JudikaturJustiz6Ob47/00f

6Ob47/00f – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. März 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der V***** OEG mit dem Sitz in I*****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter Werner V***** und Markus V*****, beide *****, alle vertreten durch Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 14. Jänner 2000, GZ 3 R 7/00d, 3 R 8/00a-5, mit dem der Beschluss des Landes- als Handelsgericht Innsbruck vom 3. Dezember 1999, GZ 50 Fr 11121/99p, 50 Fr 14826/99a-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich Punkt II des erstgerichtlichen Beschlusses (Androhung einer weiteren Zwangsstrafe) als unangefochten unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, dass sie hinsichtlich Punkt I des erstgerichtlichen Beschlusses (Verhängung der Zwangsstrafen) ersatzlos aufgehoben werden und im Übrigen die Eintragung der Änderung des Firmenwortlautes der V***** OEG auf V***** KEG (Punkt III des erstgerichtlichen Beschlusses) bewilligt wird.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichtes ist die V***** OEG mit dem Sitz in I***** eingetragen. Persönlich haftende Gesellschafter waren Markus V***** und Werner V*****. Beide Gesellschafter teilten im Juli 1999 dem Firmenbuch mit, dass Markus V***** seine Stellung gegen die eines Kommanditisten mit einer Hafteinlage von 50.000 S geändert habe. Die Firma der Gesellschaft werde insoweit geändert, als der Rechtsformzusatz nunmehr KEG lauten solle.

Das Erstgericht teilte den Gesellschaftern mit, dass die beabsichtigte Beibehaltung des bisherigen Wortlautes und lediglich die Änderung des Rechtsformzusatzes unzulässig sei und überdies die ausdrückliche Zustimmung des in die Stellung des Kommanditisten wecheselnden Gesellschafters erforderlich gewesen wäre. Daraufhin zogen die Gesellschafter ihren Antrag auf Firmenänderung zurück (Eingabe vom 7. September 1999, eingelangt am 8. September 1999).

Das Erstgericht trug am 16. September 1999 die Änderung der Rechtsform der Gesellschaft auf Kommanditerwerbsgesellschaft und Markus V***** als Kommanditisten mit einer Vermögenseinlage von 50.000 S im Firmenbuch ein.

Mit Beschluss vom 15. September 1999 forderte es Werner V***** und Markus V***** auf, binnen drei Wochen den Firmenwortlaut dahin abzuändern, dass der Rechtsformzusatz "OEG" durch den Rechtsformzusatz "Kommandit-Erwerbsgesellschaft" oder "KEG" ersetzt wird und der Name des nunmehrigen Kommanditisten Markus V***** entfällt, widrigenfalls über jeden Gesellschafter eine Zwangsstrafe von 2.000 S verhängt werde.

Mit Antrag vom 11. November 1999 (von den Vorinstanzen unrichtig mit 11. 10. 1999 zitiert), der beim Erstgericht am 1. Dezember 1999 einlangte, beantragten die beiden Gesellschafter die Eintragung der Änderung des Firmenwortlautes auf V***** KEG. Der nunmehrige Kommanditist Markus V***** erteilte gemäß § 24 Abs 2 HGB ausdrücklich seine Einwilligung zur Firmenfortführung.

Das Erstgericht verhängte über die beiden Gesellschafter die angedrohte Zwangsstrafe von je 2.000 S (Punkt I), forderte sie unter Setzung einer zweimonatigen Frist und Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von 25.000 S auf, die im Beschluss vom 15. September 1999 geforderten Änderungen vorzunehmen (Punkt II) und wies den Antrag auf Änderung des Firmenwortlautes auf V***** KEG ab (Punkt III). Der Grundsatz der Firmenbeständigkeit finde seine Grenze im Täuschungsverbot des § 18 Abs 2 HGB. Die Abänderung bloß des Rechtsformzusatzes sei nicht ausreichend, weil schon die verbleibende Namensmehrheit auch ein Mehr an Haftung und damit eine bessere als die tatsächlich bestehende Haftung bei nur einem verbleibenden persönlich haftenden Gesellschafter vortäusche.

Das Rekursgericht bestätigte diese hinsichtlich ihrer Punkte I und III angefochtene Entscheidung. Die Täuschungseignung der Firma der nunmehrigen KEG sei zu bejahen, weil durch den Verbleib des Namens des nur noch als Kommanditist an der Gesellschaft beteiligten Markus V***** in der Firma der Gesellschaft gegenüber deren potentiellen Geschäftspartnern der irreführende Eindruck erweckt werde, dass an der Gesellschaft zwei persönlich haftende Gesellschafter beteiligt wären. Überdies könnte der jederzeit mögliche Austritt des einzigen verbliebenen persönlich haftenden Gesellschafters zu einer weiteren Einschränkung der Haftungslage der Gesellschaft führen, mit der das interessierte Publikum im Hinblick auf den die volle Haftung zweier persönlich haftender Gesellschafter ausweisenden Firmenwortlaut nicht rechnen müsse. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Frage, ob und inwieweit auch im Fall des Austrittes eines persönlich haftenden Gesellschafters aus einer OEG der Grundsatz der Firmenwahrheit dem Grundsatz der Firmenbeständigkeit nach § 24 Abs 1 HGB vorgehe, vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihrer beiden Gesellschafter ist zulässig und berechtigt.

