JudikaturJustiz7Ob190/12k

7Ob190/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. U***** M*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Juli 2012, GZ 1 R 41/11t 13, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 22. Dezember 2010, GZ 16 C 858/09g 10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsschutzversicherungsvertrag, auf den die Klägerin ihren Deckungsanspruch stützt, wurde für die Vertragsdauer von 29. 11. 2000 bis 29. 11. 2001 abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag lagen die „Vertragsgrundlagen zur Ö*****Mobilitäts und Konsumenten-Rechtschutzversicherung der G***** AG 2000“ zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

Art 17 Konsumenten Rechtschutz:

1. Voraussetzungen für den Versicherungsschutz

1.1. Versicherte Eigenschaft

Versichert sind der Versicherungsnehmer und Familienangehörige als Privatpersonen.

(...)

2. Umfang des Versicherungsschutzes

2.1. Versicherte Risiken

Versicherungsschutz besteht für folgende, abschließend aufgezählte Risiken:

(...)

2.1.2 Versicherungsrecht

Geltendmachung von Ansprüchen des Versicherten aus seinen Vertragsverhältnissen mit europäischen privaten Versicherungen.

(...)

Die Klägerin nahm im Jahr 2001 bei der Bank ***** AG einen endfälligen Kredit in Höhe von 2,5 Mio ATS für die Renovierung ihrer Zahnarztordination auf. Parallel zur Kreditaufnahme schloss sie bei der C***** Ltd, einem englischen Lebensversicherer, einen Lebensversicherungs-vertrag ab, dem die Verbraucherinformation und Polizzenbedingungen „W***** Lebensversicherung“ zugrunde lagen. Sie verpflichtete sich, monatlich 1.403,85 EUR in die Lebensversicherung einzuzahlen. Die Rechte und Ansprüche aus dieser Lebensversicherung wurden an die kreditgewährende Bank abgetreten. Als monatliche Ansparrate mussten mindestens 10.000 ATS (726,73 EUR) in die als Tilgungsträger bezeichnete Lebensversicherung einbezahlt werden. Weiters war die Kapitaltilgung nach Ablauf der Versicherungsdauer in Form der Ausschüttung aus dem genannten Tilgungsträger zuzüglich allfälliger angesammelter Gewinnteile/Schlussboni vorgesehen.

Die Klägerin ersuchte die Beklagte (unter Anschluss eines Entwurfs für die Deckungsklage) um Deckung für die Inanspruchnahme der C***** Ltd wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung. Sie begehrt die Feststellung der Haftung des (englischen) Lebensversicherers für sämtliche Schäden, die aus dem Abschluss der Kapitallebensversicherung resultieren, hilfsweise die Feststellung der Haftung des Lebensversicherers dafür, dass die in der Musterberechnung als Mindestwertentwicklung ausgewiesenen 4,5 % zum vereinbarten Vertragsende 11. 9. 2016 auch tatsächlich erzielt werden.

