JudikaturJustiz6Ob324/98k

6Ob324/98k – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Florian G*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** AG, wider die beklagte Partei I***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung und Zahlung von 2,331.394,03 S, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 4. September 1998, GZ 3 R 128/98k-12, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 2. April 1998, GZ 32 Cg 332/97h-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat dem Kläger die mit 26.319,90 S (darin 4.386,70 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4. 3. 1996 wurde über das Vermögen der H***** AG der Ausgleich und mit Beschluß vom 5. 8. 1996 der Anschlußkonkurs eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt.

Am 27. 5. 1994 hatte die Gemeinschuldnerin mit der S***** (in der Folge S*****) zwei Werkverträge über die Erbringung von Generalunternehmerleistungen geschlossen. Sie enthielten nachstehende Bedingungen:

"3. 4.: Der Generalunternehmer verpflichtet sich, entsprechend der Bezahlung der Teilrechnung, entsprechend dem Baufortschritt und entsprechend dem Prozentschlüssel, die Gelder an seine Vertragsfirmen (Subunternehmer) weiter zu delegieren. Bei berechtigten Klagen seitens der Vertragsfirmen und/oder nachweisbarem Zuwiderhandeln ist der Bauträger ermächtigt,

3.4.1: Direktanweisungen an die Vertragsfirmen in Anwesenheit des Generalunternehmers zu tätigen bzw

3.4.2: die Auftragserteilung dem Generalunternehmer zu entziehen....."

Die Beklagte wurde als Subunternehmer im Auftrag der Gemeinschuldnerin tätig. Am 8. 3. 1996 bezahlte die S***** den der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin zustehenden Werklohn in Höhe des Klagebetrages.

Gestützt auf die Anfechtungstatbestände des § 30 Abs 1 Z 1 und § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO begehrt der Masseverwalter der Generalunternehmerin die Feststellung, wonach die zur Befriedigung der Konkursforderungen der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Bauvorhaben erfolgten Zahlungen der S***** in Höhe des Klagebetrages sowie die damit bewirkte Befriedigung der Beklagten im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin den Gläubigern gegenüber unwirksam seien. Gleichzeitig begehrt der Masseverwalter Zahlung des Klagebetrages. Die Anfechtung sei befriedigungstauglich, weil die Masse um die Höhe des angefochtenen Betrages erhöht werde und der Beklagten demgegenüber nur eine Konkursforderung zustehe. Die von der Beklagten erlangte Befriedigung sei inkongruent, habe doch die Beklagte keinen klagbaren Anspruch auf Befriedigung durch die S***** gehabt, sie sei nur gegenüber der Gemeinschuldnerin forderungsberechtigt gewesen. Die Auslegung des Generalunternehmervertrages ergebe, daß Direktanweisungen an die Beklagte nur mit Zustimmung der Gemeinschuldnerin vorgenommen werden konnten, wobei die S***** nur unter bestimmten Bedingungen ermächtigt gewesen sei, Zahlung an die Beklagte zu leisten. Überdies sei die Befriedigung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Gemeinschuldnerin bereits zahlungsunfähig gewesen bzw zu dem das Ausgleichsverfahren eröffnet und öffentlich bekanntgemacht worden sei.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Die Auslegung der zwischen Gemeinschuldnerin und S***** getroffenen Vereinbarung ergebe eine Treuhandvereinbarung, zumindest aber einen Vertrag zugunsten Dritter, der durch den Konkurs nicht berührt würden. Inkongruente Befriedigung liege nicht vor. Die an die Beklagte geleisteten Zahlungen seien der Gemeinschuldnerin nicht zugestanden und stellten reine Durchlaufposten in deren Vermögen dar. Es fehle damit an einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger. Die Befriedigung sei nicht auf Kosten der Masse erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Auslegung des Generalunternehmervertrages ergebe, daß der Bauträger dem Subunternehmer - mit dem ihn kein Vertragsverhältnis verbinde - in gewissen Fällen Zahlung leisten dürfe. Aus den Vertragsbestimmungen könne jedoch weder eine Treuhandvereinbarung noch ein echter Vertrag zugunsten Dritter abgeleitet werden. Der Zahlungsanspruch der Beklagten habe nur gegen die Gemeinschuldnerin, nicht aber auch gegen die S***** bestanden. Es liege kein Fall eines anfechtungsneutralen Gläubigerwechsels vor; der zahlende Dritte (die S*****) sei Schuldner der späteren Gemeinschuldnerin gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob die Befriedigung des Subunternehmers direkt durch den Auftraggeber als aus den Mitteln einer Durchlaufpost erfolgt anzusehen sei, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Überdies fehle eine eindeutige Rechtsprechung zur Frage, ob direkte Leistungen des Bauträgers an den Subunternehmer das Vermögen des Generalunternehmers berühren.

