JudikaturJustiz7Ob155/12p

7Ob155/12p – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Versicherung AG *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Juni 2012, GZ 15 R 106/12m 11, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die §§ 108g Abs 1 Z 2 und 108i Abs 1 EStG derogieren nach ständiger Rechtsprechung den §§ 165 Abs 1, 178 Abs 1 VersVG, weshalb die Prämienrückforderung einer im Rahmen der staatlich geförderten prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge (PZV) abgeschlossenen Lebensversicherung innerhalb von zumindest zehn Jahren ausgeschlossen ist (RIS Justiz RS0127200). „Zumindest“ bedeutet, dass der Versicherungsnehmer bei der PZV nicht vor Ablauf von zehn Jahren verfügen darf. Dem Versicherer wird hingegen nicht das Recht eingeräumt, einen länger als zehn Jahre währenden Kündigungsverzicht vom Versicherungsnehmer zu verlangen. (RIS Justiz RS0127200 [T1]). Soweit der § 165 Abs 1 VersVG durch das EStG nicht derogiert wurde, bleibt er aufrecht. Danach steht dem Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung auch in Form der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge ein jederzeitiges Kündigungsrecht für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu (7 Ob 40/12a = RIS Justiz RS0127200 [T2]).

Die hier maßgebende Auslegungsfrage hat der Oberste Gerichtshof also bereits beantwortet. In der Entscheidung 7 Ob 40/12a, die ebenfalls eine Verbandsklage betraf, hat der erkennende Senat dazu im Einzelnen (wie schon im Berufungsurteil wiedergegeben ist) Folgendes ausgeführt:

Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, dass die §§ 108g Abs 1 Z 2 und 108i Abs 1 EStG das durch § 165 Abs 1 VersVG eingeräumte Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers einschränken. In diesem Zusammenhang ist die Wendung „zumindest zehn Jahre“ auszulegen. „Zumindest“ bedeutet damit, dass der Versicherungsnehmer bei der PZV nicht vor Ablauf von zehn Jahren verfügen darf. Genau das ergibt sich auch aus den (auch von der Revision zitierten) Gesetzesmaterialien (AB 1285 BlgNR XXI. GP 9: Nach Ablauf der Zehnjahresfrist kann der Steuerpflichtige über sein Kapital nach Maßgabe des § 108i Z 1, Z 2 oder 3 EStG 1988 verfügen. Demgemäß ist auch eine Herausnahme des Kapitals möglich ). Die Vergünstigung soll also dem Steuerpflichtigen nur zustehen, wenn er sich unwiderruflich zu einer mindestens (dh nicht weniger als) zehnjährigen Kapitalbindung verpflichtet. Die Bestimmungen des EStG beziehen sich naturgemäß auf den Steuerpflichtigen. Nichts deutet darauf hin, dass damit auch dem Versicherer ein Recht hätte eingeräumt werden sollen, nämlich das Recht, vom Versicherungsnehmer (fernab von weiteren steuerlichen Begünstigungen) einen Kündigungsverzicht auf unbestimmte Dauer zu verlangen. Der Versicherer ist bloß „indirekter“ Nutznießer der Regelung im EStG.

Soweit der § 165 Abs 1 VersVG durch das EStG nicht derogiert wurde, bleibt er aufrecht. Danach steht dem Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung auch in Form der PZV ein jederzeitiges Kündigungsrecht für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode zu. Als Versicherungsperiode in diesem Sinn gilt, falls die Prämie nicht nach kürzeren Abschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres (§ 9 VersVG). Von dieser Bestimmung darf gemäß § 178 Abs 1 VersVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers nicht abgewichen werden.

Sieht nun die Beklagte in ihren AVB einen zehn Jahre übersteigenden Kündigungsverzicht des Versicherungsnehmers vor, so werden seine Rechte nach § 165 Abs 1 VersVG verletzt , was nach § 178 Abs 1 VersVG nicht zulässig ist. Die Klauseln sind daher nichtig .

In der vorliegenden außerordentlichen Revision zieht die Rechtsmittelwerberin gar nicht in Zweifel, dass die strittigen Klauseln (mit jeweils 15 jähriger Bindung) ihrer Wirkung nach jenen entsprechen, die zu 7 Ob 40/12a bereits ausdrücklich für unzulässig erachtet wurden. Die Beklagte regt lediglich eine Überprüfung dieser Rechtsansicht an.

Nach ständiger Rechtsprechung reicht bereits eine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, zu der gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und die auch im Schrifttum auf keine beachtliche Kritik gestoßen ist, für das Vorliegen gesicherter Rechtsprechung aus (RIS Justiz RS0103384; 7 Ob 224/11h [zur PZV]; 7 Ob 245/11x). Da diese Voraussetzungen auf die Entscheidung 7 Ob 40/12a (Zak 2012/411, 214 = RdW 2012/416, 400 = ecolex 2012/317, 780) zutreffen, ist die von der Beklagten neuerlich aufgeworfene Frage nicht (mehr) erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, zumal die Revisionswerberin einen neuen Aspekt, der an der Richtigkeit der Erwägungen des Obersten Gerichtshofs in dieser Entscheidung zweifeln ließe, nicht aufzeigt (vgl RIS Justiz RS0103384 [T4]). Dass gegenteilige Entscheidungen vorlägen oder an der zitierten Entscheidung im Schrifttum Kritik geübt worden wäre, macht die Revisionswerberin zu Recht gar nicht geltend.

Ihr Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.