JudikaturJustiz6Ob3/88

6Ob3/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Handelsregistersache der zu 22 HRB 43 Weiz des Landes- als Handelsgerichtes Graz registrierten Firma "S***

Gesellschaft m.b.H.", vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen Antragstellung der beiden Gesellschafter 1.) Walter S***, Kaufmann, 2.) Hildegard S***, Hausfrau, beide Weiz, Gleisdorferstraße 87, beide vertreten durch Dr. Franz M. Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, auf Bestellung von Revisoren, infolge Revisionsrekurses der Gesellschaft gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 3. Dezember 1987, GZ 1 R 200/87-25, womit der Beschluß des Landes- als Handelsgerichtes Graz vom 18. September 1987, GZ 22 HRB 43 Weiz-23, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß im Sinne einer teilweisen Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses mit der Maßgabe abgeändert, daß dieser wie folgt zu lauten hat:

"a) der auf die Ablehnung eines Beschlusses der Generalversammlung vom 18. Februar 1987 gestützte Antrag auf Vornahme einer Sonderprüfung gemäß § 45 GmbHG wird abgewiesen.

b) der auf Beschlußfassungen in der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. Juli 1987 gestützte Antrag auf Vornahme einer Sonderprüfung gemäß § 45 GmbHG wird insoweit abgewiesen, als sich diese Prüfung auf Fremdvergleiche von Warenlieferungen der Gesellschaft erstrecken soll, die in der Zeit vom 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1985 erfolgt sind".

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben und der angefochtene Aufhebungsbeschluß bestätigt.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind Gesellschafter der als Antragsgegnerin beteiligten Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Geschäftsführer dieser Gesellschaft sind Alexander S***, geboren 1930, und Helmut S***. Am 18. Februar 1987 hatte die Gesellschaft bei einem Stammkapital von S 100.000,-- folgende Gesellschafter:

1) Den Erstantragsteller Walter S*** mit einer Stammeinlage von S 25.000,--;

2) den Geschäftsführer Alexander S*** mit einer Stammeinlage von S 25.000,--;

3) den Geschäftsführer Helmut S*** mit einer Stammeinlage von

S 25.000,--;

4) die Zweitantragstellerin Hildegard S*** mit einer Stammeinlage von S 8.000,--;

