JudikaturJustiz6Ob37/16h

6Ob37/16h – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg zu FN ***** eingetragenen Q***** GmbH mit dem Sitz in A***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers R***** B*****, beide *****, vertreten durch Mag. Klemens Mayer und Mag. Stefan Hermann, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 21. Jänner 2016, GZ 6 R 4/16z, 6 R 5/16x 18, mit dem die Beschlüsse des Landesgerichts Salzburg vom 22. Dezember 2015, GZ 45 Fr 4173/15z 14 und 15, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen verhängten über die Gesellschaft und deren Geschäftsführer Zwangsstrafen nach § 283 UGB in Höhe von jeweils 700 EUR infolge nicht fristgerechter Einreichung des Jahresabschlusses für das Wirtschaftsjahr 2013/2014. Das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur unklaren Bestimmung des § 906 Abs 37 UGB.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

1. Das Erstgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers samt Akt mit Vorlagebericht vom 15. 2. 2016 dem Obersten Gerichtshof vorgelegt; der Vorlagebericht wurde von der zuständigen Diplomrechtspflegerin unterfertigt.

Nach § 16 Abs 2 Z 1 RPflG bleiben dem Richter stets Berichte an vorgesetzte Behörden vorbehalten, wozu nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch Vorlageberichte nach § 179 Geo gehören (RIS Justiz RS0125601). Nach dieser Rechtsprechung handelt es sich dabei keineswegs um einen leeren Formalismus, dient doch der Richtervorbehalt offenkundig dazu, die Rechtsauffassung des Rechtspflegers vor der Vorlage an höhere Gerichte einer ersten Prüfung zu unterziehen, weshalb der Akt vor Erledigung durch den Obersten Gerichtshof jeweils dem Erstgericht zurückgestellt wurde.

Tatsächlich ergingen die genannten Entscheidungen sämtlich in Fällen, in denen Gerichte durch den jeweils zuständigen Rechtspfleger Akten vorgelegt hatten, in denen Kompetenzkonflikte nach § 47 JN zu lösen waren. Gerade für solche Fälle kann die Vorlage des Akts durch den Richter anstelle des zuständigen Rechtspflegers zur Vermeidung unnötigen Verfahrensaufwands dienen, etwa weil die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN grundsätzlich voraussetzt, dass (rechtskräftige) konkurrierende Beschlüsse vorliegen (vgl insbesondere 2 Nc 23/15b EF Z 2016/53 [ Gitschthaler ]). Dies gilt mit derselben Begründung etwa auch für die Vorlage von Akten zur Einholung einer Entscheidung nach § 111 Abs 2 Satz 2 JN (vgl Gitschthaler , EF Z 2016, 109 [Entscheidungs-anmerkung]).

Davon unterscheidet sich jedoch die hier vorliegende Konstellation: Das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig erklärt, ein solcher wurde auch fristgerecht erhoben und nunmehr vom zuständigen Diplomrechtspfleger dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. Ein Tätigwerden des Richters „zur Vermeidung unnötigen Verfahrensaufwands“ war deshalb undenkbar, sodass die nunmehrige Rückstellung des Akts an das Erstgericht lediglich zur Unterfertigung des Vorlageberichts durch den Richter tatsächlich einen „leeren Formalismus“ darstellen würde.

2. Während die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer im Verfahren erster und zweiter Instanz die Auffassung vertraten, sie treffe kein Verschulden an der verspäteten Einreichung des Jahresabschlusses, sodass eine Strafe nicht zu verhängen gewesen wäre, geht es im Revisionsrekursverfahren nur mehr um die Frage der Übergangsbestimmungen des Rechnungslegungs Änderungs-gesetzes 2014 RÄG 2014 (BGBl I 2015/22) betreffend Kleinstkapitalgesellschaften im Sinn des § 221 Abs 1a UGB, den der Revisionsrekurs hier bereits für anwendbar erachtet.

2.1. Das RÄG 2014 führte in § 221 UGB, der die Größenklassen von Kapitalgesellschaften definiert, die wiederum in verschiedenen Zusammenhängen (etwa beim Rechnungslegungsrecht und bei der Aufsichtsratspflicht) relevant sind, eine neue Kategorie der sogenannten „Kleinstkapitalgesellschaften“ ein. Demnach sind Kleinstkapitalgesellschaften kleine Kapitalgesellschaften, die keine Investmentunternehmen oder Beteiligungsgesellschaften sind und mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten: 350.000 EUR Bilanzsumme, 700.000 EUR Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag und im Jahresdurchschnitt zehn Arbeitnehmer. Erfüllt eine Gesellschaft diese Voraussetzungen, beträgt die Strafe gemäß § 283 UGB, die mittels Strafverfügung zu verhängen ist, nicht 700 EUR, sondern lediglich 350 EUR. Auch im ordentlichen Verfahren tritt an die Stelle einer Mindeststrafe 700 EUR eine solche von bloß 350 EUR.

