JudikaturJustiz6Ob52/07a

6Ob52/07a – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 13. Juni 2006 verstorbenen Gerhard W*****, zuletzt *****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Harald Festl, Notar-Partner, 1160 Wien, Lerchenfeldergürtel 55, dieser vertreten durch Dr. Isabella Zwickl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Galina W*****, vertreten durch Dr. Ingrid Schaffernack, Rechtsanwältin in Wien, wegen Ehescheidung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. August 2006, GZ 42 R 105/06m-121, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 1. Juli 2005, GZ 25 C 9/05x-93, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es als Beschluss zu lauten hat wie folgt:

„Es wird festgestellt, dass die Entscheidung des Erstgerichtes, die hinsichtlich des Scheidungsausspruches als solchen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, hinsichtlich des Verschuldensausspruches gemäß § 460 Z 8 ZPO wirkungslos ist. Die klagende Partei ist verpflichtet, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.043,88 (darin EUR 31,20 Barauslagen und EUR 502,11 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die mit EUR 582,96 (darin EUR 97,16 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 39,74 (darin EUR 66,72 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 1. 7. 2005 schied das Erstgericht die Ehe des Gerhard W***** und der Beklagten aus dem gleichteiligen Verschulden beider Teile. Die Zustellung des Urteiles erfolgte am 6. 7. 2005. Am 14. 9. 2005 erhob die beklagte Partei gegen dieses Urteil Berufung, wobei sie jedoch den Scheidungsausspruch als solchen nicht bekämpfte, sondern sich lediglich gegen die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung wandte. Gerhard W***** erhob keine Berufung. Am 13. 6. 2006 verstarb Gerhard W*****. Der damalige Klagevertreter wies mit Schriftsatz vom 22. 6. 2006 sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht auf diesen Umstand hin (ON 120). Auch die Beklagtenvertreterin wies am 22. 6. 2006 das Berufungsgericht unter Vorlage einer Kopie der Sterbeurkunde auf das Ableben des Gerhard W***** hin.

Mit Urteil vom 22. 8. 2006 gab das Berufungsgericht der Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil dahingehend ab, dass Gerhard W***** das überwiegende Verschulden treffe. Seine Gewälttätigkeiten im Zusammenhalt mit seinem Alkoholkonsum und wiederholten Beschimpfungen der Beklagten hätten derartiges Gewicht, dass die „ebenso schweren" Eheverfehlungen der Beklagten im Gegensatz dazu in den Hintergrund treten würden.

Weiters sprach das Berufungsgericht aus, dass der „ordentliche Revisionsrekurs" (richtig: die ordentliche Revision) mangels der Voraussetzungen des „§ 62 Abs 1 AußStrG" (richtig: § 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig sei.

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 460 Z 8 ZPO ist, wenn einer der Ehegatten vor der Rechtskraft des Urteils stirbt, der Rechtsstreit in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen. Er kann nur mehr wegen der Verfahrenskosten fortgesetzt werden. Ein bereits ergangenes Urteil ist wirkungslos. Nach ständiger Rechtsprechung kann allerdings der Scheidungsausspruch in Rechtskraft erwachsen, ohne dass bereits rechtskräftig über das Verschulden entschieden ist (7 Ob 641/84; RIS-Justiz RS0056846). Dies wird damit begründet, dass es den Parteien im Falle einer Verschuldensscheidung frei steht, nur den Verschuldensausspruch anzufechten, sodass das Rechtsmittelgericht den unangefochten gebliebenen Ausspruch über die Ehescheidung als solchen nicht mehr überprüfen darf, wenn feststeht, dass den beklagten Ehegatten ein Verschulden trifft und lediglich die Frage der Gewichtung der Verschuldensanteile noch erörterungsbedürftig ist (9 Ob 258/01h). Dabei spielt es keine Rolle, ob mit Teilurteil über das Scheidungsbegehren erkannt wurde oder - wie im vorliegenden Fall - das Scheidungsurteil mit Verschuldensausspruch nur in letzterem Punkt angefochten wurde (1 Ob 281/97y). Die formelle Rechtskraft der Scheidung ist in einem derartigen Fall spätestens in jenem Zeitpunkt eingetreten, in dem die Berufungsfrist des Klägers verstrichen war und die Beklagte ein lediglich den Verschuldensausspruch bekämpfendes Rechtsmittel eingebracht hatte (vgl 1 Ob 281/97y).

