JudikaturJustiz6Ob559/85

6Ob559/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. März 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Schlosser und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma KG P*** G*** mbH Co KG, Lübeck 1, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R*** V*** registrierte

Genossenschaft mbH, Sulz, Hummelbergstraße 32, vertreten durch Dr.Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 1,200.000 DM sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1.Oktober 1984, GZ 6 R 214/84-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 5.Mai 1984, GZ 6 Cg 2024/84-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird stattgegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Sie befaßt sich mit der Organisation von Wohnanlagen von der Planung bis zur schlüsselfertigen Herstellung. In diesem Sinne verfolgte sie das Vorhaben zu einem Sporthotel in einer Tiroler Gemeinde. Dazu trat sie zu einer inländischen Kommanditgesellschaft (in der Folge: Unternehmerin) in Geschäftsverbindung. Die Klägerin stellte der Unternehmerin die Erteilung eines Generalunternehmerauftrages in Aussicht und erteilte ihr auf dieser Grundlage Aufträge zu umfangreichen Vorarbeiten, um das Vorhaben baureif und damit für die Klägerin marktreif zu machen. Nach Ausführung und Abrechnung mehrerer derartiger Einzelaufträge erteilte die Klägerin der Unternehmerin im Oktober 1981 einen weiteren Werk- und Geschäftsbesorgungsauftrag. Danach hatte die Unternehmerin ihre Leistungen bis längstens 30.November 1981 zu erbringen, während das von der Klägerin hiefür zu zahlende Entgelt zu verschiedenen Zeitpunkten des letzten Jahresviertels 1981 fällig, aber teils verzinslich bis 30.März 1982, teils unverzinslich bis 30. April 1982 gestundet sein sollte und insgesamt mit rund 11 Mio S vereinbart wurde. Die Unternehmerin wandte sich wegen Gewährung eines Kredites für die von ihr unter Vorleistungspflicht zu erbringenden Leistungen an die Beklagte.

Die Beklagte ist eine inländische Kreditunternehmung. Sie sagte der Unternehmerin einen Kredit bis zum Betrag von 11 Mio S unter der Voraussetzung zu, daß die Kreditnehmerin ihr die Entgeltforderungen gegen die Klägerin bis zu einem Teilbetrag von 8,4 Mio S abtrete und eine Bankgarantie beibringe. Die Unternehmerin trat im Zusammenhang mit einer am 21.Dezember 1981 erfolgten Krediteinräumung ihre Entgeltforderungen für Leistungen zum Hotel- und Appartementanlagenvorhaben gegen die Klägerin bis zu einem Betrag von 8,4 Mio S an die Beklagte ab.

Die L*** eines Landes der Bundesrepublik Deutschland (in der Folge: L***) begab sich einer mit 30.Dezember 1981 datierten schriftlichen Haftungserklärung. Nach dieser übernahm sie zur Sicherung der von der Unternehmerin der Beklagten abgetretenen Forderungen gegen die Klägerin die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 1,2 Mio DM und verpflichtete sich ausdrücklich, auf erste schriftliche Aufforderung der Beklagten zu leisten, sofern ihr mitgeteilt werde, daß die Klägerin ihren Verpflichtungen nicht vereinbarungsgemäß nachgekommen sei. Die Haftung der L*** wurde mit 15.April 1982 befristet. Bis 25.März 1982 hatte die Beklagte auf die ihr abgetretenen Forderungen keine Leistung erhalten. Sie rief den in der Haftungserklärung der L*** genannten Betrag ab. Im Einvernehmen mit der Beklagten verlängerte die L*** die Geltung ihrer Haftungserklärung bis 30.Oktober 1982. Die Beklagte rief den Haftungsbetrag am 19.Oktober 1982 ab. Die L*** ersuchte abermals um Verlängerung. Dazu verstand sich die Beklagte nur unter der Voraussetzung bestimmter Neuformulierungen der Haftungserklärung. Daraufhin begab sich die L*** der mit 28. Oktober 1982 datierten Haftungserklärung. Diese hat folgenden Wortlaut:

" B ü r g s c h a f t "

1) Für die rechtzeitige Bezahlung der - einvernehmlich zwischen der ..." (Klägerin) "und der..." (Unternehmerin) "bestimmten und anerkannten - Forderung der ..." (Unternehmerin) "gegen die ..."

