den objektiven Bestand der Nachbarschaft dadurch zu seinen Gunsten zu verändern, daß er etwa Vermögensstücke aus dem mit der Nacherbschaft belasteten Vermögen seinem eigenen Vermögen zuweist. Wenn auch der Vorerbin das freie Verfügungsrecht über den Nachlaß zustand und sie ihn allenfalls auch zur Gänze verbrauchen durfte, so konnte sie die Nacherbschaft doch nicht dadurch schmälern, daß sie aus dem Nachlaß Darlehen gewährte und diese Forderungen dann als ihr eigenes Vermögen, über das sie frei testieren durfte, behandelte oder Teile des Nachlaßvermögens auf ihr eigenes Konto einzahlte.

Die Kläger machen nicht das Eigentum an einzelnen Erbschaftsstücken geltend, was mit der Eigentumsklage zu geschehen hätte, sondern sie machen ihren Erbquoten entsprechende Anteile an der Erbschaft geltend und verlangen die diesen Quoten entsprechenden Teile der Erbschaft, die hier in Geld bestehen, weil ja auch die Darlehen, die von der Vorerbin gewährt worden waren, inzwischen an die Beklagte zurückgezahlt wurden. Der Anspruch der Erbschaftskläger ist nur dann ein dinglicher, wenn er auf Herausgabe bestimmter Nachlaßgegenstände gerichtet ist, aber ein persönlicher, wenn er die Herausgabe des Gegenwertes, den Ersatz verbrauchter Früchte, die Erstattung von Gegenständen, an denen der Erbschaftsbesitzer durch Vermischung Eigentum erlangt hat, zum Ziel hat Schell in Klang[1] II/1 845). Die Kläger als Nacherben können die Vermögensteile des Erblassers bzw. deren Surrogate samt Früchten verlangen, die im Zeitpunkt des Todes der Vorerbin vorhanden waren. Die Früchte allerdings gemäß §§ 613, 519 ABGB. erst ab Nacherbfall. Die vom ersten Erbanfall bis dahin angefallenen Früchte gehören zum frei vererblichen Vermögen des Vorerben (Weiß in Klang[2] III 420, Gschnitzer, Erbrecht S. 75, Ehrenzweig, Erbrecht[2] S. 467). Das Berufungsgericht hat daher mit Recht dem Erstgericht aufgetragen, dies zu überprüfen. Um den Rechtsstreit richtig entscheiden zu können, muß geklärt werden, was im Zeitpunkt des Todes der Vorerbin an ihren eigenen Vermögenswerten vorhanden war und was vom Vermögen ihres Gatten. Erst dann kann entschieden werden, worauf die Kläger als Nacherben Anspruch haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, ob die Vorerbin in erster Linie das von ihrem Gatten stammende Vermögen verbraucht und ihr eigenes Vermögen erhalten und vermehrt hat.

Es kann aber auch der Meinung der Kläger nicht gefolgt werden, die Sache sei bereits auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen spruchreif, weil nicht geklärt wurde, welche Hypothekardarlehen die Vorerbin aus ihrem eigenen Vermögen gewährt hat. Über diese Darlehen und deren Erträgnisse konnte sie frei verfügen. Die Berechnung der Vorerbin selbst reicht hiezu nicht aus.