JudikaturJustiz6Ob699/86

6Ob699/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Abhandlung der Verlassenschaft nach der am 8. September 1980

gestorbenen Josefa R***, zuletzt Pensionistin in Wien 1., Kramergasse 9/1, infolge Revisionsrekurses der Verlassenschaft nach Ilse K***, zuletzt zahnärztliche Assistentin in Wien 12., Spittelbreitengasse 46/1/10, vertreten durch die erbserklärten Erben

a) Therese M***, Pensionistin, Wien 1., Kramergasse 9, b) Johann K***, Angestellter, Wien 18., Sternwartestraße 84, und c) Dr. Franz K***, öffentlicher Notar in Großgerungs, Linzerstraße 3, die beiden erstgenannten Erben vertreten durch den Drittgenannten, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 23. Oktober 1986, GZ 43 R 577/86-70, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15. Juli 1986, GZ 7 A 694/80-65, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin ist am 8. September 1980 im 75. Lebensjahr gestorben. Sie war Witwe und hinterließ keine Kinder. Sie wurde von einer Schwester und der Tochter einer vorverstorbenen Schwester überlebt. Diese beiden Seitenverwandten erklärten sich aufgrund des Gesetzes unter der Rechtswohltat des Inventars zu Erben. Das Abhandlungsgericht nahm diese Erbserklärungen an. Die erbserklärte Nichte der Erblasserin ist am 29. Dezember 1983 gestorben. Ihre Tante, die Miterbin in der hier anhängigen Abhandlung, und zwei Vettern gaben bedingte Erbserklärungen ab. Diese Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Den erbserklärten Erben wurde auch die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses und insbesondere dessen Vertretung in der hier anhängigen Abhandlung übertragen. In der mit 4. Januar 1986 datierten gemeinschaftlichen Eingabe der Schwester der Erblasserin und der Verlassenschaft nach der nachverstorbenen Nichte der Erblasserin gaben die erbserklärten Erben nach der nachverstorbenen Nichte bekannt, daß sie in der Abhandlung deren Nachlasses erklärt hätten, ihr Erbrecht nicht in Anspruch zu nehmen und auf die Ausstellung einer Einantwortungsurkunde ausdrücklich zu verzichten; in Übereinstimmung damit erklärten sie in der hier anhängigen Abhandlung, "gleichfalls ihr Erbrecht nicht geltend zu machen und auf die Ausstellung einer Einantwortungsurkunde ausdrücklich zu verzichten". Die Schwester der Erblasserin, die nach dem Willen der Einschreiter Alleinerbin sein sollte, gab (in inhaltlicher Erweiterung ihrer bereits zu Gericht angenommenen Erbserklärung) ausdrücklich eine bedingte Erbserklärung zum ganzen Nachlaß ab.

Das Abhandlungsgericht nahm die Erklärungen der Verlassenschaft nach der Nichte der Erblasserin, das gesetzliche Erbrecht nicht in Anspruch zu nehmen und auf die Erlassung einer Einantwortungsurkunde zu verzichten, nicht an.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Verlassenschaft nach der Nichte der Erblasserin dagegen erhobene Revisionsrekurs ist mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs. 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes zurückzuweisen.

Die im Zuge der gerichtlichen Abhandlung eines Nachlasses gegenüber dem Abhandlungsgericht abgegebene Erklärung, eine angefallene Erbschaft anzutreten, ist eine Verfahrenserklärung, die den Antrag auf Einweisung in den rechtlichen Besitz der Verlassenschaft durch entsprechenden Gerichtsbeschluß, die Einantwortung, in sich begreift, der Erklärung kommt aber gleichzeitig unmittelbare materiellrechtliche Bedeutung für die erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge zu. Um dieser Wirkung willen bestimmt § 806 ABGB in seinem ersten Halbsatz, daß der Erbe seine gerichtliche Erbserklärung nicht mehr widerrufen könne.

Die Vorinstanzen haben in Anwendung dieser Gesetzesvorschrift die namens der Verlassenschaft der nach Abgabe einer bedingten Erbserklärung verstorbenen Miterbin abgegebene Erklärung, "ihr gesetzliches Erbrecht nicht geltend zu machen und auf die Ausstellung einer Einantwortungsurkunde ausdrücklich zu verzichten", der Sache nach zurückgewiesen.

Darin ist entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht keine offenbare Gesetzwidrigkeit zu erkennen.

Das Gesetz läßt jedem zur erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge Berufenen die Freiheit, das ihm angefallene Recht anzutreten oder nicht, es bindet ihn aber an eine einmal (formell und inhaltlich den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende) diesbezüglich abgegebene Erklärung. Ordnet § 806 ABGB die Unwiderruflichkeit der gerichtlichen Erbserklärung an, verstößt es nicht gegen Grundregeln der Gesetzesauslegung, dem Inhalt der zu Gericht angenommenen Erbserklärung eine durch gegenteilige Erklärungen des erbserklärten Erben nicht mehr beeinflußbare Bedeutung für die Einantwortung beizulegen. Die Ansicht, daß der erbserklärte Erbe die im Sinne seiner Antrittserklärung erworbene Stellung im Zuge der Abhandlung und der Rechtsnachfolge nicht mehr aufgeben könne, schränkt die Befugnis des Erben nicht ein, im Rahmen und aufgrund seiner durch die Erbserklärung erworbenen Rechtsstellung Verfügungen zu treffen, aber nur als eine unwiderruflich zur erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge bereite Personen, die etwa im Rahmen einer Erbteilung, sei es gegen angemessenes Entgelt oder schenkungshalber, ihr anteilsmäßig zugefallene Nachlaßstücke auch einem Miterben zukommen lassen könnte, aber die mit den Rechten und Pflichten eines Gesamtrechtsnachfolgers verbundene Rechtsstellung nicht (durch Verzicht) gewissermaßen an den Erblasser oder zur Verfügung der Abhandlungsbehörde rückübertragen dürfte.

Die Rechtsmittelwerber haben keine stichhaltige Begründung dafür zu geben vermocht, daß die von ihnen bekämpfte Gesetzesauslegung der Vorinstanzen offenbar gesetzwidrig sein könnte. Vor allem gehen ihre Ausführungen über ein Aufrechtbleiben der Erbserklärung und der mit ihr übernommenen Pflichten bei einer Einschränkung der Erklärungswirkung auf einen Verzicht auf Rechte an der Bindung an die als Einheit aufzufassende Erbserklärung vorbei. Mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs. 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Rechtssätze
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