Dem erkennenden Senat lag jüngst ein ähnlicher Fall zur Entscheidung vor, bei dem es allerdings um die Firma einer Erwerbsgesellschaft mit dem Zweck der Ausübung des Berufes eines Wirtschaftstreuhänders ging. Im vorliegenden Fall ist der Zweck der Gesellschaft die Immobilienvermittlung und Immobilienverwaltung. Es liegt daher hier kein "freier Beruf" im Sinn des § 6 EGG vor. Immobilienmakler und Immobilienverwalter üben vielmehr gemäß § 127 Z 18 und 20 GewO gebundene Gewerbe aus. Der Firmenwortlaut muss daher keinen Hinweis auf den ausgeübten Beruf enthalten. Im Übrigen aber - mit Ausnahme der auf § 6 EGG und auf die WTBO und das WTBG betreffenden Ausführungen - haben folgende in der Entscheidung vom 24. Februar 2000, 6 Ob 232/00g dargelegte Erwägungen auch hier zu gelten:

Eingetragene Erwerbsgesellschaften müssen gemäß § 2 Abs 1 ErwerbsgesellschafterG BGBl 1990/257 (EGG) in ihrer Firma ihre Organisationsform offenlegen. Eine Kommandit-Erwerbsgesellschaft muss diese Bezeichnung in ihrer Firma führen; sie darf sie mit den Buchstaben "KEG" abkürzen. Wird eine OEG unter Wahrung der Identität der Gesellschaft umgewandelt, so ist die Bezeichnung entsprechend zu ändern (Krejci, Erwerbsgesellschaftengesetz 142 unter Hinweis auf den JAB). § 4 Abs 1 EGG verweist im übrigen insoferne auf die für die OHG und KG geltenden Vorschriften über die Firma, als nicht die §§ 2 und 6 leg cit Besonderheiten regeln. Bei der Neueintragung darf die Firma keinen anderen Namen als den des persönlich haftenden Gesellschafters (§ 19 Abs 4 HGB iVm § 4 EGG) - somit nicht den Namen eines Kommandististen (Krejci § 2 Rz 10) - und keinen Bestandteil enthalten, der objektiv geeignet ist, eine Täuschung iSd § 18 Abs 2 HGB zu erwecken (6 Ob 5/93 = SZ 66/32).

Scheidet ein Gesellschafter aus einer Handelsgesellschaft aus, so kann ungeachtet dieser Veränderung die bisherige Firma fortgeführt werden (§ 24 Abs 1 HGB). Bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters, dessen Name in der Firma enthalten ist, bedarf es zur Fortführung der Firma der - hier vorliegenden - ausdrücklichen Einwilligung des Gesellschafters oder seiner Erben (§ 24 Abs 2 HGB). Wenn ein namengebender persönlich haftender Gesellschafter in die Rolle des Kommanditisten zurücktritt, ist die Zulässigkeit der Firmenfortführung in Analogie zu § 24 Abs 2 HGB insoweit zu bejahen. Denn wenn die Firma schon beim weiterreichenderen Fall des Ausscheidens des namengebenden Gesellschafters beibehalten werden darf, muss gleiches für die Übernahme der Kommanditistenrolle durch einen bisher persönlich haftenden Gesellschafter gelten (Schuhmacher in Straube2, § 24 HGB Rz 5; Bokelmann in K. Schmidt, Münchener Kommentar zum HGB, § 24 Rz 6 mwN in FN 17; Schlegelberger, HGB5, § 24 Rz 8, je mwN). Dasselbe hat auch für Erwerbsgesellschaften zu gelten.

Zutreffend erkannte die zweite Instanz, der Grundsatz der Firmenwahrheit nach § 18 HGB gelte uneingeschränkt nur für die Firmenneugründung und werde im Fall von Änderungen nach § 24 HGB durch den Grundsatz der Firmenkontinuität insoweit verdrängt, als die Fortführung der Firma gestattet sei, auch wenn dadurch der Firmenwortlaut mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr übereinstimme. Die Aufrechterhaltung der Firma solle verhindern, dass der in der Firma steckende Wert vernichtet und den Kunden das Erkennen des Unternehmens erschwert werde. Das Recht, die übernommene Firma unverändert und ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes fortzuführen, finde jedoch seine Grenze im Täuschungsverbot des auch auf Gesellschaften anzuwendenden § 18 Abs 2 HGB.