Die von der Beklagten nach Ausgleichseröffnung erlangte Befriedigung sei nach § 30 Abs 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar. Die Befriedigung eines Gläubigers aus fremden Mitteln (etwa durch Anweisung eines Dritten, der nicht Schuldner des Gemeinschuldners ist), sei zwar im Regelfall mangels Benachteiligung nicht anfechtbar, im vorliegenden Fall sei die S***** jedoch ihrerseits Schuldnerin der Gemeinschuldnerin und damit verpflichtet, an diese zu leisten. Damit sei aber zu prüfen, ob die angefochtene Zahlung aus fremden Mitteln des Dritten oder aus Mitteln bzw auf Kosten der Gemeinschuldnerin erfolgte. Der Auffassung der Beklagten, wonach die Gemeinschuldnerin aufgrund der Bestimmungen des Generalunternehmervertrages keinen Anspruch auf Zahlung an sich selbst gehabt habe, weil sie den an die Beklagte als Subunternehmerin weiterzuleitenden Teil der Werklohnforderung nur habe treuhändig entgegennehmen können bzw die Beklagte im Umfang ihrer Werklohnforderung begünstigte Dritte sein sollte, werde nicht geteilt. Schon nach dem eindeutigen Wortlaut des Punktes 3.4 des Generalunternehmervertrages handle es sich bei der dem Bauträger eingeräumten Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen Direktzahlungen an die Subunternehmerin zu leisten, weder um eine Treuhandvereinbarung noch um einen Vertrag zugunsten Dritter, sondern lediglich um eine Zahlungsermächtigung. Dies bedeute, daß der Schuldner ermächtigt sei, an einen Dritten zu leisten. Demgegenüber wäre ein echter Vertrag zugunsten Dritter nur dann anzunehmen, wenn die Leistung hauptsächlich dem Dritten zum Vorteil gereichen sollte. Davon könne hier aber nicht die Rede sein, weil nach dem Willen der Beteiligten die Vereinbarung so zu verstehen sei, daß durch allfällige Leistungen des Bauträgers direkt an die Subunternehmerin auch der Bauträger im Verhältnis zur Gemeinschuldnerin von seiner Schuld befreit sein sollte. Die Gemeinschuldnerin habe vielmehr Anspruch auf Zahlung des Generalunternehmerentgelts an sie selbst, so daß die Befriedigung der Beklagten nicht aus Mitteln einer Durchlaufpost erfolgt sei. Es sei nicht strittig, daß die Leistung der S***** an die Beklagte nach dem Empfängerhorizont der Beklagten auf die Schuld der Gemeinschuldnerin gegenüber der Beklagten erfolgte. Für die Berechtigung des Anfechtungsbegehrens sei nicht entscheidend, ob die S***** von der ihr eingeräumten Ermächtigung vereinbarungsgemäß Gebrauch gemacht habe und durch die Zahlung an die Beklagte von ihrer Werklohnverbindlichkeit gegenüber der Gemeinschuldnerin befreit worden sei. Wesentlich sei nur, daß die Zahlung an die Beklagte eine Abgeltung der Schuld der Gemeinschuldnerin gegenüber der Beklagten bewirkte, die also befriedigt wurde. Durch den Zahlungsvorgang sei entweder die Werklohnforderung der Gemeinschuldnerin erloschen und die Masse in diesem Umfang geschmälert oder aber stehe der Masse noch die Werklohnforderung gegenüber der S***** zu. Diese habe jedoch durch Befriedigung der Beklagten deren Forderung im Sinn des § 1422 ABGB eingelöst und könne sie als Aufrechnungsberechtigter und somit aus einer besseren Rechtsposition heraus gegen die Konkursmasse geltend machen. Die Aufrechnung hätte aber eine Verminderung des den Konkursgläubigern zur Verfügung stehenden Befriedigungsfonds zur Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind der Anfechtung nur Rechtshandlungen unterworfen, die vor Konkurseröffnung vorgenommen wurden und das Vermögen der Gemeinschuldnerin betreffen (§ 27 KO). Die Befriedigung eines Gläubigers durch einen Dritten mit fremden Mitteln ist - weil nicht das Vermögen des Gemeinschuldners betreffend - im Regelfall nicht anfechtbar. So bewirkt die Leistung des Dritten, der nicht selbst Schuldner des Gemeinschuldners ist, nur einen Wechsel in der Person des Gläubigers, ohne die Masse zu beeinträchtigen. Ihre Rückgängigmachung, auf die die Anfechtung gerichtet ist, führte zwar zum Erlöschen der Forderung des leistenden (Neu)Gläubigers, ließe aber jene des früheren Gläubigers aufleben. Dem Anfechtungsanspruch fehlt es damit in einem solchen Fall bloßen Gläubigerwechsels an der Voraussetzung der Befriedigungstauglichkeit (König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung2 Rz 104; ÖBA 1992/358, 1113 [Koziol]) bzw der Gläubigerbenachteiligung (SZ 69/260; ÖBA 1997/554, 633; ZIK 1998, 199 = RdW 1998, 678; RIS-Justiz RS0064410 und RS0050667), es sei denn, der neue Gläubiger kann eine Forderung aus einer besseren Rechtsstellung heraus geltend machen, weil die Beseitigung eines abgesicherten Gläubigers im Wege der Anfechtung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im Konkurs zu verbessern vermag. Lehre und Rechtsprechung haben in diesem Sinn die Befriedigungstauglichkeit in Fällen bejaht, in denen der neue Gläubiger Absonderungsrechte geltend machen oder mit gegen ihn schon bestehenden Forderungen der Konkursmasse aufrechnen konnte, seine Position im Konkurs somit besser war als die des befriedigten Gläubigers (SZ 59/79; SZ 69/260; ÖBA 1992, 1113; ÖBA 1997/554, 633; ZIK 1998, 199; RIS-Justiz RS0064410 und RS0110262; König aaO Rz 104). In Fällen, in denen der neue Gläubiger in der Lage ist, seine Forderungen aus einer besseren Rechtsposition heraus (etwa als Aufrechnungsberechtigter) zu realisieren, wirkt sich der durch die Befriedigung des früheren Gläubigers erfolgte Gläubigerwechsel zu Lasten der späteren Konkursmasse aus, die Position der übrigen Gläubiger verschlechtert sich. In einem solchen Fall liegen die Anfechtungsvoraussetzungen vor.