(Klägerin) "in der Höhe von DM 1,200.000,-- am 1. April 1983 an die ..." (Beklagte) "zugunsten des Kontos 13.151 der ..." (Unternehmerin) "übernehmen wir, die L*** ...

die selbstschuldnerische Bürgschaft einschließlich Kosten, unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage (§ 768, 770, 771 BGB) mit der Maßgabe, daß wir hieraus nur auf Zahlung von Geld in Anspruch genommen werden können.

2) Die vorgenannte Forderung der ..." (Unternehmerin) "wurde im Einvernehmen mit der ..." (Klägerin) "an die ..." (Beklagte) "abgetreten und von dieser zwischenfinanziert.

3) Wir verpflichten uns, auf erste schriftliche Anforderung der ..."

(Beklagten) "Zahlung zu leisten, sofern uns gleichzeitig mitgeteilt wird, daß die ..." (Klägerin) "dieser ihrer Verpflichtung, wie oben detailliert, nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

4) Die Verpflichtung aus der Bürgschaft endet, wenn Ansprüche gegen uns aus der Bürgschaft nicht bis zum 15. April 1983 schriftlich bzw. fernschriftlich geltend gemacht worden sind.

5) Falls auf Grund der von uns geleisteten Zahlung die Forderung nicht durch Gesetz übergeht, tritt uns hiermit die ..." (Beklagte) "die Rechte aus der Forderung gegenüber der ..." (Klägerin) "ab.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Vorinstanzen haben zutreffend und unbekämpft den Rückforderungsanspruch der Beurteilung nach Österreichischem Recht unterworfen.

Zu der vom Erstgericht verneinten sogenannten Passivlegitimation der Beklagten und der vom Berufungsgericht angenommenen Unschlüssigkeit der Klage ist aber zu erwägen:

Die - von der Beklagten geforderte und

entgegengenommene - Bankhaftungserklärung (der L***) für eine bestimmt bezeichnete Geldschuld ihrer Bankkundin (der Klägerin) gegenüber dem begünstigten Gläubiger (der Beklagten als Zessionarin), "die selbstschuldnerische Bürgschaft" unter Einredeverzicht zu übernehmen und der Begünstigten auf erste schriftliche, mit der Mitteilung verbundene Aufforderung zu zahlen, daß die Geldschuldnerin nicht ordnungsgemäß geleistet habe, begründete ein dreipersonales Garantieverhältnis.

Der Rechtsgrund für die Einräumung des - vielfach als abstrakt bezeichneten - Forderungsrechtes gegen den Garanten liegt in der (hier auch ausdrücklich erwähnten) Gläubigerstellung des Begünstigten (der Beklagten) gegen den Auftraggeber des Garanten (die Klägerin).

Erst diese Einbeziehung in die (bank-) vertragliche Rechtsbeziehung des Garanten zu seinem Auftraggeber einerseits und dessen (werk- und geschäftsbesorgungs-) vertragliche Rechtsbeziehung zum Begünstigten andererseits rechtfertigt die Anerkennung des gesetzlich nicht besonders geregelten quasi abstrakten Schuldverhältnisses als zulässiges Rechtsinstitut (vgl. Koziol, Garantievertrag, 35 in III/F).

Die Übernahme der Garantiehaftung erfolgt sicherungshalber. Die Leistung des Garanten ist keine Erfüllungshandlung des Kausalschuldners (aA Koziol aaO, 85 in XIV/B/1/d), sondern Ausgleich für die (nach den Behauptungen des Begünstigten) ausgebliebene Erfüllung durch den Kausalschuldner; sie geht allerdings im Falle der Bankgarantie zu seinen (bank-) vertraglich geregelten Lasten. Der Streit über die Rechtfertigung einer über die Zahlung des Garanten zu Lasten des Kausalschuldners als dessen Auftraggeber erfolgte Vermögensverschiebung ist zwischen den Parteien des Kausalverhältnisses auszutragen (also zwischen den Streitteilen). Die Grundlage für die Rückabwicklung einer nach dem Kausalverhältnis nicht zu rechtfertigenden Vermögensverschiebung könnte zunächst in einer vertraglichen Regelung gelegen sein, die als solche keiner Beschränkung nach dem zweiten Satz des § 1434 ABGB unterläge, wenn nämlich zwischen den Parteien des Kausalverhältnisses ein Vorbehalt als schlüssig vereinbart zu gelten hätte, eine auf die bloß formal überprüfbare Behauptung des Gläubigers hin erfolgte Leistung des Garanten auf ihre materielle Rechtfertigung nach dem Kausalverhältnis überprüfen lassen zu können.

Zu einem schlüssig vereinbarten Vorbehalt liegen keinerlei Parteienbehauptungen vor.