Der Lebensversicherer habe eine „Kapitallebensversicherung Wealth master noble des Typs Euro-Pool Serie II“ angeboten, bei der mit regelmäßigen Beitragszahlungen Anteile an einem „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“ erworben würden. Er habe garantiert, dass der Wert der einzelnen Pool Anteile nicht fallen könne. Daneben habe sie bei der Bank ***** AG einen Kredit von 2,5 Mio ATS aufgenommen. Der gesamte Kreditbeitrag sei am 30. 9. 2016 zur Rückzahlung fällig. Die Abtretung der Rechte und Ansprüche aus der Versicherung mit dem Lebensversicherer mit einer Ansparrate von monatlich mindestens 10.000 ATS (Tilgungsträger) sei integrierter Vertragsbestandteil. Vorgesehen sei die Kapitaltilgung nach Ablauf der 15 jährigen Vertragsdauer in Form der Ausschüttung aus dem Tilgungsträger zusätzlich allfälliger angesammelter Gewinnteile/Schlussboni gewesen. Bei einem bloß 4%igen Ertrag des Versicherungsansparplans hätten diese bei Endfälligkeit zumindest den Tilgungsträger von 303.570 EUR ergeben. Nunmehr habe sich herausgestellt, dass anstelle des zugesicherten Wertzuwachses eine kontinuierliche Wertminderung eingetreten sei. So habe sie bislang 127.904,19 EUR eingezahlt, der Kapitalwert betrage aber nur mehr 99.931,28 EUR, der Rückzahlungswert 90.595,08 EUR. Sie sei bei Abschluss der Lebensversicherung arglistig getäuscht worden, jedenfalls stehe ihr wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch dem Versicherer zurechenbare Vermittler Schadenersatz zu. Der Schaden stehe noch nicht fest, weil bis zur Kündigung bzw dem Auslaufen des Versicherungsvertrags weitere Kursschwankungen eintreten könnten. Sie habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung des Versicherers.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung der Pflicht zur Rechtsschutzdeckung für die Feststellungsklage gegen den Lebensversicherer und die Feststellung der Haftung für sämtliche Schäden, die aus der verzögerten Einbringung der Feststellungsklage resultieren könnten.

Die Beklagte treffe die Pflicht zur Deckung dieser Klage. Die Lebensversicherung sei auch zu dem Zweck abgeschlossen worden, um für die Klägerin eine entsprechende Altersversorgung zu gewährleisten.

Die Beklagte wandte ein, dass gemäß Art 17.1.1 AVB der Versicherungsnehmer nur als Privatperson versichert sei. Der von der Klägerin abgeschlossene Versicherungsvertrag sei aber ein bekanntes Steuersparmodell für selbständige Unternehmer gewesen. Der Klägerin müsse klar gewesen sein, dass sie nicht eine simple Lebensversicherung abgeschlossen, sondern sich bei einem britischen Versicherer an bestimmten Investmentfonds beteiligt habe. Davon ausgehend sei der Risikoausschluss des Art 17.2.1.3.1 AVB einschlägig, weshalb kein Versicherungsschutz bestehe. Weiters sei die Beteiligung an spekulativen Wertpapieren selbst bereits eine spekulative Erwerbstätigkeit, die im Privatrechtsschutz oder Konsumentenrechtsschutz grundsätzlich keine Deckung finde. Zuletzt sei der vorliegende Klagsentwurf auch unschlüssig. Eine Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden, die aus der verzögerten Einbringung der Feststellungsklage resultieren würden, bestehe nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin genieße lediglich als Privatperson Versicherungsschutz. Der Kredit, zu dessen Besicherung die Lebensversicherung als Tilgungsträger abgeschlossen worden sei, sei für betriebliche Zwecke aufgenommen worden. Sinn und Zweck des Abschlusses der Lebensversicherung sei es gewesen, diese als Tilgungsträger für die Rückzahlung der Kreditverbindlichkeiten aufzubauen. Auch der Abschluss der Lebensversicherung sei somit nicht dem privaten, sondern vielmehr dem beruflichen Bereich der Klägerin zuzuordnen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Ob es sich bei dem strittigen Finanzprodukt um eine kapitalanlagenorientierte Lebensversicherung handle, könne dahingestellt bleiben, weil im Vordergrund der Vereinbarung der Erwerb von Aktien stehe. Dass dieser in die Form einer „Kapitallebensversicherung“ gekleidet worden sei, vermöge am Ausschluss des Versicherungsschutzes für Streitigkeiten „aus der Anlage oder Verwaltung von Wertpapieren und anderer am Markt befindlicher Anlagearten“ nichts zu ändern.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt in ihrer Revisionsbeantwortung , der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Im Rechtsschutzversicherungsvertrag kommen als versicherte Gefahren verschiedene Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse des Versicherungsnehmers in Betracht, aus denen sich ein Bedarf nach Rechtsschutz ergeben kann ( Schauer , Das österreichische Versicherungsvertragsrecht S 443).

