JudikaturJustiz6Ob34/24d

6Ob34/24d – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wider die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 8.997 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 7. Dezember 2023, GZ 6 R 179/23x 54, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fürstenfeld vom 28. September 2023, GZ 28 C 556/20f 47, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 834,86 EUR (darin enthalten 139,14 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Herstellerin (bloß) des Motors des Typs EA189 Zahlung von 8.997 EUR sA. Dieser Betrag stehe ihr als Ersatz für den Schaden zu, der ihr aus dem Ankauf eines Fahrzeugs, in dem ein von der Beklagten mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteter Dieselmotor dieses Typs verbaut worden war , entstanden sei.

[2] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[3] Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung (insbesondere zu den geltend gemachten Anspruchsgrundlagen nach § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB) an das Erstgericht zurück. Überdies trug es dem Erstgericht auf, klare Feststellungen zum Vorliegen einer Wertminderung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufs durch die Klägerin zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Rekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):

[5] 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann ein Fahrzeugkäufer nur die Person oder Stelle für einen deliktischen Schadenersatzanspruch aus der (bloß schuldhaften) Verletzung des als Schutzgesetz zu qualifizierenden Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG in Anspruch nehmen, die im Typengenehmigungsverfahren als Herstellerin des Fahrzeugs auftrat und die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellte (RS0031143 [T46]; vgl auch EuGH C-100/21, Mercedes-Benz Group AG ).

[6] 2. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend erkannt, dass die Schutzgesetzverletzung (Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG) als Anspruchsgrundlage für das nicht von der Beklagten hergestellte Fahrzeug, dessen Übereinstimmungsbescheinigung sie nicht ausgestellt hat, untauglich ist (6 Ob 161/22b [Rz 20 ff]; RS0134616 ) und dass das Erstgericht zu den von der Klägerin weiters geltend gemachten Anspruchsgrundlagen nach § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB (vgl dazu 6 Ob 161/22b [Rz 33 ff]; 3 Ob 40/23p [Rz 33]; 2 Ob 139/23i [Rz 14]) keine Feststellungen getroffen hat.

[7] 3. Für den Fall, dass der Anspruch dem Grunde nach zu Recht bestehen sollte, weist der Oberste Gerichtshof schon an dieser Stelle darauf hin, dass die von der Rechtsprechung für die Haftung bei Schutzgesetzverletzungen entwickelte, aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben von der innerstaatlichen Systematik abweichende Methodik der Schadensberechnung (vgl RS0134498) bei Heranziehung der § 874 und § 1295 Abs 2 ABGB als Anspruchsgrundlagen nicht zur Anwendung kommt. Diesfalls ist der Schaden nach der relativen Berechnungsmethode zu ermitteln (10 Ob 31/23s [Rz 52]; 2 Ob 139/23i [Rz 24 f]; 4 Ob 204/23p [Rz 48 ff]; 6 Ob 19/24y).

[8] 4. Die Beklagte ignoriert an mehreren Stellen im Rekurs, dass die Frage nach einem Minderwert des Fahrzeugs noch gar nicht beantwortet ist. Das Berufungsgericht hat gerade deswegen, weil es die bisherigen (ohne Bezugnahme auf konkrete Zeitpunkte gebliebenen) Feststellungen des Erstgerichts zu einer Wertminderung im Zeitpunkt des Ankaufs durch die Klägerin als widersprüchlich ansah (und daraus zu Recht einen Feststellungsmangel ableitete [RS0042744]), dem Erstgericht aufgetragen, insoweit klare und widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. Der Rekurs geht – ohne darauf in irgendeiner Weise einzugehen – dagegen davon aus, es stünde schon jetzt fest, dass das Fahrzeug nie (auch nicht, nachdem die Kunden über die Prüfstandserkennung informiert worden waren) einen Minderwert aufgewiesen habe und dass „Dieselkäufern die Abgasmanipulationen gleichgültig“ gewesen seien. Die Beklagte legt dabei ihren – nicht von den Feststellungen gedeckten – Wunschsachverhalt zugrunde und führt die Rechtsrüge damit nicht gesetzmäßig aus (RS0043312 [insb T4, T14]; RS0043603 [insb T2]); auf die daran anknüpfenden Überlegungen ist schon deshalb nicht einzugehen (RS0043312 [insb T12]; RS0043603 [T8]). Vor dem Hintergrund, dass – wie das Berufungsgericht anmerkte – sich die Behauptungen der Beklagten zur Bedeutung des späteren Verkaufs des Fahrzeugs durch die Klägerin allein darin erschöpften darzulegen, es sei ein Weiterverkauf im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen, liegt auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage vor. Die von der Beklagten angestrebte Abweisung der Klage auf Basis der bisherigen Verfahrensergebnisse kommt damit nicht in Betracht.

[9] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Ein Kostenvorbehalt findet im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nicht statt. Vielmehr sind der Klägerin, die auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen hat, die Kosten ihrer Rekursbeantwortung zuzusprechen (RS0123222 [T4]).