JudikaturJustiz6Ob659/79

6Ob659/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 1979

Kopf

SZ 52/107

Spruch

Ist Anfechtungsgegenstand nicht bloß die Ablehnung einer Verfahrensunterbrechung, sondern auch die beschlußmäßige Ausschaltung eines Streitgenossen einer einheitlichen Streitpartei, dann ist diese Ausschaltung als Verstoß gegen § 15 Abs. 2 ZPO anfechtbar

Haben bei einer einheitlichen Streitpartei Streitgenossen des Revisionsrekurswerbers ohne seine Mitwirkung die vom Erstgericht angeordnete Verfahrensunterbrechung bekämpft, erstreckt sich ein Rekurserfolg notwendigerweise auch auf den Revisionsrekurswerber

OGH 27. Juni 1979, 6 Ob 659/79 (OLG Innsbruck 5 R 120/79; LG Feldkirch 3 Cg 1317/78)

Text

Die Klägerin ist die Ehefrau des Erstbeklagten. Sie hat ihn auf Einwilligung zur Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an einem Hälfteanteil der in seinem bücherlichen Alleineigentum gestandenen Liegenschaft EZ 584 KG geklagt und zur Sicherung dieses Anspruches ein Veräußerungs- und Belastungsverbot erwirkt. Der Rechtsstreit über dieses Einverleibungsbegehren ist anhängig (3 Cg 1021/78 des Erstgerichtes). Der Erstbeklagte hatte vor grundbücherlicher Anmerkung des richterlichen Veräußerungs- und Belastungsverbotes eine Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaft beantragt und als Verkäufer mit den beiden weiteren Beklagten als Käuferinnen über die strittige Liegenschaft eine Kaufvertragsurkunde errichtet, auf Grund der auch das Eigentumsrecht der beiden Käuferinnen einverleibt wurde.

Mit ihrer gegen den Ehemann und die beiden Liegenschaftskäuferinnen eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, daß der zwischen den Beklagten geschlossene Kaufvertrag ihr gegenüber in Ansehung einer Liegenschaftshälfte unwirksam sei, anderseits begehrte sie die Einwilligung der Beklagten zur (Wieder )Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erstbeklagten an einer Hälfte der erwähnten Liegenschaft. Zur Stützung dieses Begehrens behauptete die Klägerin ein bewußtes Zusammenwirken zu ihrem Nachteil in Umgehung des allen drei Beklagten bekannten richterlichen Veräußerungsverbotes. Der Erstbeklagte einerseits und die beiden weiteren Beklagten andererseits werden in diesem Rechtsstreit nicht durch dieselben Prozeßbevollmächtigten vertreten. Sie bestreiten aber übereinstimmend jede Kenntnis vom richterlichen Veräußerungsverbot bei Abschluß des Kaufvertrages, der nicht erst durch die Beurkundung in der am 21. August 1978 errichteten Kaufvertragsurkunde, sondern vielmehr bereits durch eine am 11. Juli 1978 erklärte Willensübereinstimmung zustandegekommen sei.

In der Tagsatzung vom 26. März 1979 ordnete das Erstgericht nach Erörterung der Prozeßakten über den zwischen den Ehegatten geführten Einverleibungsstreit von Amts wegen die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorerwähnten Rechtsstreites an. Diese Entscheidung begrundete das Erstgericht mit dem Vorliegen der Voraussetzungen nach § 190 Abs. 1 ZPO.

Die beiden mitbeklagten Liegenschaftskäuferinnen erhoben gegen diesen Unterbrechungsbeschluß Rekurs.

Das Rekursgericht gab diesem Rechtsmittel Folge und sprach aus, daß der erstgerichtliche Beschluß "in der unter Punkt II verfügten Unterbrechung des Verfahrens gegenüber der erstbeklagten Partei als von der Anfechtung nicht betroffen unberührt" bleibe, hinsichtlich der angeordneten Unterbrechung aber "gegenüber der zweit- und drittbeklagten Partei aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die zweit- und drittbeklagte Partei aufgetragen" werde. Dazu führte das Rekursgericht aus, daß der Klägerin nach ihren Prozeßbehauptungen gegen die beiden Käuferinnen ein Anspruch auf Herausgabe des von ihr beanspruchten Hälfteanteils zustehen könnte und daß ein solcher Leistungsanspruch das Feststellungsinteresse zu beseitigen geeignet wäre, während das erhobene Leistungsbegehren auf Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Erstbeklagten rechtlich verfehlt sei. Es erscheine daher zweckmäßig, das Feststellungsinteresse vorweg und unabhängig vom Ausgang des zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann anhängigen Einverleibungsstreites zuklären.