2. In der hier relevanten ***** Konsumenten-Rechtsschutzversicherung sind der Versicherungsnehmer und Familienangehörige als Privatpersonen versichert (Art 17.1.1).

Das Rechtsschutzrisiko im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit ist im Durchschnitt höher und wesentlich differenzierter als die aus einer dem privaten Bereich zuordenbaren Tätigkeit. In der Privatrechtsschutzversicherung liegt das Risiko der Nichtselbständigen der Prämienkalkulation zugrunde. Mit dieser Überlegung geht das Interesse der Versicherungsgemeinschaft an möglichst niedrigen Beiträgen einher ( Mathy VersR 2005, 877).

Mit dem Versprechen des Versicherers in der Konsumenten-Rechtsschutzversicherung, dem Versicherungs-nehmer Rechtsschutz als Privatperson zu gewähren, schränkt der Versicherer das versicherte Risiko ein (7 Ob 46/04x). Versichert ist eine dem privaten Bereich des Versicherungsnehmers zuzuordnende (bestimmte) Interessenwahrnehmung. Die Wahrnehmung von Interessen im Zusammenhang mit einer geschäftlichen (selbständigen) Tätigkeit ist vom Versicherungsschutz hingegen nicht umfasst.

3. Die Frage, ob eine bestimmte Interessenwahrnehmung dem versicherten privaten oder dem nicht versicherten selbständigen Bereich zuzuordnen ist, ist nicht immer leicht zu klären. Auf Grund der vergleichbaren Problemstellung können die im Zusammenhang mit den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2000/2009) von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze herangezogen werden.

Danach gehört die Interessenwahrnehmung nicht mehr zur privaten Sphäre des Versicherungsnehmers, wenn ein innerer sachlicher Zusammenhang von nicht ungeordneter Bedeutung zwischen der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen und der unternehmerischen Tätigkeit besteht. Ein bloß zufälliger Zusammenhang reicht nicht aus, die Interessenwahrnehmung darf durch die selbständige Tätigkeit nicht lediglich verursacht oder motiviert sein. Die Interessenwahrnehmung ist auch dann nicht mehr dem privaten Bereich zuordenbar, wenn ein nur mittelbarer Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit besteht ( Mathy Aktuelle Fragen zum Versicherungs-vertragsrechtsschutz in der Rechtsschutzversicherung VersR 2005, 878; Wendt Vertiefung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtsschutzversicherung r+s 2008, 221 ff, Stahl in Harbauer Rechtsschutzversicherung 8 § 23 ARB 2000 Rz 25, BGH VersR 1992, 1510; VersR 1995, 166).

Die Wahrnehmung der Interessen gehört dann zum privaten Bereich, wenn sie nicht selbst geschäftlichen Charakter hat, also der Versicherungsnehmer damit nicht eigene geschäftliche Interessen verfolgt (7 Ob 46/04x).

4. Der Abschluss einer Lebensversicherung kann zwar durchaus der Vorsorge für den privaten Bereich dienen. Wird eine solche aber als Tilgungsträger für einen für das Unternehmen aufgenommenen nicht unbeträchtlichen - Kredit vorgesehen, so besteht jedenfalls ein innerer sachlicher Zusammenhang von nicht bloß untergeordneter Bedeutung zwischen der beabsichtigten Wahrnehmung der rechtlichen Interessen gegenüber dem Lebensversicherer und der geschäftlichen Tätigkeit. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen gegenüber dem Lebensversicherer aus der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen ist daher dem geschäftlichen Bereich der Klägerin zuzuordnen. Aus den Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -widerspruchsfrei, dass die Klägerin die Lebensversicherung deswegen abschloss, um mit der Versicherungssumme den endfälligen Kredit, den sie für die Renovierung ihrer Ordination aufgenommen hatte, zurückzuzahlen. Zur diesbezüglichen Beweisrüge in der Berufung der Klägerin, mit der sie die Ersatzfeststellung begehrte, dass der Abschluss der Lebensversicherung und des Kreditvertrags in keinem unmittelbaren Zusammenhang gestanden seien und die Lebensversicherung der Pensionsabsicherung der Klägerin habe dienen sollen, führte das Berufungsgericht aus, dass die gewünschte Ersatzfeststellung gerade nicht getroffen werden könne. Damit ist von den betreffenden Feststellungen des Erstgerichts auszugehen.