Rechtliche Beurteilung

Es vertrat die Rechtsauffassung, auch eine mangelnde Einigung über die Person des Revisors sei als Ablehnung eines Antrages auf Sonderprüfung anzusehen. Solches sei aber in der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. Juli 1987 geschehen. Die Ablehnung der Sonderprüfung bestimmter Vorgänge stehe der Ablehnung einer Revisorenbestellung zur Prüfung der letzten Jahresbilanz gleich. Das Erstgericht werde daher in eine meritorische Prüfung einzutreten und dabei noch zu klären haben, ob nicht auch der Erstantrag in seiner präzisierten Form vom Zweitantrag bereits mitumfaßt werde. Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig, weil eine Änderung der Entscheidung des Erstrichters im Sinne des § 14 Abs. 1 AußStrG auch bei einem aufhebenden Beschluß des Rekursgerichtes gegeben ist (EFSlg. 47.126; MietSlg. 38.817 uva.). Er ist auch teilweise berechtigt, wobei es dem Obersten Gerichtshof im außerstreitigen Verfahren ebensowenig verwehrt ist, anstelle des Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichtes jene Sachentscheidung zu setzen, die dieses zu treffen gehabt hätte (EFSlg. 47.130 mwN). Die Antragsgegnerin verweist zutreffend darauf, daß es im Gegensatz zur Meinung des Gerichtes zweiter Instanz nicht zweifelhaft sein kann, daß zwei verschiedene Anträge auf Sonderprüfung vorliegen, von denen der eine auf die Ablehnung einer entsprechenden Antragstellung in der Generalversammlung vom 18. Februar 1987 und der andere auf eine Beschlußfassung in der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. Juli 1987 gestützt wurde. In der Generalversammlung vom 18. Februar 1987 ist aber nur der vom Erstantragsteller gestellte Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern "zur Prüfung der geschäftlichen Vorfälle seit 1. Juli 1984" abgelehnt worden. Die Ablehnung eines solchen Antrages berechtigt den Minderheitsgesellschafter noch nicht zu einer Antragstellung gemäß § 45 Abs. 1 GmbHG. Ganz unabhängig von der noch zu beantwortenden Frage, ob nämlich eine Sonderprüfung nach dieser Gesetzesstelle im Sinne ihres Wortlautes auf den Fall der vorherigen Ablehnung eines Antrages auf Bestellung von sachverständigen Revisoren zur Prüfung des letzten Jahresabschlusses durch die Gesellschafter beschränkt ist, oder ob sie auch im Falle der Ablehnung eines auf die Prüfung von Vorgängen bei der Geschäftsführung gerichteten Antrages stattfinden kann, so hätte letzteres jedenfalls zur Voraussetzung, daß nicht die Geschäftsführung schlechthin, sondern nur einzelne, bestimmte Vorgänge der Geschäftsführung, die in der abgelehnten Antragstellung auch zum Ausdruck gekommen sind, überhaupt einer Sonderprüfung zugänglich gemacht werden könnten (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 407, 414; vgl. auch Schiemer, HdKommzAktG2, Rz 1.2 zu § 118). Auch Sonderprüfer dürfen nämlich nicht generell mit der Kontrolle der Geschäftsführung beauftragt werden, sondern es muß sich um Vorgänge bestimmter Art handeln (vgl. SZ 34/127). Der in der Generalversammlung vom 18. Februar 1987 abgelehnte Antrag war aber auf eine solche generelle Kontrolle "der geschäftlichen Vorfälle seit 1. Juli 1984" gerichtet. Bei Abweisung eines derart unbestimmten Antrages besteht demnach kein Recht der Minderheitsgesellschafter auf eine Sonderprüfung gemäß § 45 Abs. 1 GmbHG. Mangels einer entsprechenden Antragslegitimation war daher in teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses der erstgerichtliche Beschluß in seinem Punkt a) mit der Maßgabe wiederherzustellen, daß der auf die Ablehnung einer Antragstellung in der Generalversammlung vom 18. Februar 1987 gestützte Antrag auf Sonderprüfung abgewiesen wird.

