JudikaturJustiz6Ob310/00g

6Ob310/00g – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Daniel S*****, vertreten durch Dr. Oliver Felfering, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Monopolverwaltungs Gesellschaft mbH, 1090 Wien, Porzellangasse 47, vertreten durch Dr. Josef Olischar und Dr. Martin Kratky, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 300.000 S), in eventu Zuhaltung eines Vertrages (Streitwert 200.000 S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2000, GZ 3 R 67/00w-25, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 10. März 2000, GZ 27 Cg 71/99-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Monopolverwaltungs GmbH kündigte nach § 35 Abs 2 Tabakmonopolgesetz 1996 (TabMG) den mit dem klagenden Trafikanten bestehenden Bestellungsvertrag mit Ablauf des 31. März 1999 wegen Verstoßes gegen § 36 Abs 7 TabMG - Zustellung von Tabakwaren - nach Abmahnung auf. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen hat der Verkäufer des Klägers im November 1998 wiederholt Plastiksäcke mit Zigaretten an verschiedene Cafes abgeliefert, somit auch außerhalb des Gsechäftslokals Tabakwaren verkauft; es könne nicht festgestellt werden, dass dies ohne Wissen des Klägers erfolgt sei. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw Nichtigkeit bzw Unwirksamkeit der Aufkündigung des Bestellungsvertrags, in eventu auf Zuhaltung des Bestellungsvertrags gerichtete Klagebegehren ab. Die von der beklagten Partei geltend gemachten Kündigungsgründe seien verwirklicht, die im TabMG vorgesehenen Voraussetzungen - schriftliche Verwarnung des Betroffenen (§ 35 Abs 4) und Anhörung des Landesgremiums (§ 35 Abs 5) - seien eingehalten worden. Da die im TabMG vorgesehene Wettbewerbsbeschränkung sowohl für Inlands- wie auch für Importware gelte, handle es sich nur um eine den Art 37 EGV bzw Art 71 der Beitrittsakte nicht verletzende Verkaufsmodalität. Eindeutige Fragen wie die vorliegende seien nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers bringt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor. Selbst wenn sich die zweite Instanz nicht mit jedem einzelnen Argument einer Beweis- und Tatsachenrüge auseinandersetzt, macht dies das Berufungsverfahren noch nicht mangelhaft, sondern erst dann, wenn sich das Berufungsgericht mit einer Beweisrüge insgesamt nicht oder nur so mangelhaft befasst hat, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (stRspr, RZ 1991/5 ua, 8 ObA 117/99k; Kodek in Rechberger2, § 503 ZPO Rz 3 mwN). Davon kann hier keine Rede sein.

Nach dem TabMG ist der Kleinhandel mit Tabakwaren (Verkauf an Endkunden) derart beschränkt, dass Tabakwaren im Gebiet der Republik Österreich grundsätzlich nur durch Tabaktrafikanten, allenfalls durch Gastgewerbetreibende, vertrieben werden dürfen. Die Regelung steht mit den Bestimmungen über mitgliedstaatliche Handelsmonopole und den Grundsätzen der Warenverkehrsfreiheit im Einklang.

Nach Art 30 EGV (jetzt Art 28 EG idFd Vertrags von Amsterdam) sind zwischen den Mitgliedstaaten mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen enthält das TabMG nicht. Die Kleinhandelsregelung des TabMG ist auch keine "Maßnahme gleicher Wirkung". Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat wiederholt die potentiell hanelsbeschränkende Wirkung nationaler Regelungen verneint, wenn diese unterschiedslos für Import- und Inlandswaren gelten und lediglich allgemeine Regelungen des Wirtschaftslebens, die in keinem Zusammenhang mit der Steuerung von Handelsströmen stehen, darstellen. Weiters hat er bereits in seiner Entscheidung RS C-387/93, Slg 1995, I-4664 - "Banchero" zum italienischen Tabakgesetz ausgesprochen, dass nationale Vorschriften, nach denen der Einzelhandel mit Tabakwaren jeder Herkunft zugelassenen Vertriebshändlern vorbehalten ist, die aber dadurch den Zugang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten zum inländischen Markt nicht behindern oder nicht stärker erschweren als den Zugang einheimischer Erzeugnisse zum Vertriebsnetz, nicht in den Anwendungsbereich des Art 30 EGV fallen. Abgestellt wird somit nicht auf zugelassene Einzelhändler, sondern auf die Erzeugnisse, die von ihnen vertrieben werden. Diese Rechtslage ist mit der Rechtslage in Österreich (TabMG 1996) vergleichbar (Kartellobergericht 16 Ok 13/98; Vcelouch, Vereinbarkeit von Gemeinschaftsrecht und österreichischem "Tabakmonopol", ÖJZ 1999, 701 ff).

Gemäß Art 37 EGV (jetzt Art 31 EG idFd Vertrags von Amsterdam), in gleicher Weise Art 71 der Beitrittsakte zur Union, formen die Mitgliedstaaten ihre staatlichen Handelsmonopole derart um, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist. Sowohl Art 71 der Beitrittsakte als auch Art 37 EGV verlangen somit keine Abschaffung von Monopolen, sondern nur deren "Umformung". Zum vergleichbaren italienischen Tabakmonopol hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits in seiner Entscheidung "Banchero" ausgesprochen, Art 37 EGV sei für nationale Rechtsvorschriften irrelevant, nach denen der Einzelhandel mit Tabakwaren staatlich zugelassenen Vertriebshändlern vorbehalten sei, wenn der Staat nicht so in die Führung von Tabakläden eingreife, dass die Wahl der Bezugsquellen durch die Einzelhändler kontrolliert oder beeinflusst werde, entweder, um den vom staatlichen Tabakmonopol hergestellten Tabakwaren einen Absatzmarkt zu sichern oder um bestimmte Einfuhrströme aus anderen Mitgliedstaaten zu begünstigen oder abzublocken. Art 37 EGV wurde daher primär als Diskriminierungsschutz für Hersteller (Marktzugang) und Konsumenten (Verfügbarkeit eines kompletten Angebots) gesehen und das italienische Tabakmonopol gemeinschaftsrechtlich unbedenklich beurteilt; das italienische Regelungssystem stelle nur eine Verkaufsmodalität iSd bisherigen Rsp zur Warenverkehrsfreiheit, aber keine Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen dar. Art 37 EGV gelte nicht für nationale Bestimmungen, die "allgemein die Herstellung und Vermarktung von Waren" betreffen.

Dass unter diesen rechtlichen Aspekten die Vorinstanzen der

Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht näher traten,

gibt somit zu keinen Bedenken Anlass. Denn die hier maßgeblichen

Regelungen betreffen nicht den Diskriminierungsschutz für Hersteller

oder Konsumenten, sondern die Beziehungen zwischen der

Monopolgesellschaft und dem einzelnen Trafikanten. Der Einzelhändler

muss nur in Ansehung der Zusammensetzung seines Warensortiments,

nicht aber hinsichtlich seines Großhändlers (seiner "Einkaufsquelle")

wahlberechtigt sein (Vcelouch aaO 705). Bei klaren Regelungen oder

einer eindeutigen Rsp des EuGH erübrigt sich schon iSd "acte

clair"-Theorie eine Anrufung des EuGH (8 ObS 199/97s = ZIK 1998, 71;

8 ObS 268/98i = ZIK 2000, 143 ua; RIS-Justiz RS0112221). Auch zu

einer Befassung des VfGH zur Prüfung des § 36 Abs 7 TabMG auf seine

Verfassungskonformität besteht kein Anlass. Eine

Inländerbenachteiligung besteht insoweit nicht.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
6