JudikaturJustiz6Ob285/06i

6Ob285/06i – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 8. April 2005 verstorbenen Aloisia Z*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des erblasserischen Neffen Walter R*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 10. November 2006, GZ 54 R 129/06a-52, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 6. September 2006, GZ 27 A 66/05h-47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Der Revisionsrekurswerber Walter R***** ist Neffe der am 8. 4. 2005 unter Hinterlassung letztwilliger Anordnungen verstorbenen Erblasserin. Ihre mit 7. 7. 1982 datierte letztwillige Anordnung hat nachstehenden Inhalt:

„Mein letzter Wille:

Im Falle meines Ablebens vermache ich meinem Neffen Walter R*****, wohnhaft in R*****, meine Eigentumswohnung samt Mobiliar und Inhalt. Meiner Schwester Lidya R***** ebenfalls wohnhaft in R*****, mein Prämiensparbuch und Geld das noch da ist, sollte ihr in der Wohnung etwas Passendes zusagen, kann sie sich davon nehmen, was sie will. Dies ist mein letzter Wille".

Nachdem die Erblasserin 1993 die Wohnung top 11 in dem von ihr bewohnten Haus erworben hatte, verfasste sie am 13. 4. 1997 eine weitere letztwillige Verfügung nachstehenden Inhalts:

„Die Wohnung top 11 gehört auch zum Testament dem Walter R***** dazu. Auch was meine Schwester Lidya R***** von mir bekommen hätte". Beide Anordnungen wurden von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterfertigt.

Der Revisionsrekurswerber gab die Erbantrittserklärung aufgrund des Testaments ab. Er berief sich darauf, dass die Erblasserin seine Einsetzung zum Alleinerben beabsichtigt habe. Sie habe diesen ihren Willen auch gegenüber dritten Personen wiederholt bekräftigt. Sechs weitere Neffen und Nichten der Erblasserin gaben Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes ab. Sie machten geltend, die in den letztwilligen Verfügungen angeführten Vermögensgegenstände (zwei Eigentumswohnungen samt Mobiliar, ein Prämiensparbuch und Geld) seien nicht das einzige vorhandene Vermögen der Erblasserin gewesen, ihre Verfügungen könnten daher nur als Vermächtnis verstanden werden. Das Erstgericht stellte bei seiner nach § 161 AußStrG zu treffenden Entscheidung über das Erbrecht den Wortlaut der beiden letztwilligen Verfügungen ebenso fest wie Äußerungen der Erblasserin gegenüber dem Revisionsrekurswerber und dritten Personen, wonach der Revisionsrekurswerber ohnehin einmal alles bekommen sollte, bzw dass sie ihm alles vermache. Feststellungen über weiteres, über die in den letztwilligen Verfügungen angeführten Vermögensgegenstände hinausgehendes Vermögen hat das Erstgericht nicht getroffen. Aufgrund der festgestellten Äußerungen der Erblasserin beurteilte es die letztwilligen Verfügungen als Testament zugunsten des Revisionsrekurswerbers und stellte sein Erbrecht fest. Die Erbantrittserklärungen der übrigen Nichten und Neffen wies es ab. Das Rekursgericht übernahm zwar die Feststellungen des Erstgerichts, stellte aber darüber hinaus weiteres, im Todeszeitpunkt vorhandenes Vermögen der Erblasserin fest, insbesondere Wertpapierdepots im Kurswert von über 100.000 EUR zum Todestag, Guthaben auf einem Pensionskonto und einem weiteren Nummerndepot. Es vertrat die Auffassung, dieses im Todeszeitpunkt vorhandene (erhebliche) Vermögen spreche gegen eine Auslegung der letztwilligen Verfügung als Testament zugunsten des Revisionsrekurswerbers. Die letztwillige Verfügung spreche nämlich ausdrücklich nur von Eigentumswohnungen, Inventar, einem Prämiensparbuch und „Geld, was noch da ist", womit offensichtlich Bargeld gemeint sei.

Ob die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügungen weiteres, über die in diesen Verfügungen angeführten Vermögensgegenstände hinausgehendes Vermögen besaß, hat auch das Rekursgericht nicht erhoben.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des erblasserischen Neffen Walter R***** ist zulässig, weil das Rekursgericht bei Auslegung der letztwilligen Verfügung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber weist zutreffend darauf hin, dass die Beurteilung, ob der Erblasser mit seiner letztwilligen Verfügung über einzelne bestimmte Vermögensgegenstände ein Testament oder ein Kodizil errichten wollte, entscheidend davon abhängt, ob er im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung auch noch andere ins Gewicht fallende Vermögenswerte besaß. Für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung entscheidend. Auf den Todeszeitpunkt kommt es hingegen nicht an (stRsp 7 Ob 554/94; SZ 73/5; 10 Ob 14/04p; RIS-Justiz RS0014968). Hinterlässt nämlich der Erblasser einer bestimmten Person alle wesentlichen Teile seines im Zeitpunkt der Verfügung vorhandenen Vermögens oder doch den weit überwiegenden Teil seines Vermögens, so liegt im Zweifel eine Erbseinsetzung und kein Vermächtnis vor (SZ 72/179; 10 Ob 14/04p; RIS-Justiz RS0012245).

Das Rekursgericht ist bei seiner Beurteilung von den Vermögensverhältnissen der Erblasserin im Todeszeitpunkt ausgegangen. Feststellungen zu ihrem Vermögen zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Anordnungen fehlen. Es kann daher noch nicht beurteilt werden, ob die Erblasserin schon zu diesem (wesentlich früheren) Zeitpunkt ein in der letztwilligen Anordnung nicht angeführtes, aber doch so erhebliches Vermögen hatte, dass dieser Umstand (ungeachtet der festgestellten Äußerungen der Erblasserin gegenüber ihrem Neffen und dritten Personen) eine Auslegung ihrer Verfügungen als Vermächtnis zulässt.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht war die neuerliche Entscheidung nach entsprechender Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 1 AußStrG.