Zum zweiten Antrag der Minderheitsgesellschaft vom 31. Juli 1987 auf Sonderprüfung, gestützt auf die Beschlußfassungen in der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. Juli 1987, ist zunächst davon auszugehen, daß bei der Erledigung eines diesbezüglichen Antrages in der Generalversammlung die Gesellschafter an die Regeln der §§ 45 ff GmbHG gebunden sind, weil andernfalls einer Umgehung des Minderheitsrechtes durch eine bloße Scheinrevision Vorschub geleistet würde (Keinert in GesRZ 1976, 20). In diesem Sinne muß daher auch ein bloßer Prüfungsbeschluß der Generalversammlung ohne gleichzeitige Bestellung von bestimmten Revisoren als Ablehnung des Antrages auf Sonderprüfung in der Generalversammlung gelten (Keinert a.a.O. 23), weil der im § 45 Abs. 1 GmbHG genannte Gerichtshof gleichermaßen nicht nur die Frage abzuklären hätte, ob überhaupt eine Sonderprüfung vorzunehmen ist, sondern gemäß § 45 Abs. 3 GmbHG bejahendenfalls auch eine bestimmte Person zum Revisor zu bestellen hätte (SZ 56/19; vgl. zur insoweit ähnlichen Sonderprüfung bei der AG: Schiemer a.a.O. Rz 2.2). Im vorliegenden Fall ist die Sonderprüfung in der außerordentlichen Generalversammlung beschlossen und eine bestimmte Person zum Revisor bestellt worden, doch erfolgte die Wahl des Prüfers gegen die Stimmen der Minderheitsgesellschafter und diese machen mit ihrer nunmehrigen Antragstellung dagegen im Ergebnis eine Befangenheit der ausgewählten Prüfungsgesellschaft geltend. Dies muß mit Rücksicht auf den Zweck der Einrichtung des Rechtes der Minderheit gemäß § 45 Abs. 1 GmbHG als zulässiger Nachweis dafür angesehen werden, daß ein Antrag auf Sonderprüfung in Wahrheit abgelehnt wurde, weil durch die Auswahl des Revisors aus bestimmten Gründen nur eine Scheinrevision beschlossen worden ist (vgl. Gellis KommzGmbHG2 Rz 2 zu § 45). Insoweit ist daher die Vorschrift des § 118 Abs. 3 AktG analog anzuwenden. Danach genügt es aber im Gegensatz zur Meinung des Rekursgerichtes nicht, daß die Auswahl des Prüfers in der Generalversammlung bloß mit Mehrheitsbeschluß gefaßt wurde, sondern es müsesn begründete Bedenken gegen die solcherart bestellten Prüfer bestehen, weil ansonsten für das Registergericht gar kein Anlaß bestünde, dem Minderheitsverlangen zu entsprechen (vgl. Schiemer a.a.O. Rz 6.1 zu § 118). Solche Bedenken wurden aber von den Antragstellern im vorliegenden Fall gegen die von der Generalversammlung zum Revisor bestellte IPW Interaudit Prüfungs- und Wirtschaftsberatungsgesellschaft m.b.H. geltend gemacht. Sie müssen daher meritorisch geprüft werden, weil andernfalls die Antragslegitimation nach § 45 GmbHG im Sinne einer vorausgesetzten Ablehnung der Sonderprüfung durch die außerordentliche Generalversammlung wegen einer dort beschlossenen bloßen Scheinrevision noch nicht abschließend beurteilt werden kann. In diesem Zusammenhang muß aber auch noch die von der außerordentlichen Generalversammlung beschlossene Sonderprüfung im Hinblick auf ihren Umfang näher untersucht werden. Diese umfaßte nämlich nicht nur die Prüfung des Jahresabschlusses 1985/86, sondern auch eine solche der Frage, ob Warenlieferungen der Gesellschaft an bestimmte Personen einem Fremdvergleich standhalten. Soweit aber die Generalversammlung über § 45 Abs. 1 GmbHG hinaus eine freiwillige Revision beschließt, bestünde hier keine Bindung an die gesetzlichen Regelungen und es wäre daher auch ein Antragsrecht der Minderheit auf eine gerichtliche Sonderprüfung ausgeschlossen