Gemäß § 18 Abs 2 erster Satz HGB darf der Firma kein Zusatz beigefügt werden, der ein Gesellschaftsverhältnis andeutet oder sonst geeignet ist, eine Täuschung über die Art oder den Umfang des Geschäfts oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers herbeizuführen. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Firmenkern oder ein Firmenzusatz zur Täuschung über die Verhältnisse des Geschäftsinhabers oder über Art oder Umfang des Geschäftes geeignet ist, ist der gleiche Prüfungsmaßstab wie bei § 2 UWG anzulegen (ÖBl 1986, 126; WBl 1991, 30; 4 Ob 75/93 = ÖBl 1993, 241 ua; RIS-Justiz RS0061263; Schuhmacher aaO § 18 HGB Rz 7 f). Das Täuschungsverbot gilt nach Lehre und Rspr nicht nur in Bezug auf Zusätze, sondern auch für den Firmenkern (6 Ob 25/95 = JBl 1996, 461 mwN). Es widerstreitet dem Grundgedanken des § 18 Abs 2 HGB, wenn bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der durch die Firma angesprochenen Verkehrskreise eine unrichtige Vorstellung über das Unternehmen erweckt werden kann, die für die Art oder den Umfang des Geschäftes oder für die Verhältnisse der Gesellschaft als Geschäftsinhaberin von Einfluss sind. Gleichgültig ist es, ob Irreführungen tatsächlich vorkommen oder beabsichtigt sind (Fromherz in Jabornegg, HGB, § 18 HGB Rz 8 mwN).

Kapitalgesellschaften müssen gemäß § 4 Abs 2 AktG und § 5 Abs 2 GmbHG der übernommenen Firma den Zusatz "Aktiengesellschaft" bzw "GmbH" beifügen. Bei der abgeleiteten Firma einer Gesellschaft mbH Co im engeren Sinn (GmbH ist der einzige Komplementär) vertritt der Oberste Gerichtshof nunmehr die Auffassung, dass eine Einschränkung des Prinzips der Firmenkontinuität (§§ 22 und 24 HGB) durch die analoge Anwendung des § 5 Abs 2 GmbHG geboten sei, somit die Kommanditgesellschaft der übernommenen Firma den Zusatz GmbH Co KG beizufügen habe, damit offengelegt werde, einziger Komplementär sei eine Gesellschaft mbH, also deswegen eine Haftungsbeschränkung vorliege (SZ 51/40, SZ 60/5, SZ 70/29 zu § 22 HGB, alle mwN; RIS-Justiz RS0049246; Schuhmacher aaO § 22 HGB Rz 16 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Diese Auffassung kann auch für die KEG fruchtbar gemacht werden.

Bei der Kommandit-Erwerbsgesellschaft mit einem Komplementär und einem Kommanditisten und einer nach § 24 HGB fortgeführten Firma reicht der - geänderte - Gesellschaftsformzusatz "KEG" aus, um die Täuschungseignung zu verneinen und hinreichend deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass die Gesellschaft allenfalls nur über einen Komplementär verfügt. Die Vorschrift des § 19 Abs 4 HGB über die neue Firma wird somit insofern durch die Regelung des § 24 HGB für die abgeleitete Firma verdrängt. Liegen demnach die Voraussetzungen des § 24 HGB vor, wird bereits durch den Gesellschaftsformzusatz "KEG" eine Täuschungseignung der abgeleiteten Firma beseitigt.

Da § 24 Abs 1 HGB bei Eintritt und Ausscheiden von Gesellschaftern die Fortführung der bisherigen Firma ausdrücklich gestattet, kann das interessierte Publikum aus dem Firmenwortlaut die Gesellschafterzusammensetzung ohnehin nicht erkennen und muss bei Interesse jedenfalls im Firmenbuch nachsehen. Aus der Anzahl der in der Firma aufscheinenden Gesellschafter ergibt sich demnach keine bessere als die tatsächlich bestehende Haftungssituation (vgl Fromherz in Jabornegg, HGB, § 24 HGB Rz 22). Es besteht auch kein Bedürnis des Publikums, bereits aus dem Firmenwortlaut zu erkennen, ob es sich um eine neue oder eine abgeleitete Firma handelt (vgl SZ 60/5).

Demnach sind die vorinstanzlichen Strafbeschlüsse ersatzlos aufzuheben. Auf die Frage, ob ein Strafbeschluss auch gegen einen Kommanditisten erlassen werden kann, muss nicht mehr eingegangen werden. Der begehrten Änderung des Firmenwortlautes steht im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen kein Hindernis im Wege.

Rechtssätze
6