JudikaturJustiz6Ob58/02a

6Ob58/02a – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Evelyne L*****, 2. Gerhard L*****, und 3. Otto L*****, alle vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Reg. Rat Max J*****, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen 19.897,82 EUR (= 273.800 S) über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgeriches Leoben als Berufungsgericht vom 9. November 2001, GZ 1 R 368/01m-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 21. Mai 2001, GZ 2 C 21/01w-9, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist der Halbbruder und ehemalige Sachwalter der am 17. 10. 1999 verstorbenen Notburga R*****, die ihn in ihrem Testament zum Universalerben einsetzte. In Punkt 8. dieses Testaments verfügte sie:

"Meiner Nachbarin, Frau Rosi L*****, vermache ich für ihre nachbarschaftliche Hilfe, welche jedoch laufend bezahlt wurde, einen angemessenen Geldbetrag im freien Ermessen meines Universalerben."

Rosa L***** verstarb am 7. 2. 2000. Sie hatte Notburga R*****, mit der sie befreundet war, ab 1993 bis zu deren Tod gepflegt. Der Beklagte zahlte hiefür Rosa L***** insgesamt 646.000 S. Im Verlassenschaftsverfahren nach Rosa L***** entschlug sich der Zweitkläger (ihr Sohn) seines Erbrechts. Der Nachlass wurde dem Drittkläger (ihrem ehemaligen Ehemann) zu zwei Dritteln und der Erstklägerin (ihrer Tochter) zu einem Drittel eingeantwortet. Die Kläger begehrten 273.800 S vom Beklagten, dem der Nachlass, bestehend aus Barvermögen von 1,218.874,27 S und zwei Liegenschaften, nach seiner Halbschwester Notburga R***** eingeantwortet worden war. Dieser Betrag stelle eine angemessene Abgeltung für die erbrachten Leistungen der Rosa L***** im Sinne des Legates der Notburga R***** dar.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Rosa L***** sei ausreichend für ihre Dienste entlohnt worden. Der Beklagte sei weder bereit noch verpflichtet, weitere Zahlungen zu leisten und übe das ihm im Testament seiner Halbschwester eingeräumte freie Ermessen in diesem Sinne aus.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Notburga R***** habe der Rosa L***** unabhängig von den erfolgten Zahlungen für ihre Pflegedienste einen angemessenen Geldbetrag zuwenden wollen. Der begehrte Betrag sei einerseits im Hinblick auf das dem Beklagten hinterlassene Millionenvermögen, andererseits deshalb angemessen, weil Rosa L***** dem Wunsch der Verstorbenen entsprochen habe, sie vor einer Heimunterbringung zu bewahren. Dadurch habe sich auch der Beklagte beträchtliche Kosten erspart.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es legte die strittige Bestimmung im Testament der Notburga R***** dahin aus, dass diese zwar der Rosa L***** einen zusätzlichen Betrag zum Entgelt für die Pflegeleistungen zukommen lassen habe wollen, dass der Vermächtnisgegenstand jedoch nicht bestimmt und nicht einmal bestimmbar sei, weshalb keine wirksame letztwillige Anordnung vorliege. Selbst bei anderer Ansicht sei dem Beklagten dahin beizupflichten, dass er sein Ermessen im Sinn des strittigen Legats wirksam auch dahin ausüben habe können, dass die Zahlung eines weiteren Geldbetrages eben nicht angemessen sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über das Bestimmtheitserfordernis eines Geldvermächtnisses, bei dem die nähere Ausgestaltung zur Gänze dem Erben überlassen bleibe, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist jedoch entgegen dieser Ansicht mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig.