Diese Auffassung findet auch die Zustimmung der neueren Lehre. In diesem Sinne führt Simotta (in Fasching/Konecny2 § 460 ZPO Rz 141) unter Berufung auf die E 6 Ob 707/80 = EFSlg 36.506 aus, die in § 460 Z 8 ZPO angeordnete Wirkungslosigkeit der Entscheidung trete nicht ein, soweit eine bereits ergangene Entscheidung in Teilrechtskraft erwachsen sei. Sterbe ein Ehegatte nach einem in Teilrechtskraft erwachsenen Urteil, in welchem die Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen der Frau und eine den Kläger treffende Mitschuld ausgesprochen worden sei, und sei nur mehr die Frage eines Überwiegens der von dem einen oder anderen Teil zu verantwortenden Mitschuld strittig, so sei nur in dem noch offenen Punkt die Hauptsache als erledigt anzusehen; nur insofern sei das Berufungsurteil wirkungslos.

Gegen die Richtigkeit dieser Auffassung spricht auch nicht, dass die Beklagte dann keinen Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG gegen die Verlassenschaft mehr geltend machen kann. Vielmehr können allfällige Unbilligkeiten über die (analoge) Anwendung des § 69 Abs 3 EheG vermieden werden. Dabei ist - wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (1 Ob 190/06g = EF-Z 2007/38) - auch im Rahmen des Billigkeitsunterhalts nicht ausgeschlossen, dass in Ausnahmefällen auch das Verschulden an der Zerrüttung geprüft wird (vgl dazu auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2007] § 78 Rz 3 [in Druck]).

Daraus ergibt sich aber, dass der Scheidungsausspruch, der als solcher von den Parteien nicht bekämpft wurde, mangels Anfechtung in Rechtskraft erwuchs. Die in § 460 Z 8 ZPO angeordnete Rechtsfolge konnte sich daher nur auf die im Zeitpunkt des Ablebens des Klägers allein strittige Verschuldensfrage beziehen. Insoweit war dem Berufungsgericht nach der zitierten Gesetzesstelle die Fällung einer Sachentscheidung verwehrt. In Stattgebung der Revision der beklagten Partei war das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes daher dahingehend abzuändern, dass die Wirkungslosigkeit des erstinstanzlichen Urteiles hinsichtlich des Verschuldensausspruches auszusprechen war.

Allerdings kann das Verfahren in Ansehung der Verfahrenskosten fortgesetzt werden. In der Erhebung der außerordentlichen Revision durch die Beklagte mit einem Antrag auf Zuspruch der Verfahrenskosten nach dem Ableben des Gerhard W***** ist ein derartiger Fortsetzungsantrag zu erblicken.

In Hinblick auf die Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts war vom Obersten Gerichtshof auch über die Kosten der Verfahren der Vorinstanzen abzusprechen (vgl Simotta in Fasching/Konecny2 § 460 Rz 145 mwN). Dabei war in sinngemäßer Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO auf den hypothetischen Verfahrenserfolg der Berufung abzustellen. Insoweit kann auf die Begründung des Gerichtes zweiter Instanz, die der Oberste Gerichtshof billigt (§ 510 Abs 3 ZPO), zurückgegriffen werden, sodass die Kosten in der vom Berufungsgericht zutreffend beurteilten Höhe zuzusprechen waren.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei ist der Revision ausdrücklich entgegengetreten und hat daher der Beklagten die Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.