Dass das Erstgericht der Klägerin zubilligte, dass sie die aus dem Konstrukt erhofften, über den Kreditsaldo hinausgehenden Gewinne allenfalls für ihre Pensionsvorsorge verwenden wollte, steht der Feststellung über den primären Zweck der abgeschlossenen Lebensversicherung nicht entgegen. Die Erwartung eines entsprechenden Überschusses aus dem Kreditfinanzierungsmodell, der dann allenfalls zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen sollte, ändert nichts an dessen grundsätzlich geschäftlichem Charakter.

Diese Wertung entspricht auch den Grundsätzen zur Abgrenzung von unternehmensbezogenen und privaten Geschäften nach dem Konsumentenschutzgesetz, die ebenfalls auf die hier relevante Frage in der vorliegenden Konsumentenrechtsschutzversicherung übertragen werden können. Danach sind Geschäfte, die teils zur privaten, teils zur unternehmerischen Sphäre gehören, zur Gänze als Unternehmensgeschäfte zu werten ( Krejci in Rummel ³ § 1 KSchG Rz 23, Apathi in Schwimann ABGB³ V § 1 KSchG Rz 11; RIS Justiz RS0115515, RS0112255 [T2], RS0065380).

Da die Verpflichtung der Beklagten zur Rechtsschutzdeckung schon deshalb zu verneinen ist, weil die Interessenwahrnehmung der Klägerin nicht dem versicherten privaten Bereich zuzuordnen ist, stellt sich die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
3
  • RS0112255OGH Rechtssatz

    24. September 2019·3 Entscheidungen

    Das Kündigungsrecht nach § 8 Abs 3 VersVG ist auf Verbraucher im Sinn des KSchG zu beschränken, weil einem Unternehmer zugesonnen werden kann, dass er die Tragweite langfristiger vertraglicher Bindungen richtig einschätzt. § 8 Abs 3 VersVG soll für Verträge nicht voll gelten, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen wurden. Eine uneingeschränkte Rückwirkung dieser Bestimmung auf bestehende Verträge würde in unvertretbarer Weise in die vertragliche Gestaltungsfreiheit des Versicherers eingreifen, der ja bei diesen Verträgen die Prämie im Vertrauen auf eine lange Laufzeit kalkuliert hat. § 8 Abs 3 zweiter Satz VersVG ist auf Verträge, die vor dem 1. Jänner 1995 geschlossen worden sind, mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Versicherer auch die Differenz zwischen der vereinbarten Prämie und der Prämie für Verträge mit einer Laufzeit, die der tatsächlich verstrichenen Laufzeit entspricht, verlangen kann, falls er zur Zeit der Eingehung des Versicherungsvertrages in seinem Tarif eine Prämie für derartige Verträge mit kürzerer Laufzeit vorgesehen hatte. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber offenbar verhindern, dass ein Versicherer vom rückwirkenden zeitlichen Geltungsbereich des § 8 Abs 3 VersVG überrascht wird und er einen dem Versicherungsnehmer de facto gewährten Dauerrabatt deswegen nicht zurückfordern kann, weil er unter der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses berechtigten Annahme, dass dem Versicherungsnehmer ohnehin kein ordentliches Kündigungsrecht zukomme, diesbezüglich keine Abrede getroffen hat.