Zunächst ist klarzustellen, dass das Klagebegehren unabhängig von der Frage eines wirksamen Legates jedenfalls verfehlt ist, und zwar jenes des Zweitklägers zur Gänze und der anderen Kläger insoweit, als sie von einer Gesamthandforderung ausgehen. Der Nachlass nach Rosa L***** wurde rechtskräftig eingeantwortet. Gemäß § 550 ABGB stehen zwar mehrere Erben in Rechtsgemeinschaft, die sich vor der Einantwortung auf das Erbrecht, danach auf die ererbten Rechte bezieht. Bis zur Einantwortung ist der Nachlass (allenfalls vertreten durch die erbserklärten Erben) zur Geltendmachung von Ansprüchen des Erblassers legitimiert. Mit der Einantwortung zerfallen jedoch Nachlassforderungen bei Teilbarkeit in Teilforderungen der eingeantworteten Erben (Welser in Rummel ABGB I3 § 550 ABGB Rz 1, 2 mwN). Jeder Erbe muss sich als Mitgläubiger mit dem ihm gebührenden Teil begnügen. Nur bei Unteilbarkeit werden die (eingeantworteten) Erben Gesamthandgläubiger (§§ 889, 890 ABGB). Da sich der Zweitkläger seines Erbrechtes entschlagen hat, kann er von vornherein keine Forderung seiner Mutter aus dem Legat geltend machen. Den anderen Klägern stünde allenfalls nur ein Teil des (teilbaren) Barlegats in Höhe der der Einantwortung entsprechenden Quote zu. Diese Erwägungen sind hier aber letztlich nicht entscheidend, weil das Berufungsgericht ohnehin in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen ist, dass ein wirksames Vermächtnis zu Gunsten der Rosa L***** nicht vorliegt. Das Objekt des Vermächtnisses muss zwar nicht fest bestimmt, aber zumindest bestimmbar sein (RIS-Justiz RS0012612; 8 Ob 690/89 = SZ 63/148 = NZ 1992, 69; Welser aaO § 647 ABGB Rz 5). Der Umfang ist durch Auslegung zu ermitteln. Die hiefür maßgebenden Rechtsgrundsätze hat das Berufungsgericht an Hand der von ihm zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zutreffend dargestellt: Hauptziel ist die Erforschung des wahren Willens des Erblassers, dem auch gesetzliche Auslegungsregeln weichen. Es soll der vom Erblasser angestrebte Erfolg eintreten. Zur Ermittlung des Willens des Erblassers sind alle Umstände, insbesondere schriftliche und mündliche Äußerungen des Erblassers, zu berücksichtigen. Der Absicht des Testators darf aber nur gefolgt werden, wenn sie noch irgend einen Anhaltspunkt im Wortlaut der letztwilligen Verfügung selbst findet. Zu prüfen ist auch, ob überhaupt letztwillige Anordnung gewollt oder bloß ein unverbindlicher Wunsch geäußert wurde (Welser aaO §§ 552, 553 ABGB Rz 7, 8, 9 mwN). § 711 ABGB bestimmt hiezu: "Wenn der Erblasser die Absicht, wozu er den Nachlass bestimmt, zwar ausgedrückt, aber nicht zur Pflicht gemacht hat, so kann die bedachte Person nicht angehalten werden, den Nachlass zu dieser Absicht zu verwenden". Nicht jede im letzten Willen des Erblassers enthaltene Äußerung ist demnach eine rechtlich bindende Anordnung. Sie kann auch Rat, Wunsch oder Bitte sein, gleichgültig ob der Anschein eines Vermächtnisses erweckt wird (Welser aaO § 711 ABGB Rz 1, 2 mwN).

Im vorliegenden Fall kann die Auslegung der letztwilligen Verfügung der Notburga R***** nur nach dem Inhalt derselben erfolgen. Aus sonstigen in diesem Verfahren aufgenommenen Beweismitteln war zur Frage des tatsächlichen Willens der Erblasserin, der sie zur strittigen Anordnung veranlasst hat, nichts zu gewinnen. Die Auslegung allein auf Grund des Urkundeninhaltes ist nicht Tatfrage, sondern eine Frage der rechtlichen Beurteilung (4 Ob 194/98b; 10 Ob 66/99z = SZ 72/179 ua). Ihr kommt daher grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bzw § 14 Abs 1 AußStrG zu (9 Ob 209/01b). Das vom Berufungsgericht gewonnene Auslegungsergebnis, dass die strittige Anordnung mangels Bestimmbarkeit des zugedachten Betrages (die auch nicht durch die Aufnahme anderer Beweismittel behoben werden konnte und die nach dem Wortlaut allein vom Ermessen des Beklagten abhängt) nicht als verpflichtende Anordnung an den Beklagten im Sinne eines bestimmten jedenfalls auszuzahlenden Mindestbetrages auszulegen ist, steht mit den Auslegungsgrundsätzen von Rechtsprechung und Lehre im Einklang und stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dieses Einzelfalles dar.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegen daher trotz des entsprechenden Ausspruches des Berufungsgerichtes nicht vor.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil er darin die Revision als "unbegründet" bezeichnet und nicht ausgeführt hat, dass und warum keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu klären ist. Die Revisionsbeantwortung diente aus diesem Grund nicht einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Der Primärantrag auf "Zurückweisung" der Revision stellt vielmehr eine bloße Leerformel dar.