Im vorliegenden Fall weist die Gesellschaft nach dem letztlich dann doch eingereichten Jahresabschluss für das Wirtschaftsjahr 2013/2014 eine Bilanzsumme von 2.172,76 EUR auf, hat Umsatzerlöse von 14.400 EUR und nur einen Arbeitnehmer. Anhaltspunkte dafür, dass es es sich um eine Beteiligungsgesellschaft oder ein Investmentunternehmen handelt, finden sich im Akt nicht; nach dem Gesellschaftsvertrag betreibt die Gesellschaft einen Freizeitclub und Gastgewerbebetriebe. Es erscheint somit offensichtlich, dass es sich bei der Gesellschaft um eine Kleinstkapitalgesellschaft im Sinn des § 221 Abs 1a UGB handelt, abgesehen davon, dass nach § 283 Abs 1 UGB eine Gesellschaft (bereits dann) als Kleinstkapitalgesellschaft anzusehen ist, wenn sie die gesetzlichen Vertreter zuletzt in plausibler Weise als solche eingestuft haben, es sei denn, es liegen Hinweise vor, dass die Schwellenwerte mittlerweile überschritten wurden. Solche Hinweise sind aber nicht erkennbar.

2.2. Die Vorinstanzen vertraten die Auffassung, § 221 Abs 1a UGB sei gemäß § 906 Abs 28 UGB erstmalig auf Unterlagen der Rechnungslegung für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2015 beginnen; das Geschäftsjahr im vorliegenden Fall habe aber bereits am 31. 10. 2014 geendet. Dem ist zu folgen:

§ 906 Abs 28 UGB bestimmt zwar, dass § 283 UGB in der Fassung des RÄG 2014 mit 20. 7. 2015 in Kraft tritt; diese Bestimmung ist aber erstmalig auf Unterlagen der Rechnungslegung für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2015 beginnen. In diesem Sinn halten die ErläutRV 367 BlgNR 25. GP 21 fest, dass „die Bestimmungen“ erst anlässlich der Erstellung der Unterlagen für die Rechnungslegung für Geschäftsjahre, die nach dem 31. 12. 2015 beginnen, zur Anwendung kommen; auch die nachfolgenden Erläuterungen zu § 906 Abs 29 UGB sprechen dann bloß von der Anwendung der Größenkriterien für die Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre 2016.

In § 906 Abs 37 UGB findet sich zwar die weitere Regelung, dass §§ 283, 284 und 285 auf Verstöße gegen die in § 283 Abs 1 und § 284 UGB genannten Pflichten anzuwenden sind, die nach dem 19. 7. 2015 gesetzt werden oder fortdauern. In den ErläutRV 367 BlgNR 25. GP 22 heißt es dazu aber: „Da die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften frühestens mit dem Geschäftsjahr ab 1. 1. 2016 greifen (siehe Abs 28 iVm Abs 29), bedeutet dies de facto, dass sie erst bei einer Offenlegung im Jahr 2017 geltend gemacht werden können.“

In der Literatur hat sich soweit überblickbar nur Zib (in Zib/Dellinger , UGB [2015] § 283 Rz 46) mit dieser Übergangsbestimmung eingehender befasst, der ebenfalls die Auffassung vertritt, dass der mit dem RÄG 2014 geschaffene § 221 Abs 1a über Kleinstkapitalgesellschaften erst für Abschlüsse über Geschäftsjahre ab 1. 1. 2016 anwendbar sei, sodass man sich erst bei einer Verhängung von Zwangsstrafen im Jahr 2017 darauf berufen könne. Bei BBi 2015 H 7, 2 [3] findet sich zwar die Aussage, „die Bestimmungen zu den Zwangsstrafen sind für Verstöße ab dem 20. 7. 2015 anzuwenden“; allerdings wird dies nicht näher ausgeführt.

Die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung entspricht damit nicht nur dem Wortlaut des § 906 UGB, sondern auch den Intentionen des Gesetzgebers ausweislich der ErläutRV und einer maßgeblichen Stimme in der Literatur.

2.3. Der Argumentation des Revisionsrekurses, die sich auf Art 7 EMRK und Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zum Günstigkeitsprinzip stützt, ist schon die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats entgegenzuhalten, wonach es sich bei Zwangsstrafen nach § 283 UGB nicht um Strafen im Sinn des Art 6 EMRK handelt (RIS Justiz RS0115894 [T11, T13]); der Anwendungsbereich des Art 7 EMRK, der den Grundsatz „nullum crimen sine lege“ und damit auch ein Rückwirkungsverbot von Strafgesetzen festlegt, entspricht hingegen dem Strafbegriff des Art 6 EMRK (6 Ob 154/05y; Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 [2016] § 24 Rz 147; vgl auch EGMR 12. 2. 2008, 21906/04 [ Kafkaris/Zypern ] Rz 142).

3. Damit war aber dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.