JudikaturJustiz6Ob264/07b

6Ob264/07b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H***** vertreten durch den Sachwalter Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagten Parteien 1. Josef U*****, 2. Melitta U*****, beide *****, vertreten durch Schubert Schaffler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen Räumung, über die „außerordentliche" Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. August 2007, GZ 41 R 25/07s-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 30. September 2006, GZ 28 C 642/05y-23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der Kläger begründete sein Begehren, die Beklagten mögen binnen drei Wochen bestimmte Räume im Erdgeschoss des Hauses *****, räumen, in der Klage damit, dass er mit Übergabsvertrag vom 20. 1. 1989 (richtig: 1998) die Liegenschaft den Beklagten gegen Zahlung einer Leibrente ins Eigentum übertragen, sich jedoch ein Wohnrecht am gesamten Erdgeschoss vorbehalten habe. Diese Räumlichkeiten benötige er aufgrund seines gesundheitlichen Zustands nunmehr tatsächlich; die Beklagten, die diese somit titellos benützten, verweigerten jedoch die Räumung.

Die Vorinstanzen gaben dem Räumungsbegehren statt. Das Berufungsgericht hat außerdem ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteigt und dass die Revision nicht zulässig sei. Das Erstgericht legte die (unter anderem) gegen diese Entscheidung erhobene „außerordentliche" Revision unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nach § 508 Abs 1 ZPO einen nach § 508 Abs 2 ZPO befristeten Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Die Beklagten verweisen in ihrem Rechtsmittelschriftsatz allerdings ausdrücklich auf § 502 Abs 5 Z 2 ZPO. Nach dieser Bestimmung gilt (unter anderem) § 502 Abs 3 ZPO nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. § 49 Abs 2 Z 5 JN erfasst alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen über unbewegliche Sachen. Die Beklagten meinen, es liege im vorliegenden Verfahren unter Umständen ein Bestandverhältnis vor; „gerade in Angelegenheiten, wo besachwaltete Personen involviert sind, ist [aber] eine bundeseinheitliche Rechtsprechung von Bedeutung und soll[t]e daher dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit eingeräumt werden, Rechtsprechung von bundesweiter Relevanz zu judizieren. Gerade hier könnte das Zulassungsrevisionssystem eine zu weit gehende Beschränkung darstellen, zumal sich Berufungsgerichte hier der höchstgerichtlichen Entscheidungskontrolle selbst entziehen und damit in ihrem Sprengel die Höchstgerichtsrolle selbst einnehmen könnten".

Ob eine Bestandstreitigkeit im Sinne von § 49 Abs 2 Z 5 JN in Verbindung mit § 502 Abs 5 Z 2 ZPO vorliegt, ist nach den Klagebehauptungen zu beurteilen (stRsp, etwa 1 Ob 115/01w = MietSlg 53.752; 10 Ob 2/03x = MietSlg 55.601); daher sind Räumungsklagen nur dann als Bestandstreitigkeiten anzusehen, wenn sie aus der Beendigung eines Bestandverhältnisses resultieren (s etwa 7 Ob 152/99z = MietSlg 51.621) und dieses Verhältnis auch tatsächlich bereits in der Klage behauptet wurde. Außerdem ist der Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nicht ausdehnend auszulegen (6 Ob 169/06f = Zak 2006/683 mwN). Da sich der Kläger hier in der Klage auf ein Wohnrecht beruft, das auch die von den Beklagten im Erdgeschoss benützten Räumlichkeiten erfassen soll, und den Beklagten im Übrigen titellose Benützung vorwirft, liegt der erwähnte Ausnahmetatbestand nicht vor. Den von den Beklagten angeführten (rechtspolitischen) Überlegungen kann aufgrund der klaren Rechtslage nicht näher getreten werden; sie haben sich im Übrigen nicht einmal selbst im Verfahren erster Instanz auf ein Bestandverhältnis berufen.

Damit war der Rechtsmittelschriftsatz der Beklagten jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (§ 507b Abs 2 ZPO). Einen Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs nach § 508 ZPO haben die Beklagten dabei ohnehin (ebenfalls) bereits gestellt.