Durchlaufposten sind bei Beurteilung der Befriedigungstauglichkeit regelmäßig nicht zu berücksichtigen (SZ 66/149 und SZ 67/48, RIS-Justiz RS0050481).

Die Auffassung des Berufungsgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang und ist - geht man von einer Zahlungsverpflichtung der S***** an die Gemeinschuldnerin aus dem Generalunternehmervertrag aus - auch nicht zu beanstanden. Ob die S***** als "Dritter" an die Gemeinschuldnerin zu leisten hatte, mit anderen Worten, ob die Gemeinschuldnerin Zahlung an sich selbst fordern konnte, ist eine Frage der Auslegung des Punktes 3.4 des Generalunternehmervertrages. Die Vorinstanzen haben diese Vereinbarung als Zahlungsermächtigung beurteilt, die es der S***** ermöglicht, unter bestimmten Umständen an die Subunternehmerin direkt zu zahlen, der Gemeinschuldnerin als Generalunternehmer jedoch nicht die Forderungsberechtigung nimmt. Diese Vertragsauslegung hält sich im Rahmen der von Lehre und Rechtsprechung vertretenen Auslegungsgrundsätze und ist angesichts der im Generalunternehmervertrag gewählten konkreten Formulierung auch nicht zu beanstanden. Ob eine Auslegung im Sinn des Verständnisses der beklagten Partei denkbar wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach der Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO vorliegt, und zwar gleichgültig, ob die S***** nach Punkt 3.4 der Vereinbarung berechtigt war, Zahlung an die Beklagte zu leisten, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Hat die S***** im Einklang mit den Vertragsbestimmungen des mit der Gemeinschuldnerin vereinbarten Generalunternehmervertrages Zahlung geleistet (das heißt durfte sie an die Beklagte zahlen), so erfolgte damit einerseits die Tilgung ihrer Schuld gegenüber der Gemeinschuldnerin und andererseits zugleich auch die Zahlung der Schuld der Gemeinschuldnerin an die Beklagte in voller Höhe und nicht nur in Höhe der der Beklagten zustehenden Konkursquote. Durch diesen Vorgang wurde die Masse geschmälert, die Gläubiger damit benachteiligt. War hingegen die Zahlung an die Beklagte nicht nach dem Generalunternehmervertrag berechtigt, konnte die Gemeinschuldnerin nach wie vor ihre Werklohnforderung gegen die S***** geltend machen. Die letztgenannte hatte jedoch durch Zahlung die Werklohnforderung der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin eingelöst und konnte aus ihrer damit erlangten besseren Rechtsposition gegen die Werklohnforderung der Gemeinschuldnerin aufrechnen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes steht auch in Einklang mit 6 Ob 161/98i (ZIK 1998, 199 = RdW 1998, 678). Soweit das Berufungsgericht vermeint, die dort vertretene Rechtsauffassung stehe mit der von ihm vertretenen nicht ganz in Einklang, übersieht es, daß der Sachverhalt des Verfahrens 6 Ob 161/98i dadurch gekennzeichnet war, daß der an den Subunternehmer leistende Bauherr im Zeitpunkt seines Schuldbeitritts und der Zahlung an den Subunternehmer nicht (mehr) Schuldner der Gemeinschuldnerin war, weil deren berechtigte Forderungen bereits davor berichtigt worden waren. Seine Zahlungen stammten aus aufgenommenen Krediten bzw Kontoüberziehungen und bewirkten - mangels einer offenen Werklohnforderung der Generalunternehmerin gegen den zahlenden Bauherrn - keine für die Konkursmasse nachteilige Aufrechnungslage; die Zahlung beeinträchtigte damals das Vermögen der Gemeinschuldnerin nicht, so daß die aufgrund des Schuldbeitritts geleistete Zahlung des Bauherrn und damit auch ihre Entgegennahme durch den Subunternehmer als anfechtungsfest beurteilt wurden.

Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat auf das Fehlen erheblicher Rechtsfragen und damit auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, so daß ihm die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen sind.

Rechtssätze
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