Zieht man im Sinne der herrschenden Lehre (Koziol aaO, 81 ff; Canaris Großkomm. HGB 3 III/3 RdN 1151, 1071 und 486 ff) grundsätzlich nur eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung in der Form der Leistungskondiktion in Betracht, darf nicht übersehen werden, daß der nach § 1431 ABGB vorausgesetzte Irrtum des Leistenden nicht als entscheidendes Tatbestandsmerkmal zu erkennen wäre, sondern die Rechtsähnlichkeit der Lage des Irrenden mit der Lage des Kausalschuldners, der zwar erkennt, daß die Garantie zu Unrecht abgerufen wird, aber nach der quasi abstrakten Ausgestaltung der von ihm in Auftrag gegebenen Bankgarantie die Leistung des Garanten nicht mehr zu beeinflussen vermag. Es kommt also nur eine analoge Anwendung des § 1431 ABGB in Betracht. Weil aber die Vermögensverschiebung vom Kausalschuldner nicht mehr beeinflußbar, sondern unmittelbare Folge des Abrufes der Garantieleistung durch den Gläubiger selbst war, scheidet eine analoge Anwendung auch des § 1434 Satz 2 ABGB aus, deren Regelung nur den auf die Erfüllungshandlung des Schuldners vertrauenden Gläubiger schützen soll.

Von diesen Erwägungen zur Rückabwicklung im dreipersonalen Garantieverhältnis abgesehen, ist der Kondiktionsausschluß nach dem zweiten Satz des § 1434 ABGB nach dem unbestritten feststehenden Sachverhalt unanwendbar, weil der Betrag der der Klägerin abgetretenen Forderung von der Klägerin als Entgelt für Geschäftsbesorgungsleistungen geschuldet wurde, die ihr Vertragspartner im rechtsgeschäftlichen Leistungsaustausch als Vorleistungen zu erbringen hatte. Diese Abhängigkeit der Entgeltforderung von einer im synallagma stehenden und noch nicht erbrachten Gegenleistung kommt im Sinne des § 1434 ABGB einer Ungewißheit nach dem ersten Satz gleich und stellt nicht bloß eine Frage der Fälligkeit nach dessen zweiten Satz dar.

Soweit die Klägerin ihren Rückforderungsanspruch auf die Behauptung einer dolosen Abrufung der Garantieleistung stützt, könnte ihr ein Kondiktionsausschluß nach § 1434 Satz 2 ABGB keinesfalls mit Erfolg entgegengehalten werden.

Es kann daher weder die sogenannte Passivlegitimation der Beklagten noch die Schlüssigkeit der Klage verneint werden. Die Rechtfertigung der Garantiezahlung nach dem Kausalverhältnis zwischen den Streitteilen ist zu prüfen.

Dazu ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand zu bemerken:

Die Haftungserklärung der L*** vom 28.Oktober 1982 handelt in Abänderung von der ersten, mit 30.Dezember 1981 datierten Haftungserklärung von einer "einvernehmlich" zwischen der Klägerin und der Unternehmerin "bestimmten und anerkannten Forderung". Diese Aussage über eine Forderungsanerkennung ist nach dem bisherigen, auf die reine Urkundenauslegung beschränkten Verfahren nicht der Klägerin sondern nur der L*** zurechenbar. Sollte allerdings im weiteren Verfahren eine als konstitutives Anerkenntnis zu qualifizierende Erklärung der Klägerin gegenüber der Beklagten festgestellt werden, stünde eine solche, so lange sie nicht erfolgreich angefochten wäre, einem Rückforderungsanspruch der Klägerin aus jedem denkbaren Rechtsgrund entgegen.

Eine Bereicherung der Beklagten könnte entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht nicht schon deshalb verneint werden, weil der Beklagten gegen den Unternehmer als ihren Kreditnehmer ein bankvertraglicher Rückzahlungsanspruch zugestanden sei. Die Haftungserklärung der L*** garantierte ausschließlich die Leistung der Klägerin an die Beklagte als Forderungsübernehmerin des Unternehmers, nicht aber die Kreditrückzahlung durch diesen. Zur beiderseitigen Leistungsabwicklung in dem zwischen Klägerin und Unternehmerin bestehenden Kausalverhältnis einschließlich der in der Bankhaftungserklärung vom 28.Oktober 1982 erwähnten Anerkennung durch die Klägerin bestehen Feststellungsmängel. Diese machen eine Ergänzung der Verhandlung in erster Instanz erforderlich. In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache war an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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