Der Erstbeklagte ficht diese Rekursentscheidung unter ausdrücklicher Hervorhebung des Umstandes an, daß ihm gegenüber die vom Erstgericht angeordnete Verfahrensunterbrechung nicht aufgehoben worden sei, dies aber damit unvereinbar erscheine, daß die Beklagten eine einheitliche Streitgenossenschaft bildeten. Er habe daher einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf Einbringung des Revisionsrekurses "zwecks Wiederherstellung der einheitlichen Streitgenossenschaft" durch den OGH. Diese sei aber nur im Sinne einer Verfahrensunterbrechung gegenüber sämtlichen Beklagten zweckmäßig. Demgemäß stellt der Revisionsrekurswerber den Rechtsmittelantrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Unterbrechungsbeschlusses.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekurs des Erstbeklagten Folge, hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Zweit- und der Drittbeklagten gegen den erstgerichtlichen Unterbrechungsbeschluß auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rechtsmittel ist ungeachtet das Rekursausschlusses gemäß § 192 Abs. 2 ZPO zulässig.

Der Revisionsrekurswerber bekämpft die Anordnung einer getrennten Verfahrensführung gegen ihn und seine beiden Streitgenossen mit der Begründung, daß er mit diesen eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bilde. Er begehrt auch ausdrücklich die "Wiederherstellung der einheitlichen Streitgenossenschaft durch den Obersten Gerichtshof". Darin liegt ein selbständiger Rechtsmittelantrag, wenn auch der volle Revisionsrekursantrag darüber hinausgeht, indem er diese Wiederherstellung der einheitlichen Streitgenossenschaft durch Wiederherstellung der vom Erstgericht angeordneten Unterbrechung anstrebt. Ist der Anfechtungsgegenstand nicht bloß die Ablehnung einer beantragten oder von amtswegen angeordneten Verfahrensunterbrechung und damit eine nach §§ 187 bis 191 ZPO in das richterliche Ermessen gelegte Maßnahme der Prozeßleitung, sondern auch die beschlußmäßige Ausschaltung eines Streitgenossen einer nach Meinung des Beklagten einheitlichen Streitpartei und damit ein angeblicher Verstoß gegen die zwingende Vorschrift des § 15 Abs. 2 ZPO, dann ist die beschlußmäßige Ausschaltung des Streitgenossen jedenfalls anfechtbar.

Die vom Rekursgericht ausdrücklich nur auf die beiden Streitgenossen des Revisionsrekurswerbers beschränkte Aufhebung der Verfahrensunterbrechung und der gleichzeitig in der Art einer Teilrechtskraftbestätigung erfolgte Ausspruch, daß die Verfahrensunterbrechung in Ansehung des Revisionsrekurswerbers unberührt, also aufrecht bleibe, bewirken in ihrer Gesamtheit die Ausschaltung des Streitgenossen vom weiteren Verfahren.

Es ist daher zu prüfen, ob der Revisionsrekurswerber mit seinen beiden Streitgenossen tatsächlich eine einheitliche Streitpartei bildet. Dies ist der Fall. Nach der in der Klage vorgenommenen Ableitung des dort gestellten Begehrens erstrecken sich die Wirkungen des zu fällenden Urteiles kraft der Beschaffenheit des strittigen Rechtsverhältnisses notwendigerweise auf sämtliche Beklagte.

Das Rekursgericht hat das Vorliegen der einheitlichen Streitpartei nach § 14 ZPO oder die sich gemäß § 15 ZPO daraus ergebenden Rechtsfolgen verkannt und bei seiner Entscheidung ausdrücklich vorausgesetzt, daß es nur das Prozeßrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und den beiden Streitgenossen des Revisionsrekurswerbers losgelöst von der Prozeßrechtsbeziehung zwischen ihr und diesem zu beurteilen habe.

Gemäß § 15 Abs. 1 ZPO kann jedoch jeder einzelne Genosse einer einheitlichen Streitpartei die dieser zustehenden verfahrensrechtlichen Befugnisse zur Prozeßbetreibung selbständig ausüben. Die beiden Streitgenossen des Revisionsrekurswerbers konnten daher ohne seine Mitwirkung die vom Erstgericht angeordnete Verfahrensunterbrechung bekämpfen, ein Rekurserfolg hatte sich aber notwendigerweise auch auf den Revisionsrekurswerber zu erstrecken. Im Sinne des § 15 Abs. 2 ZPO sind an einer Verfahrensfortsetzung zwingend alle eine einheitliche Streitpartei bildenden Streitgenossen zu beteiligen. Der Ausschluß eines von ihnen vom weiteren Verfahren verstieße gegen zwingende Verfahrensvorschriften und begrundete Nichtigkeit des weiteren Verfahrens.

Dem rekursgerichtlichen Beschluß haftet dieser vom Revisionsrekurswerber ausdrücklich gerügte Verfahrensmangel an. Das zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im vollen Umfang, weil die Entscheidung über den gegen die vom Erstgericht angeordnete Verfahrensunterbrechung erhobenen Rekurs die Interessen sämtlicher zur einheitlichen Streitpartei zusammengefaßten Streitgenossen unter Bedachtnahme auf ein zu unterstellendes einheitliches Parteiinteresse zu berücksichtigen hat, und dem angefochtenen Beschluß nicht entnommen werden kann, ob das Rekursgericht auch bei Berücksichtigung dieses einheitlichen Parteiinteresses zur Anordnung der Fortsetzung des Verfahrens gelangt wäre. In diesem Sinne war dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Rechtssätze
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