(Keinert a.a.O. 20). § 45 Abs. 1 GmbHG verlangt nach seinem Wortlaut eine beschlußmäßige Ablehnung eines Antrages auf Bestellung von sachverständigen Revisoren "zur Prüfung des letzten Jahresabschlusses". Ein solcher Antrag wurde in Bezug auf den Jahresabschluß 1985/86 auch tatsächlich gestellt und in der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. Juli 1987 beschlußmäßig behandelt. Darüber hinaus war aber Gegenstand dieser außerordentlichen Generalversammlung noch die Behandlung eines weiteren Antrages, mit dem bestimmte Vorgänge der Geschäftsführung seit 1. Juli 1984 einer Sonderprüfung unterzogen werden sollten. Auch diese Beschlußfassung ist Gegenstand der vorliegenden Antragstellung der beiden Minderheitsgesellschafter an das Registergericht. Hiezu wird in der Lehre (Kastner, Gesellschaftsrecht4 298, Reich-Rohrwig a.a.O. 407; Peter Doralt in JBl. 1977, 130) die Auffassung vertreten, daß die Prüfung nicht auf die bloße Richtigkeit der Bilanzziffern beschränkt sein kann, weil einerseits gemäß § 47 Abs. 3 GmbHG in der nächsten Generalversammlung der Bericht vorzulegen und über die zur Abstellung der etwa aufgedeckten Gesetzwidrigkeiten oder Übelstände eingeleiteten Schritte zu berichten ist und sich daraus andererseits auch die Möglichkeit einer Minderheitsschadenersatzklage gemäß § 48 GmbHG ergeben könnte. Der erkennende Senat tritt dieser Ansicht insbesondere aus der Erwägung bei, daß sich beinahe jeder geschäftliche Vorfall in der Bilanz niederschlägt oder sich wenigstens hätte niederschlagen sollen (Keinert a.a.O. 21). Darum können grundsätzlich auch bestimmte Geschäftsführungsvorgänge in die Sonderprüfung einbezogen werden, sofern sie nur - wie hier - die "finanzielle Lage der Gesellschaft" oder ihre Schilderung in der Bilanz zu beeinflussen vermochten. Nicht gefolgt werden kann aber der vom Rekursgericht im Anschluß an Reich-Rohrwig (a.a.O. 408) vertretenen Meinung, solche Sonderprüfungen über bestimmte Vorgänge der Geschäftsführung unterlägen keiner zeitlichen Befristung, für sie komme nur die Verjährungsfrist der §§ 10 Abs. 5 und 25 Abs. 6 GmbHG für Schadenersatzklagen gegen die Geschäftsführer in Betracht, weshalb sie bis auf fünf Jahre zurückliegende Vorgänge erstreckt werden könnten. Dabei wird nämlich übersehen, daß die gesetzliche Sonderprüfung gemäß den §§ 45 ff GmbHG auf den "letzten Jahresabschluß" beschränkt ist, womit dem Minderheitsrecht indirekt eine zeitliche Grenze in die Vergangenheit gesetzt wurde (Gellis, a. a.O. Rz 2 zu § 45). In die gesetzliche Sonderprüfung können daher stets nur Geschäftsführungsvorgänge aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr einbezogen werden (Keinert a.a.O.), weil mit dem "letzten Jahresabschluß" die Bilanz über dasjenige Wirtschaftsjahr gemeint ist, für das zuletzt ein Rechnungsabschluß aufgestellt und vor die Generalversammlung gebracht wurde (Torggler in GesRZ 1978, 177). Im vorliegenden Fall war dies der Jahresabschluß 1985/86 für das Geschäftsjahr von 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1986. Nur für bestimmte Geschäftsführungsvorgänge innerhalb dieses Geschäftsjahres kommt daher die gesetzliche Sonderprüfung nach den §§ 45 ff GmbHG in Betracht, wobei die Beschränkung darauf sowohl in bezug auf die Vergangenheit als auch auf nach dem Bilanzstichtag liegende Sachverhalte nur insoweit durchbrochen werden kann, als diese für die Beurteilung der "finanziellen Lage der Gesellschaft" bedeutsam sind (Reich-Rohrwig a.a.O. 413) und im letzten Jahresabschluß ihren Niederschlag gefunden haben (etwa in Form von Rechnungsabgrenzungsposten) oder zumindest hätten finden müssen. Soweit daher in der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. Juli 1987 mehrheitlich ein Revisor zur Prüfung der Frage bestellt worden ist, ob auch in der Zeit von 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1985 vorgenommene Warenlieferungen der Gesellschaft an bestimmte Firmen einem "Fremdvergleich" standhalten, betrifft dies Vorfälle des vorletzten Wirtschaftsjahres. Insoweit liegt somit eine von der außerordentlichen Generalsversammlung gemäß § 35 Abs. 1 Z 5 GmbHG freiwillig beschlossene Revision vor, für die keine Bindung an die §§ 45 ff GmbHG besteht und die deshalb von den Minderheitsgesellschaftern im Wege einer Antragstellung auf gerichtliche Sonderprüfung durch Bestellung von Revisoren weder erzwungen noch bekämpft werden kann. Daraus folgt die teilweise Wiederherstellung der erstgerichtlichen Antragsabweisung auch in bezug auf Punkt b) seines Beschlusses.

Im übrigen erweist sich aber die Aufhebung des Rekursgerichtes nach dem bisher Gesagten schon deshalb als gerechtfertigt, weil das Erstgericht über den verbleibenden Antrag der Minderheitsgesellschafter in die meritorische Prüfung einzutreten haben wird.

Rechtssätze
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